Bochum. . Der Verein Freifunk Bochum setzt sich für einen kostenlosen Internetzugang von Bürgern für Bürger ein. Es gibt immer mehr Hotspots in der Stadt.
Kostenloses WLAN gibt es an immer mehr Punkten in Bochum. Nahezu unbemerkt macht sich in der Stadt ein drahtloses Netzwerk breit, das nicht von Bochum Marketing oder von großen Firmen bereitgestellt wird, sondern von Bürgerinnen und Bürgern.
Anstoß dafür gibt ein Verein, der sich zum Ziel gesetzt hat, einen kostenlosen Internetzugang für alle zu ermöglichen. Gemeint sind die „Freifunker“. Das ist eine Gruppe internetbegeisterter Menschen, die die Idee eines freien Gemeinschaftsnetzes vorantreiben.
Nicht nur für Computer-Nerds
Man könnte schon auf die Idee kommen, dass sich hier nur blasse Computer-Nerds zusammentun, wenn man die Räumlichkeiten des Hackerspace „Das Labor“ an der Alleestraße betritt.
Hier findet der gemeinnützige Verein „Freifunk Bochum e.V.“ ein passendes Zuhause. Aber der Eindruck täuscht: „Bei uns kann jeder mitmachen“, sagt André Kasper, der den Verein im Oktober 2015 gegründet hat und seine Begeisterung für die Sache gerne teilt. „Wir setzen uns nicht nur aus Bastlern, Technikbegeisterten und Informatikern zusammen, sondern genauso auch aus Bankkaufleuten und Sozialarbeitern“, weiß er.
Ehrenamtliche Arbeit mit viel Herzblut
Fakten zum Freifunk-Netz
Alle arbeiten sie ehrenamtlich und investieren viel Freizeit und Herzblut in die fortschreitende Vernetzung der Stadt. So auch Jörg Hillebrand, eben einer jener Sozialarbeiter, den das Freifunk-Fieber gepackt hat. Die Idee dahinter ist nämlich nicht nur technischer, sondern vor allem gesellschaftlich-sozialer Natur. „Wir wollen jedem Menschen und vor allem denjenigen mit kleinerem Geldbeutel einen kostenlosen Zugang zum Internet ermöglichen“, sagt André Kasper.
Den Freifunkern geht es um eine notwendige Grundversorgung im Digitalzeitalter. Ihre Netzwerke sollen gewissermaßen das digitale Brot und Wasser bereitstellen – in Form kostenloser WLAN-Hotspots. Die sollen barrierefrei sein, so dass jeder ohne große Hürden einen Zugang zum Internet bekommen kann. Man muss sich also nicht erst kompliziert auf einer Webseite anmelden oder freischalten lassen.
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Man wählt den Hotspot mit einem WLAN-fähigen Gerät aus (z.B. Handy oder Laptop) und kann sofort loslegen. „Es geht darum, dass die Leute ihre E-Mails abrufen oder sich auf Google Maps in der Stadt orientieren können“, erklärt Jörg Hillebrand.
So läuft das Ganze technisch ab:
Jeder Teilnehmer im Freifunk-Netzwerk stellt über einen speziell konfigurierten Router eine Leitung für den Datentransfer bereit, die von anderen benutzt werden kann. Die Router verbinden sich miteinander und bilden ein Netz aus verschiedenen Knotenpunkten. Das nennt man „Meshing“ (engl. mesh = Masche). Der Freifunk schafft mit dieser Technologie eine unabhängige, sich selbst organisierende Infrastruktur. Fällt zum Beispiel ein Gerät aus, wird das Signal über andere Router in der Nähe weitergeleitet.
In fünf Schritten zum Freifunker
Indem Teilnehmer nun einen Teil der Bandbreite ihres eigenen Internetanschlusses zur Verfügung stellen, erlauben sie anderen den Zugriff auf das globale Netz. „Das kann man ohne große Sicherheitsbedenken machen, weil für den Freifunk eine eigene Leitung aufgemacht wird, die vom persönlichen Heimnetz abgetrennt ist“, erklärt André Kasper. Diese Daten laufen über einen sicheren „Tunnel“ zu den Servern des Freifunk Rheinland, der wie die Telekom oder Unitymedia als Internet-Anbieter (neudeutsch: Provider) auftritt und den Zugang ins weltweite Internet bereitstellt.
Unterstützung gibt’s von der Stadt
Freifunk-Initiativen gibt es fast überall in NRW. Auch in Bochums Nachbarstädten wie Hattingen, Witten und Essen wird fleißig gefunkt. Neben einzelnen Aktiven lassen sich viele Cafés und Restaurants, Vereine und Unternehmen für das Bürgernetz begeistern. Bochum kommt derzeit so auf etwa 290 Knotenpunkte, in Witten sind es etwa 480, in Hattingen fast 300 und in Essen rund 370 WLAN-Hotspots.
Immer mehr Kommunen in Deutschland erkennen den allgemeinen Nutzen des freien Netzwerks. Mit einem Ratsbeschluss aus dem Jahr 2015 unterstützt man die Zusammenarbeit mit dem Verein auch in Bochum ausdrücklich von städtischer Seite. Seither dürfen die Freifunker im Rechenzentrum der Stadtwerketochter Telekommunikation Mittleres Ruhrgebiet (TMR) ihre Server kostenlos betreiben, welche im Hintergrund den Datenverkehr des Netzes rechnen.
Kooperation mit Stadt laufe „sehr gut“
Und auf dem Massenbergboulevard und an weiteren Stellen in der Innenstadt fungieren einige TMR-Laternen als Knotenpunkte für das Freifunk-Netz. „Die Kooperation mit der Stadt läuft sehr gut“, betont André Kasper, „wir haben in 2017 alle Flüchtlingsunterkünfte ausgestattet und es gibt Ideen künftig auch die Bürgerbüros der Stadt mit Freifunk zu versorgen.“ Zusätzlichen Schub gaben dem rein spendenfinanzierten Verein die über 14 000 Euro, die sie beim Stadtwerke-Wettbewerb als Bürgerprojekt gewonnen haben.
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Was nach sehr guten Rahmenbedingungen klingt, soll aber nicht vergessen lassen, dass Freifunk „ein Amateurnetz mit einfacher Hardware“ ist, wie es Kasper betont. Das Netzwerk könne nicht dieselbe Qualität wie kommerzielle Anbieter liefern und sei eher als Ergänzung zu anderen Angeboten zu verstehen. So seien einige Punkte in der Innenstadt durch viele Nutzer regelmäßig überlastet. „Der Erfolg des Netzes hängt von der Beteiligung ab“, sagt Kasper.
Wer jetzt also überlegt, seinen Internetvertrag zu kündigen, sollte das besser nicht tun. Bei Freifunk geht es eben nicht ums schnelle Surfen, sondern um eine solidarische Grundversorgung mit Internet von Bürgern für Bürger.
Hier geht es zu einer interaktiven Freifunk-Karte: http://map.freifunk-bochum.de