Mit dem „Young’n’Rotten“-Ensemble wirft Regisseur Hans Dreher eine radikale und verspielte Sicht auf „Alice“ von Lewis Carroll.
- Ob in Filmen, Gemälden, Opern oder Songs: „Alice im Wunderland“ hat schon viele Künstler inspiriert
- Junges Ensemble stellt sich dem berühmten Mythos nach dem Kinderbuch von Lewis Carroll furchtlos
- Regisseur Hans Dreher verlegt die Handlung in eine Einrichtung für psychisch kranke Jugendliche
Die zeitlos schöne Geschichte von „Alice im Wunderland“, die sich der britische Schriftsteller Lewis Carroll ausdachte, hat im Laufe der letzten 150 Jahre endlose Deutungen erfahren. Es gibt Filme, Opern, Gemälde und Songs darüber. Die Beatles (bei „I am the walrus“) sollen sich ebenso beim „Alice“-Mythos bedient haben wie Hollywood-Streifen neuerer Zeit à la „Matrix“ und „Resident Evil“.
Radikal und verspielt zugleich
Doch so radikal und gleichzeitig so verspielt wie derzeit am Theater Rottstraße 5 hat man „Alice“ wohl schon lange nicht gesehen. Gemeinsam mit fünf Schauspielern des „Young’n’Rotten“-Jugendensembles stellt sich Regisseur Hans Dreher der Vorlage dermaßen furchtlos, dass einem beim Zusehen schon etwas bang werden kann. Denn ob es sich zwischen all den Zitaten und Querverweisen auf der Bühne tatsächlich um eine Hommage an Carrolls „Alice“ oder eher um eine Veralberung handelt, bleibt bis zum Ende des 90-minütigen, mächtig dunklen Spiels offen.
Den Fans der Kinderbuch-Vorlage sei also gesagt: Die Geschichte des kleinen Mädchens, die dem sprechenden weißen Kaninchen neugierig in den Bau folgt und dort absonderliche Abenteuer erlebt, wird an der Rottstraße höchstens am Rande gestreift. Sicher: Auch Alice’ phantastische Reise ins Wunderland wird letztlich als Traum entlarvt – und ähnlich verhält es sich auf der Bühne, wobei die Grenze zwischen Traum und Alptraum in Drehers kurios durchgeknallter Aneignung fließend ist.
Wer sich einmal damit abgefunden hat, eben keiner Ur-Alice im klassischen Sinne auf der Bühne zu begegnen, der erlebt einen turbulenten Abend mit viel Witz und einigen Schockmomenten.
Dank an Arnold Schwarzenegger
So verlegt Dreher die Handlung in eine Art Einrichtung für psychisch kranke Jugendliche. Jeder, der hier im Stuhlkreis sitzt, hat sein Bündel zu tragen, wobei die strenge Ärztin (Dyana Krupezki) genau darauf achtet, dass jeder von ihnen ausreichend rote Pillen (mit Gruß an „Matrix“) schluckt.
Wenn jeder der Insassen (Nikita Buldyrski, Mira Iserloh, Selina Liebert und Lukas Vogelsang) von seinen eigenen Erfahrungen berichtet, gleiten die Szene immer wieder ins Düstere, ins Apokalyptische, auch ins Bizarre ab, was mit dem Einsatz von viel Nebel und Scheinwerfern wirkungsvoll unterstrichen wird. Besonders eindringlich gerät ein Zitat aus „Total Recall“. Dafür wird Arnold Schwarzenegger sogar auf dem Programmzettel gedankt.
Simon Krämer, der für Licht und Sounds verantwortlich ist, macht sich derweil einen Riesenspaß daraus, die Inszenierung mit Songs zu unterlegen, in denen es um Träume aller Art geht – und dafür plündert er beherzt die Oldie-Kiste: von Bobby Darins „Dream Lover“ bis zu „All I have to do is dream“ von den Everly Brothers. Für Freunde des etwas skurrilen, abgründigen Humors ist diese „Alice“ also eine klare Empfehlung, zumal sich die jungen Schauspieler mit großer Freude ins Wunderland stürzen.
>>> „Young’n’Rotten“-Ensemble gibt es seit 2010
Das „Young’n’Rotten“-Ensemble hat an der Rottstraße 5 schon Tradition. Seit 2010 gibt es jährlich ein bis zwei Produktionen. Zahlreiche Mitwirkende wurden später an renommierten Schauspielschulen aufgenommen.
2016 wurde „Hexenjagd“ mit dem Petra-Meurer-Förderpreis ausgezeichnet.
„Alice“ wieder am 7. und 24. September, 19.30 Uhr. Karten (13 / 7 Euro): karten@rottstr.de .