Bochum. Seit einer Woche läuft die Hausbesetzung an der Herner Straße in Bochum. Die Solidarität wächst – aber auch die Sorge vor einer Räumung.
- Seit einer Woche ist das Wohn- und Geschäftshaus an der Herner Straße 131 besetzt
- Die Solidarität mit den Besetzern wächst – aber auch die Angst vor einer Räumung
- Ob und wann es soweit kommen könnte, ließ die Polizei am Freitag auf Anfrage offen
Eine Woche nach Beginn der Hausbesetzung an der Herner Straße ist eine Räumung nach wie vor nicht in Sicht. Weil „keine weiteren Straftaten“ festzustellen seien, belasse es die Polizei noch bei der Beobachtung des Gebäudes, erklärt Sprecher Volker Schütte. Derweil ist die Debatte um Wohnungsleerstände neu entbrannt.
Seit dem vergangenen Wochenende halten mehrere Dutzend Aktivisten aus dem linken Spektrum das leerstehende Wohn- und Geschäftshaus an der Herner Straße 131 in Hamme besetzt. Die Stimmung sei „super“, sagte eine Sprecherin am Freitag der WAZ. Nachbarn stellten Strom und Wasser bereit. „Die Solidarität ist groß. Wir bekommen nur positive Resonanz: stadtweit und im direkten Umfeld.“
Aktion soll auf über 7000 leerstehende Wohnungen hinweisen
In einem „Kommuniqué“ haben die Besetzer ihre Ziele formuliert. Mit ihrer Aktion wollten sie auf die „weit über 7000“ leerstehenden Wohnungen in Bochum hinweisen – dies in Zeiten, in den bezahlbarer Wohnraum immer knapper werde. Zwar steht das Haus an der Herner Straße vor der Zwangsversteigerung und damit Neunutzung. Die Besetzung sei gleichwohl „begründet: Wir befürchten, dass die Immobilie zum Schrottpreis von einem Investor ersteigert wird, der nach teurer Sanierung seine Mieter noch teurer zur Kasse bittet“.
Die „Instandbesetzung“ (so nennen es die Aktivisten) könne das selbstverwaltete Haus hingegen wieder für die Allgemeinheit nutzbar machen. Im Ladenlokal könne ein Nachbarschaftstreff mit sozialen Projekten entstehen. Allerdings seien Versuche, darüber mit der Eigentümerin ins Gespräch zu kommen, bislang gescheitert. „Bitte nehmen Sie Ihre Anzeige zurück und reden Sie mit uns!“, heißt es in der Erklärung der Besetzer.
Grillfest und Podiumsdiskussion
Unterdessen findet die Aktion immer Unterstützer. Nach Angaben des Netzwerks „Stadt für Alle“ gehören u.a. die Partei Die Linke, die Soziale Liste im Rat, Bodo, der Bahnhof Langendreer und der Mieterverein dazu. Der Hinterhof wird inzwischen für Veranstaltungen genutzt: etwa ein Grillfest und eine Podiumsdiskussion gestern Abend. „Wir sind dankbar für den großen Zuspruch“, so die Sprecherin. „Über allem schwebt aber die Angst, dass das Gebäude jederzeit geräumt werden könnte.“ Ob und wann es soweit sein könnte, ließ die Polizei am Freitag offen.
>>1500 Wohnungen sind mobilisierbar
Verständnis äußert der Mieterverein Bochum für die Hausbesetzer an der Herner Straße. Er appelliert an die Hauseigentümerin und die Polizei, das Gebäude nicht räumen zu lassen, sondern das Gespräch zu suchen. Bei einer Hausbesetzung an der Maarbrücke habe das vor Jahren zum Erfolg geführt. Mit Hilfe der GLS-Bank hätten die Besetzer die Immobilie ersteigern können, auch der Mieterverein habe mit einem Kredit geholfen.
Erneuert hat der Verein seine Forderung nach einer Zweckentfremdungssatzung, um dem Leerstand von 7000 Wohnungen in der Stadt zu begegnen. Aus Sicht von Geschäftsführer Michael Wenzel ist das eine der „Stellschrauben, an denen gedreht werden muss“, um die Probleme auf dem Wohnungsmarkt anzupacken. 1500 Wohnungen in Bochum sind nach Schätzung des NRW-Bauministeriums potenziell mobilisierbar, d.h. könnten nutzbar gemacht werden.
Politik muss entscheiden
Dass diese alle unter dem Aspekt „Zweckentfremdung“ betrachtet werden können, bezweifelt Eckart Kröck, Leiter des Amts für Stadtplanung und Wohnen. „Wir haben in Bochum einen recht bescheidenen Bestand im Sinn der Zweckentfremdung.“ Aufschluss werde das Handlungskonzept Wohnen geben, das vor der Sommerpause vorliegen soll und für das ein Gutachter u.a. den Aspekt des Leerstands und geeigneter Maßnahmen dagegen untersucht hat. Am Ende müsse die Politik über mögliche Instrumente entscheiden.
Erfahrungen mit einer Leerstandsatzung hat die Stadt Dortmund gemacht. Zweckentfremdung liegt nach ihrer Definition vor, wenn Wohnraum überwiegend gewerblich genutzt wird, länger als drei Monate leer steht oder abgerissen werden soll. Verstöße können mit einer Geldbuße bis zu 50 000 Euro geahndet werden.
Fördern und Fordern
So weit muss es aus Sicht des Mietervereins nicht kommen. Trotz der Forderung nach einer ordnungspolitischen Maßnahme wolle er nicht, „dass die Stadt permanent die Bußgeldkeule schwingen soll“, so Geschäftsführer Wenzel. Es gehe um „ein kombiniertes Fördern und Fordern“. Dazu gehörten finanzielle Hilfen für klamme Eigentümer und auch Informationen. Wenzel: „Denn wir erfahren immer wieder, dass Hauseigentümer nicht Bescheid wissen.“