Bochum. Wann hören „Doktorspiele“ auf und wann fängt der sexuelle Übergriff an? Schutzfachkräfte informieren in Bochum über die Gratwanderung.
807 Mal wurde im vergangenen Jahr das Jugendamt in Bochum eingeschaltet – wegen des Verdachts auf Kindeswohlgefährdung. Darunter fallen körperliche und psychische Misshandlungen; aber auch Fälle, in denen das Kind vernachlässigt wurde, zum Beispiel nicht ausreichend Essen bekam. Um das Wohlergehen der Kinder in Bochum zu sichern, wurde vor acht Jahren ein Qualitätszirkel der Bochumer Schutzkräfte ins Leben gerufen. Dieses Kinderschutzsystem mit seinen pädagogischen Fachkräften tagt jährlich. Das Thema dieses Mal: „Sexuelle Handlungen unter Kindern und Jugendlichen – was gehört zum Leben und wann wird es problematisch?“
Fokus liegt auf Prävention
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„Doktorspiele bei Kindern haben nichts mit Sexualität zu tun. Es ist eher ein Erkunden, freiwillig, unter Gleichstarken“, erklärt Psychologin Monika Bormann, die gleichzeitig Leiterin des Fachbereichs Jugendhilfe im Caritasverband für Bochum und Wattenscheid ist. „Gleich stark“ meint in dem Fall etwa „gleich alt“. Problematisch werde es zum Beispiel, wenn das ältere Kind die Schwäche des kleineren und jüngeren Kindes ausnutze. Die Arbeit der Schutzfachkräfte – in erster Linie Erzieher – umfasst dabei vor allem die Prävention und die frühzeitige Beratung und Erziehungshilfe. „Wir möchten Kinder zu selbstbewussten, kleinen Menschen erziehen, die lernen, ihre Gefühle wahrzunehmen, richtig einzuordnen und auch mal ‘nein!’ zu sagen“, appelliert Bormann. Und auch die Eltern müssen verstehen, dass „Dinge, die passiert sind, auch besprechbar sind“, meint Martin Kompa vom Evangelischen Kirchenkreis Bochum. Sexualität – gerade unter Kindern – ist nämlich ein Tabu-Thema.
Die Grenze zwischen normaler sexueller Entwicklung bei Kindern und Übergriffen, die das Kindeswohl gefährden, ist in der Praxis nicht immer klar zu ziehen. „Viele Kitas sind deswegen verunsichert“ erzählt Martin Kompa. Die Aufgabe liege also darin, einen gesunden Mittelweg zwischen „nichts mehr erlauben“ und „beschämten oder herunterspielendem Wegschauen“ zu finden. Ganz wichtig: eine offene und ehrliche Diskussion. „Bei ,Übergriffen’ versuchen wir, alle beteiligten Eltern und Erzieher an einen Tisch zu bekommen. Denn oft sind Eltern wütend und suchen die Schuld, wie so etwas passieren konnte, bei den Erziehern. Das Vertrauen muss in so einem Fall erst wieder hergestellt werden“, sagt Psychologin Bormann. Vor allem dürfe das Kind, nachdem es von seinem „Übergriff“ erzählt habe, nicht bestraft werden. „Sonst denkt es, es werde für sein Erzählen und nicht für sein übergriffiges Verhalten bestraft.“