Bochum. WAZ-Leser erkunden die Verbundleitstelle des Energieversorgers in Hamme. Hier läuft rund um die Uhr alles zusammen – auch die Störungsmeldungen
- 4200 Kilometer lang ist allein das Stromnetz der Stadtwerke in Bochum
- Dieses und weitere Netze kontrolliert der Energieversorger in einer Leitstelle
- Zehn WAZ-Leser durften einen Blick in die lebenswichtige Schaltstelle werfen
„Abschalten!“ Die WAZ-Leser grinsen, als auf dem blinkenden Schaubild der Name „Finanzamt“ auftaucht. Dem Fiskus den Saft abdrehen? Hier, in der Verbundleitstelle der Stadtwerke, wäre es theoretisch möglich. Doch Joachim Peters dämpft die Erwartungen. „Nutzt nix“, sagt der Stadtwerker, blickt kurz vom Computer auf und grinst in die Runde zurück: „Die haben ein Notstromaggregat.“
Hamme, Betriebshof Darpestraße, treppauf, dann links: Hier schlägt es, das Herz der Stadtwerke. Als „kritische Infrastruktur“ bezeichnet Sprecher Christian Seger das Großraumbüro mit fünf mächtigen Schreibtischen. Absolut verboten für Unbefugte. Und damit absolut geeignet für die Sommerserie „Die WAZ öffnet Pforten“.
Stromnetz bis Sankt Petersburg
Strom, Gas, Wasser, Fernwärme: Alles, was durch das Leitungsnetz des Energieversorgers fließt und strömt, wird hier überwacht. Allein die Stromleitungen im Stadtgebiet sind 4200 Kilometer lang. „Das entspricht der Strecke nach Sankt Petersburg“, hat Ansgar Varnhagen nachgerechnet.
Als Leiter der Leitstelle gibt er eine ebenso entspannte Figur ab wie seine fünf Mitarbeiter, die „Dispatcher“ genannt werden und locker vor ihren Monitoren und der bunt blinkenden Großbildwand sitzen. Ihre Verantwortung ist groß. Ihr Fachwissen und ihre Routine aber auch.
Der Bochumer Strom wird an nur zwei PC-Inseln kontrolliert
Für die zehn WAZ-Leser, die den Besuch in der Herzkammer des Energieversorgers gewonnen haben, beschränkt sich Varnhagen auf die Stromversorgung. Die hat es in sich. 27 Umspannstationen, 5649 Schaltkästen, 61 440 Hausanschlüsse mit 240 000 Stromzählern, 36 000 Straßenlaternen, mit Thyssen-Krupp, Eickhoff, der Uni, den Kliniken und dem Ruhrpark Abnehmer der XXL-Kategorie: Die WAZ-Gruppe staunt, dass der komplette Bochumer Strom auf gerade mal zwei PC-Inseln gecheckt wird. Zwei weitere Wach-Leute kümmern sich um Gas und Wasser, einer um die Fernwärme. Rund um die Uhr. 365 Tage im Jahr.
„Stadtwerke Bochum, was kann ich für Sie tun?“ Einer der Stromer nimmt einen Anruf entgegen. Denn. Auch alle Störungsmeldungen laufen in der Leitstelle auf. Aktuell geht es um einen Stromausfall an der Castroper Straße. Trotz des soeben niedergehenden Unwetters verzeichnet die Zentrale keine Ausfälle.
Der Anrufer ist unsicher. Vermutlich liegt der Fehler im Verteilerkasten in der Wohnung. Dafür sind die Stadtwerke nicht zuständig. Ein ewiges Dilemma. „Ich schicke trotzdem jemanden vorbei. Dauert gut 30 Minuten“, sagt der Dispatcher, legt auf und informiert per Handy den Außendienst.
5,6 Minuten im Jahr ohne „Saft“
Von massiven Ausfällen bleiben die Bochumer weitgehend verschont, betont Ansgar Varnhagen. Im Jahr 2015 musste jeder Kunde 5,6 Minuten ohne Strom auskommen – nicht selten verursacht durch Bagger, die die Leitungen durchtrennen. Der Bundesdurchschnitt liegt bei 12,7 Minuten.
Beim WAZ-Besuch läuft alles glatt. Das „Weltbild“, wie die Stadtkarte mit den leuchtenden Quadraten und Dreiecken genannt wird, zeigt keine Besonderheiten. Ob unter dem Kürzel ALEE (Alleestraße), ROMA (Romanusplatz) oder WERI (Westring): Der Strom läuft wie geschmiert.
Wobei jetzt, gegen 18 Uhr, der Verbrauch erst langsam auf Touren kommt. Varnhagen verweist auf ein Tagesdiagramm. Danach steht Bochum im Sommer um 6 Uhr auf, läuft mittags zur Höchstform auf und legt sich Mitternacht ins Bett. Das Finanzamt ist längst im Tiefschlag versunken. Auch ohne Stromausfall.