Wenn am Freitag die deutsche Medizinwelt nach Bochum blickte – dann nicht, weil die Kollegen in der Propsteikirche über Geschlechtskrankheiten sprachen. Nach bereits zwei Monaten Arbeit wurde dort das benachbarte „Zentrum für sexuelle Gesundheit und Medizin“ eröffnet – für den Bundesgesundheitsminister ein Modellprojekt.
Die Anlaufstelle im ehemaligen Schwesternheim des Elisabeth-Hospitals will aufklären, helfen, therapieren, für das Thema offen sein im besten Sinne. Denn die Syphilis ist wieder auf dem Vormarsch. Und mit ihr der Tripper, der Humane Papillomvirus (HPV), die Infektion mit Chlamydien. Nur spricht man lieber nicht darüber. nicht einmal mit seinem Arzt, wenn man denn einen hat.
In der Einrichtung des Katholischen Klinikums muss nun niemand mehr mit seiner Krankenkassenkarte gleich zum Spezialisten, hier arbeiten Pflegekräfte und Sozialarbeiter, die gegebenenfalls weiterleiten und begleiten. Beteiligt sind die Immunologische Ambulanz der Universitätshautklinik, die Aidshilfe, das Gesundheitsamt, die Beratungsstellen pro familia, Rosa Strippe (für Homosexuelle) und Madonna (für Prostituierte). Nicht nur sie arbeiten zusammen, auch Haus- und Frauenärzte sowie Urologen sind integriert. So sollen alle Menschen erreicht werden, besonders die jungen, die erst recht nicht zum Arzt gehen, wenn sie Fragen haben zur Sexualität.
Die Hürde bisher, sagt der Bochumer Dermatologe und HIV-Experte Prof. Dr. Norbert Brockmeyer, der das Zentrum erfand: „Wir können über alles reden – nur nicht über Sexualität. Wir haben keine Sprache dafür.“ Und wenn, sei das Thema tabu. Auch für Ärzte sei das nicht vollkommen anders: „Sie sind ja genau so sozialisiert wie ihre Patienten.“
Studien ergaben, dass Mediziner über Sex lieber nicht reden, wenn der Patient nicht fragt. Und dass Patienten sich wünschen, der Arzt spreche das Thema von sich aus an. Dabei ist, sagt der Medizinische Geschäftsführer des Katholischen Klinikums Christoph Hanefeld, von Haus aus Kardiologe, „die Geschlechtskrankheit eine Krankheit wie jede andere“.
Die aber therapiert gehört, überhaupt erst erkannt. Das Zentrum soll nun eine niedrigschwellige Anlaufstelle sein für Informationssuchende, die vielleicht Patienten werden. Auch für Schulklassen, die hier über Sexualität und Prävention reden wollen. Und für Pflegekräfte und Ärzte, die sich weiterbilden sollen. „Wie kommuniziere ich“, sagt Brockmeyer, „ist die Frage, die wir trainieren müssen.“ Arne Kayser, Geschäftsführer der Bochumer Aidshilfe, sagt: „Man muss das Thema besprechbar machen.“
Der Weg zum Gespräch führt ab sofort – über den Kirchplatz.