Gerthe. Workshop dreht sich um Schandflecken, Leerstände und um die Zukunft des Einzelhandels. „Mittelpunktverschiebung war eine krasse Fehlentscheidung“
Die Gerther suchen nach Wegen, ihre Innenstadt aus der Tristesse zu wecken. Dazu wurde eine Workshop-Reihe mit dem Titel „Perspektive Gerthe“ ins Leben gerufen, in der verschiedene Aspekte der Wirtschafts- und Stadtentwicklung neu definiert werden.
Zum Auftakt ging es um die Zukunft des Verwaltungsgebäudes Lothringen, im zweiten Workshop rückt das Zentrum in den Blick mit seinem Einzelhandel, prägenden Orten, Stärken und Schandflecken.
„Was kann hier passieren?“, steht unter einem Foto vom Gerther Marktplatz, und den Blick in die trostlose Lothringer Straße begleitet die Frage: „Wie geht es mit der Fußgängerzone weiter?“. Im Workshop haben sich jeweils Zweierteams zusammengetan, die sich der fotografierten Gebäude, Grünflächen, Plätzen oder Schandflecken annahmen.
Die letzte Vorstadtkneipe
Bezirksbürgermeister Henry Donner (SPD): „Dann wurde vor Ort geguckt, was muss man tun, was muss weg, was kann bleiben?“ Er selbst hat sich zusammen mit einer Schülerin um die leerstehende Sportgaststätte am Markt gekümmert. „Das war eine der letzten Vorstadtkneipen, die wir hatten. Uns ging’s darum, ob sich eine Betreibergesellschaft findet, die daraus einen Veranstaltungstreff macht.“
Mit Teilnehmern von Bochum Marketing, des Planungsamtes, der Wirtschaftsentwicklungsgesellschaft, der Geschäftsleute, Initiativkreis Gerthe (InGe), Politik, Einzelhandelsverband, NRW-Bank und interessierten Investoren entwarf die Runde als Zukunftsbild Gerthe als Ort mit Lebens- und Handelsqualität, als „Dorf in der Stadt“.
Es hapert im Kleinen
Der Weg dorthin ist steinig. Zwar weist der Stadtteil gute Sozialdaten auf, ein breites Angebot an Dienstleistern und Einzelhandel. Doch hapert es im Kleinen: Die Fußgängerzone wird ihre Leerstände nicht los, es gibt hässliche Adressen wie den Bunker an der Hans-Sachs-Straße, die seit Jahren verrottende Alte Apotheke am Castroper Hellweg, der Marktplatz, der bis auf die Boule-Bahn nur als Parkplatz fungiert, die Bethanienstraße, die sich gegen den Handel auf dem Lothringen-Gelände abschottet.
Tabu war nichts bei der Suche nach einer Aufwertung der Fußgängerzone. Soll der Handel dort bleiben oder soll dort ein Wohnquartier entstehen? Und sollte man auf Lothringen den Handel neu ordnen zur Qualitätsverbesserung?
Schon beim ersten Workshop gab es die Anregung, die Geschäfte zur Bethanienstraße zu verlagern, wo sie ursprünglich angesiedelt waren, bis die Ladenlokale zu klein wurden und seither leer stehen. Zwar soll es Interessenten dafür geben, laut dem Bezirksbürgermeister aber „nichts Hochwertiges“. In diesem Zuge müsste der versteckte Durchgang zum Lothringen-Gelände neu gestaltet werden. Donner: „Die Mittelpunktverschiebung war damals eine krasse Fehlentscheidung der Politik.“
Füllhorn an Ideen und Wünschen
Entstanden ist ein Füllhorn an Ideen, Szenarien und Wünschen. Sie alle werden auf ihre Realisierungschance untersucht. Die Grafikerin Anja Weiß hat alles erneut skizziert, in Form von „graphic recording“, erklärt Charlotte Kreckel, die für Bochum Marketing dabei war. „Für die Umsetzung der Vorschläge braucht es einen Mix aus öffentlichen Mitteln, privaten Investitionen und bürgerschaftlichem Engagement“, weiß Henry Donner. Und letzterem dürfen keine bürokratischen Hürden den Weg verstellen, wie es InGe mit der Pflege der Blumenkübel erleben musste.