Bochum. . An der Herner Straße ist ein leerstehendes Wohn- und Geschäftshaus besetzt worden. Anzeige ist erstattet. Die Polizei hält sich bisher zurück.

  • An der Herner Straße ist ein leerstehendes Wohn- und Geschäftshaus besetzt worden
  • Die Aktivisten fordern, dort ein Nachbarschaftszentrum mit billigem Wohnraum einzurichten
  • Die Eigentümer haben Strafanzeige gestellt, die Polizei hält sich aber noch zurück

Erstmals seit den 1980er Jahren ist in Bochum wieder ein Wohnhaus besetzt worden. Seit dem Wochenende leben rund zwei Dutzend Frauen und Männer in einem leerstehenden Geschäfts- und Wohngebäude an der Herner Straße 131 in Hamme. „Wir möchten hier ein selbstverwaltetes Nachbarschaftszentrum eröffnen“, erklären die Besetzer. Die Eigentümer haben Strafanzeige gestellt. Die Polizei schritt bislang nicht ein.

„Stadt für Alle“: Unter diesem Motto finden sich seit mehreren Monaten politisch engagierte Bochumer vorwiegend aus dem linken Spektrum zusammen. Sie fordern „eine Stadt, in der alle Menschen unabhängig vom Einkommen gut wohnen und leben können. Wir wollen unser soziales und kulturelles Leben dabei selbstorganisiert in die Hand nehmen“.

Aktivisten: Wir wollen nicht mehr warten

Im Zuge einer Kundgebung in der Innenstadt ließen die Aktivisten den Worten am Freitag Taten folgen. Am Abend besetzten sie das Haus an der Herner Straße: ein einst prächtiges, inzwischen aber arg verfallenes viergeschossiges Gebäude aus dem Jahr 1905, in dem sowohl das Ladenlokal (ein ehemaliges Parkettstudio) als auch die darüberliegenden Wohnungen augenscheinlich seit langer Zeit leerstehen. „Seit mindestens einem dreiviertel Jahr – und das, obwohl bezahlbarer Wohnraum und Unterkünfte für Flüchtlinge und Obdachlose in Bochum so dringend fehlen“, erklärt die 23-jährige „Bianca Setzer“, die als „Pressesprecherin“ wie alle Besetzer ihren richtigen Namen im WAZ-Gespräch nicht nennen mag. „Auf die Stadt können und wollen wir nicht mehr warten“, ergänzt „Antonio“. „Deshalb nehmen wir das Heft des Handelns selbst in die Hand.“

Die Polizei übt sich noch in Zurückhaltung. Sprecher Jens Artschwager bestätigt, dass sich am Freitagabend „mehrere Personen unbefugt Zutritt zu dem Haus verschafft haben“. Man stehe in Kontakt zu den Eigentümern. „Unsere Maßnahmen laufen derzeit ergebnisoffen“, so Artschwager.

Solidaritätsadressen aus ganz Deutschland

„Bisher fährt die Polizei hier nur verstärkt Streife“, bestätigen die Besetzer: nach eigenen Angaben 20 bis 30 Aktivisten, die sich in einer Wohnung im zweiten Stock aufhalten. „BESETZT – Wir bleiben alle!“, prangt auf einem Bettlaken, das aus zwei Fenstern flattert. „Es tut sich etwas in der Herner Straße“, steht auf Flugblättern an die „liebe Nachbarschaft“, die hinter die Auto-Wischblätter geklemmt wurden.

Die Reaktionen seien „vorwiegend positiv“, berichtet „Bianca“. „Wir erhalten Lebensmittel- und Geldspenden.“ Für Sonntagabend ist ein Grillfest im Hinterhof geplant. Dabei werden auch Fans des FC St. Pauli erwartet, die ihr Team am Sonntag ins Ruhrstadion begleiten. In den sozialen Medien gehen aus ganz Deutschland Solidaritätsadressen ein.

Polizei: Nächste Woche wird sich etwas tun

Wie lange die Ruhe anhält, ist offen. Zwar suchen die Besetzer das Gespräch mit den Eigentümern. Wie es heißt, soll das Haus unter Denkmalschutz stehen und mit einem Verkehrswert von 181 000 Euro zwangsversteigert werden. Die Polizei kündigt aber bereits an, ihre Zurückhaltung in Kürze aufzugeben. Sprecher Jens Artschwager am Sonntag auf WAZ-Anfrage: „In der nächsten Woche wird sich etwas tun.“

Zuletzt war im Jahr 2000 die alte Hauptfeuerwache an der Frieda-Schanz-Straße besetzt worden, um dort ein „Antirassistisches Zentrum“ zu eröffnen. Nach tagelangen Verhandlungen wurde das Gebäude geräumt. In die 80er Jahre reichen die letzten Hausbesetzungen in Bochum zurück – damals vor allem im Heusnerviertel, wo zeitweise 40 Häuser besetzt waren.