Bochum. . Die freie Bühne in Hamme hat sich in einer alten Eckkneipe eingerichtet und will die kleine Form pflegen. Ein Blick in die künstlerischen Nische.
Im Theater der Gezeiten ist zurzeit viel in Bewegung. Die kleine, freie Bühne erfindet sich neu. Da kommt der Wechsel an eine neue Spielstätte gerade recht.
Das Theater der Gezeiten ist kürzlich umgezogen, wenn auch nicht gerade weit, von der Schmechtingstraße 38 zur Schmechtingstraße 40. In einer leer stehenden Eckkneipe mitten in der Speckschweiz in Hamme hat sich die Theatercrew um Giampiero Piria eingerichtet. „Die alten Räume waren ein bisschen zu klein geworden, auch, weil dort inzwischen das Schubladen-Museum ,Tiny Rooms’ eingezogen ist“, sagt Giampiero. Der Bochumer Italiener ist in der freien Szene seit über 20 Jahren eine feste Größe, einst war er an der kultigen Erfolgsproduktion „Freunde der italienischen Oper“ maßgeblich beteiligt.
„Maria Stuart“ als Solo
Piria hat das Schubladenmuseum, in dessen Auslagen 40 Bochumer Künstler kleine Wunderwelten installiert haben, ins Leben gerufen, und er ist mit Solo-/Duo-Abenden über Villon, Poe oder Leonard Cohen selbst aktiv. Nun hat er auch im Theater der Gezeiten eine tragende Rolle übernommen. „Der Gründer der Bühne, Benno Boudgoust, zieht sich altersbedingt zurück“, sagt Piria. Also gelte es, das 1995 ins Leben gerufene kleine Theater zukunftsfest zu machen.
Die vergleichsweise großen Räumlichkeiten in der Gaststätte bieten dazu die Möglichkeit. Hier gibt es einen Bühnenraum, der von unterschiedlichen Akteuren bespielt wird. Die konzeptionelle Ausrichtung umschreibt Giampiero mit „Literaturtheater“. „Wir möchten als Solo-Kammerspielstätte die kleine Form pflegen“, sagt er: Lyrik, Figurenspiel, Akustik-Musik, Lesungen. Das Theater der Gezeiten fühlt sich also durchaus wohl in der Nische.
Spielplan bis März steht
Eine Künstlerin, die froh ist, in diesem intimen Rahmen auftreten zu können, ist Denise Rech. Die Schauspielerin hat sich für ihre aktuelle Produktion Schillers „Maria Stuart“ angenommen; das Königinnen- Drama kommt als komprimiertes Solo auf die Bühne, wobei Denise Rech auf die Sprachgewalt Schillers ebenso vertraut wie auf ihr künstlerisches Einfühlungsvermögen. Letzteres eine Qualität, die sie bereits in ihrem feurigen „Nero“-Abend im Theater Rottstraße unter Beweis stellte. Da „Maria Stuart“ aktuell auch am Schauspielhaus im Spielplan steht, ergeben sich für Theaterfreunde interessante Vergleichsmöglichkeiten.
Der Abstecher an die Schmechtingstraße lohnt, soviel darf man wohl sagen. Auch wegen der Wiederaufnahme von „Fischgericht“, einer verspielt-tiefgründigen Adaption von „Die kleine Meerjungfrau“, die die Figurenspielerin Désirée Baier als Mix aus Schauspiel und Objekttheater auf die Wasser-Bühne bringt.
Der Spielplan bis März steht, pro Monat finden rund sechs Aufführungen statt, mehr ist wegen der knappen manpower nicht drin. Ausbaufähig bleibt das Ganze gleichwohl. „Im Sommer werden wir mit dem Umbau der Kneipe fertig sein“, sagt Giampiero Piria. Und dann ergeben sich vielleicht ganz andere Perspektiven.
>>> INFO: Aufführungen und Infos:
Als nächste Aufführungen stehen im Theater der Gezeiten heute (20.) der musikalisch-poetische Abend „So long, Leonard Cohen“ mit Giampiero Piria und Wolfgang (Gitarre) und Nicolai Bachmann (Perkussion) sowie am Samstag (27.) Denise Rechs Schiller-Solo „Maria Stuart“ auf dem Programm. Beginn ist jeweils um 20 Uhr.
Das Theater der Gezeiten befindet sich im Gebäude neben dem Schubladenmuseum an der Schmechtingstraße 40, Ecke Hofsteder Straße (U35-Haltestelle Feldsieper Straße).
Programm-Infos gibt’s unter www.theater-der-gezeiten.de und auf der Facebook-Seite des freien Theaters.