Bochum. 1982 tobte an der Stühmeyerstraße eine der heftigsten Auseinandersetzungen der Hausbesetzer-Jahre. Jugendliche forderten ein Kulturzentrum.
„Bochumer Eisenhütte“ steht auf dem Torbogen an der Stühmeyerstraße. Einst führte er in die Werkhallen der Heintzmann-Gießerei, heute befindet sich hinter dem Backstein-Bau eine Wohnanlage. Vor gut 30 Jahren tobte hier eine der heftigsten Auseinandersetzungen der Hausbesetzer-Jahre.
Die BO-Fabrik: Für alle, die dabei waren, ist der Name immer noch mit Emotionen behaftet. Und es waren viele dabei. Die jugendliche Fabrikbesetzer, die ein selbstverwaltetes Kulturzentrum forderten, die damalige Stadtspitze um OB Heinz Eikelbeck und den SPD-Granden Heinz Hossiep, dazu Künstler und Schauspieler, Anwohner und nicht zuletzt Intendant Claus Peymann, der sich angesichts der Anfang 1982 eskalierenden Ereignisse in Bochum „wie in Dallas“ fühlte.
Selbst- statt Fremdbestimmung
Winter 1981/82. Die Stimmung ist gereizt. Seit einem halben Jahr hatte die Stadtspitze Ärger am Hals. Besetzte Fabrikhallen, besetzte Häuser, Demos, Polizeieinsätze – alles Auswüchse der Forderung der alternativen Jugendbewegung nach einem selbstverwalteten Zentrum in der City.
Blick in die Stadtgeschichte
Vieles, was einmal in Bochum war, ist inzwischen vergessen. Aber manches wissen die alten Bochumer noch von früher. Und die jungen sind neugierig, es zu erfahren.
Mit „Bochum historisch“ wirft die WAZ einen Blick in die Stadtgeschichte. Unter dem Motto „So sah Bochum einmal aus“ werden verschwundene und noch sichtbare Gebäude besucht.
Wegen des großen Anklangs, den die Reihe findet, ist „Bochum historisch“ im Herbst 2016 auch als Buch im Klartext-Verlag erschienen. ISBN: 978-3-8375-1674-6; 12,95 Euro.
Übrigens: Jürgen Boebers-Süßmann, der Autor von "Bochum historisch", ist auch auf Facebook.
Diese Forderung war schon älter. Seit 1977 wurde die aufgegebene Heintzmann-Halle kulturell genutzt; vom Schauspielhaus (unvergessen Kirchners „Heilige Johanna der Schlachthöfe“), vom Festival „Afrikanischer Herbst“, von Konzerten, u.a. mit der Chris Barber-Jazzband. Der Künstler und Pädagoge Bernd Figgemeier hatte mit einer Schülergruppe den Eingang farblich gestaltet, einschließlich des markanten „BO-Fabrik“-Schriftzugs.
Die Szene muckte auf
Die Stadt spielte auf Zeit. „Ein autonomes Zentrum wäre ein dauernder Hort der Unruhe. Unkontrollierte Treffen junger Leute ... sind wenig dienlich“, so OB Eikelbeck damals.
Diese Marschroute wurde strikt befolgt: Besetzte Hallen, u.a. an der Hermannshöhe, waren sogleich geräumt und abgerissen worden. Doch das, was die Stadtväter erreichen wollten —„Ruhe und Frieden“ – klappte gerade nicht. Vielmehr muckte die Szene erst recht auf.
Turbulente Ratssitzung
Fanal des Unmuts war die BO-Fabrik, die am 11. Dezember 1981 zum „Autonomen Kulturzentrum“ ausgerufen worden war. „Ton Steine Scherben“ spielten hier und die Sponti-Band „1 Jahr Garantie“, es gab Diskussionen und Info-Abende zu Themen, die damals auf den Nägeln brannten: Startbahn West, Nicaragua, Stadtsanierung.
Die BO-Fabrik wurde zum Symbol des Widerspruchs, auch des Generationenkonfliktes: Sie stand für die Kluft, die die Forderungen einer jugendlichen Subkultur von dem Umwillen der Stadtspitze trennte, sich auf solche Wünsche überhaupt einzulassen. Am 28. Januar 1982 votierte der Rat in einer turbulenten Sitzung auf Abriss.
Am 10. Februar ‘82 war es soweit. Die Polizei rückt mit 1000 Mann an und umstellte das Gelände an der damaligen Blücherstraße. Erst wurde die Besetzer abgeführt, dann rückte der Bagger an. Innerhalb von Stunden war die BO-Fabrik ein Trümmerhaufen; es war das dritte selbst ernannte Kulturzentrum, das die Stadt hatte planieren lassen. Das ist Geschichte. Und vorbei.
Manche Idee von damals ging später im soziokulturellen Zentrum Bahnhof Langendreer auf; die harte Hausbesetzer-Szene wechselte bald ins Sanierungsgebiet Heusner-Viertel, wo schon der nächste Konflikt heraufdämmerte.
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