Bochum. . Das studentische Projekt „Mit Sicherheit verliebt“ bietet Aufklärungsunterricht in Schulen an. Weibliche Sexualität ist oft unterrepräsentiert.
- Bei dem Projekt soll Wissen rund um Liebe, Sex und Zärtlichkeiten vermittelt werden
- Lügen ist erlaubt: Jeder darf so viel von sich erzählen, wie er möchte
- Viele Jugendliche sprechen immer weniger mit den Eltern und holen sich Infos aus dem Internet
Das Spiel am Anfang hat sich bewährt. Um das Eis zu brechen, um Bewegung in die Klasse zu bringen, zum Wachwerden. So, wie Lucia Schneider „Wachwerden“ betont und dabei mit den Fingern schnippt, kann man sich gut vorstellen, wie die 23-jährige Medizinstudentin eine Bande Teenies auf Trab hält.
Resolut genug, um sich durchzusetzen, unkompliziert genug, um Vertrauen aufzubauen und eine Basis zu schaffen, für das, was auf das Spiel folgt: Lucia Schneider und ihre 21-jährige Kommilitonin Carolin Frost besuchen Schulen, um dort mit Jugendlichen über Sexualität zu sprechen.
„Mit Sicherheit verliebt“ heißt das Projekt, das sich zur Aufgabe gemacht hat, Wissen rund um Liebe, Sex und Zärtlichkeiten zu vermitteln. Mindestens drei Stunden, im Idealfall auch einen ganzen Vormittag lang, räumen speziell geschulte Studentinnen und Studenten mit Irrtümern auf, erklären Begrifflichkeiten und Anatomie, und versuchen ein „noch immer schambehaftetes Thema“, wie Carolin es nennt, möglichst unbefangen zu behandeln.
„Penis“ ist kein Problem, „Scheide“ aber schon
Dazu gehört auch, dass beim Eingangsspiel namens „Obstsalat“ die Obstsorten irgendwann durch Bezeichnungen für Geschlechtsteile ersetzt werden. Auffällig dabei: Während das Wort „Penis“ den wenigsten Jugendlichen Probleme bereitet, mag kaum jemand „Scheide“ sagen. Was sich in diesem Spiel andeutet, erleben Carolin und Lucia auch in den Fragerunden und Gesprächen mit den Jugendlichen: „Die weibliche Sexualität ist unterrepräsentiert“.
Auch das wollen die jungen Frauen und ihre Mitstreiter ändern. „Es ist wichtig, mit den Jungs auch über die weibliche Periode zu sprechen“, sagt Lucia. Die Botschaften an die Zwölf- bis 14-Jährigen sind simpel. So erklären die Studenten zwar verschiedene sexuell übertragbare Krankheiten, Ansteckungsgefahren und Folgen, doch hängen bleiben soll vor allem: „Wenn etwas komisch ist, geh einfach zum Arzt.“
Lügen ist erlaubt – niemand muss Intimes preisgeben
Weil das Projekt keinen Frontalunterricht vorsieht, bleibt es auch nach dem Obstsalat meist spielerisch: Ob nun Assoziationen an der Tafel gesammelt, Gegenstände wie Tampons, Kondome oder eine DVD-Hülle aus einem Beutel gegriffen und zum Gesprächsthema gemacht, oder in Mädchen- und Jungengruppen Fragen ans andere Geschlecht formuliert werden.
Bei aller Zwanglosigkeit gibt es allerdings auch Regeln, eine davon: Lügen ist erlaubt – niemand muss Intimes preisgeben. „Auch wir selbst nicht, wenn uns persönliche Fragen gestellt werden“, sagt Lucia.
Den Sexualkundeunterricht der Lehrer wollen die Studenten mit ihrem Projekt nicht ersetzen. Auch nicht das Gespräch mit den Eltern. Das jedoch scheinen immer weniger Jugendliche zu führen.
Viele Jugendliche holen sich Infos aus dem Internet
Informationen würden sich viele aus dem Internet holen, erzählen die Studentinnen – Segen und Fluch zugleich. Zwar finde man auf jede Frage irgendeine halbwegs brauchbare Antwort, doch es kursiere auch viel Halbwissen – „und vieles, was man gar nicht wissen möchte“, sagt Carolin, weil es verunsichere oder Druck aufbaue.
Den wollen die Studenten den Jugendlichen nehmen, deshalb findet ihr Unterricht ohne Lehrer statt. Die meisten jedoch würden sich nach einer Weile auf die Gespräche einlassen und vieles wissen wollen: „Fragen, die sie Eltern und Lehrern nicht stellen wollen und den Freunden nicht stellen können“, sagt Lucia. „Wir aber machen ihnen klar: Wir sind nur einen Tag hier, ihr könnt uns alles fragen – denn danach sehen wir uns vermutlich nie wieder.“
>>> INFO: Bundesweites Projekt an 35 Standorten
„Mit Sicherheit verliebt“ ist ein bundesweites Projekt mit Lokalgruppen an 35 Standorten
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Die Bochumer Gruppe besteht seit etwa zwei Jahren und hat zur Zeit 15 ehrenamtliche Mitglieder. Sie steht Studenten aller Fachrichtungen offen.
Für Schulen ist der Besuch fast kostenlos – sie zahlen lediglich einen Materialkostenbeitrag von einem Euro pro Schüler.