Bochum. . Ruth Weiss (94) besucht die Sekundarschule und erzählt zwei Stunden aus ihrem Leben. Sie floh mit ihrer jüdischen Familie vor dem Nazi-Terror.
- Zeitzeugin Ruth Weiss (94) besucht die Nelson-Mandela-Sekundarschule in Bochum
- Sie floh mit ihrer jüdischen Familie vor dem Nazi-Terror und erlebte in Südafrika das Apartheid-Regime
- Regelmäßig ist sie Deutschland unterwegs und erzählt an Schulen aus ihrem bewegten Leben
Die Probleme mit der Ton-Anlage nimmt Ruth Weiss gelassen hin. Die Schriftstellerin hat in ihren 94 Lebensjahren schlimme, abscheuliche Dinge erlebt, da lässt sie sich hier in der Turnhalle der Nelson-Mandela-Schule vor 200 Schülern von einem nur zögerlich funktionierenden Mikrofon nicht aus der Ruhe bringen.
„Bin ich auch da hinten jetzt gut zu verstehen“, fragt sie in die Halle und erntet vielfaches Nicken. Sie ist eine Jahrhundertzeugin. Das, was sie zu erzählen hat, ist wichtig für die Schülerinnen und Schüler.
Ruth Weiss hat Nelson Mandela kennengelernt
1936 floh sie mit ihrer jüdischen Familie vor dem Nazi-Terror nach Südafrika. Im Exil erlebte sie als Jugendliche die Anfänge des Apartheid-Regimes. Sie kann nicht nur von ihrer Kindheit im Nazi-Deutschland berichten, sondern auch von Nelson Mandela, den Namensgeber der Sekundarschule. Sie hat ihn persönlich kennengelernt.
Ruth Weiss lebt inzwischen in Dänemark bei ihrem Sohn. Sie kommt regelmäßig nach Deutschland, um in Schulen von ihrem Leben zu erzählen. „Gestern waren wir in Paderborn“, sagt Lutz Kliche. Der Literaturvermittler arbeitet seit 1980 mit ihr zusammen, ist Freund und persönlicher Begleiter. „Da hatten wir zwei Lesungen. Ich finde, dass es wichtig ist, der heutigen Generation von der Geschichte zu erzählen. Wie hat ein schlauer Mensch einmal gesagt: Wer die Vergangenheit nicht kennt, ist gezwungen, sie zu wiederholen.“
In Südafrika wegen der Hautfarbe privilegiert
Also gibt Ruth Weiss ihre Erfahrungen weiter, erzählt, wie es war, als sie als Jüdin nach dem 30. Januar 1933 plötzlich allein war. Es war der Tag, an dem Hitler zum Reichskanzler ernannt wurde und in den Wochen danach die politischen und demokratischen Rechte durch Notverordnungen immer mehr einschränkte. „Bis dahin hatte ich viele Freunde in meiner Klasse, danach saß ich allein. Was an dem Wochenende danach geschah, aber war das Schlimmste. Meine Schwester wurde beschimpft und mit Dreck beschmissen. Da habe ich das Fürchten gelernt.“
Die Worte zeigen Wirkung bei den Schülern. Es ist ein Unterschied, ob sie im Unterricht über Ereignisse hören oder lesen, oder ob ein Zeitzeuge, eindringlich erzählt und von persönlichen Erfahrungen berichtet. Die Berichte von Ruth Weiss sind auch aufgrund der Flüchtlingssituation aktuell. „Ich habe erlebt, dass Menschen, die vor den Nazis geflohen sind, nicht überall mit offenen Armen empfangen worden sind. Und es war schwierig zu verstehen, dass ich dann in Südafrika aufgrund meiner Hautfarbe privilegiert war.“
Zwei Stunden erzählt sie, liest abwechselnd mit Kliche aus ihren Büchern, beantwortet Fragen der Schüler. Am Ende gibt es Applaus und ein gemeinsames „Bild“. Jeder der Schüler und auch Ruth Weiss nimmt einen Kieselstein, drückt ihn in den noch feuchten Zement einer gerahmten Tafel. Zur Erinnerung an den Besuch von Ruth Weiss, steht da. Die Schüler werden ihn auch ohne Tafel nicht vergessen.
>>> INFO: Buch „Meine Schwester Sara“ ist Prüfungslektüre
Ruth Weiss wurde 1924 als Ruth Loewenthal in Fürth geboren. Sie schrieb mehrere Sachbücher, später Romane, die zum Teil in den Literaturkanon der Schulen aufgenommen worden sind.
Das Buch „Meine Schwester Sara“ war im Schuljahr 2006/2007 Prüfungslektüre an den Realschulen in Baden-Württemberg und wird für die Prüfungen 2017/2018 erneut genutzt.
Ruth Weiss wurde 1924 als Ruth Loewenthal in Fürth geboren. Sie schrieb mehrere Sachbücher, später Romane, die zum Teil in den Literaturkanon der Schulen aufgenommen worden sind.
Das Buch „Meine Schwester Sara“ war im Schuljahr 2006/2007 Prüfungslektüre an den Realschulen in Baden-Württemberg und wird für die Prüfungen 2017/2018 erneut genutzt.