Bochum. Der Autositzhersteller Johnson Controls beendet nach 27 Jahren seine Produktion in Bochum. Mehr als 400 Beschäftigte verlieren ihren Job.

  • 27 Jahre lang stellte der US-Autozulieferer Johnson Controls Sitze für Opel und Ford in Bochum her
  • Bis zu 770 Beschäftigte hatte das Werk an der Hüttenstraße in Spitzenzeiten
  • Jetzt endet die Produktion, die meisten der mehr als 400 Mitarbeiter wechseln in eine Transfergesellschaft

Einige Hundert Sitzgruppen für den Ford Fiesta verlassen am 28. April noch einmal das Werk in Richtung Köln. Aber dann ist Schicht an der Hüttenstraße. Nach 27 Jahren schließt Johnson Controls seinen Produktionsstandort Bochum. Mehr als 400 Beschäftigte verlieren ihren Arbeitsplatz. Die meisten von ihnen, vor allem die Mehrheit der etwa 300 Bandarbeiter, wechselt in eine Transfergesellschaft. „Pro Person“ in Wattenscheid soll ihnen helfen, eine neue berufliche Perspektive zu finden.

Stille beim Schichtwechsel

Was die Schließung für sie bedeutet und wie es weitergehen soll, darüber mochte sich am Donnerstag (27.) beim Schichtwechsel kein einziger Mitarbeiter äußern. Keiner der Mittagsschicht, die um 13.45 Uhr zum letzten Mal die Arbeit aufnahm. Und auch niemand der Frühschicht, die zum vorletzten Mal ihr Pensum am Band absolviert hatte. Kein Kommentar.

Betriebsratsvorsitzender Michael Munsch.
Betriebsratsvorsitzender Michael Munsch. © Olaf Ziegler

„Das muss man verstehen“, sagt Betriebsratsvorsitzender Michael Munsch. „Die Leute sind traurig.“ Weniger wegen des Arbeitsplatzverlustes, von dem sie ja seit einigen Monaten wüssten. Schwierig sei der Abschied vor allem, weil sich ab morgen viele gute Kollegen nicht mehr wiedersehen werden. Auch der 41-Jährige muss sich nach 19 Jahren nach einer neuen Perspektive umsehen.

Mit 150 Kollegen – darunter fast 100, die seit Betriebsbeginn dabei sind – bleibt er zwar noch bis Ende Juni im Werk. Aber wie so viele andere in der Belegschaft hat auch Munsch keine abgeschlossene Ausbildung. Er setzt auf eine Umschulung während der Transfer-Zeit.

Keiner hätte geglaubt, dass irgendwann Schluss ist

Niemals hätte er es früher für möglich gehalten, dass irgendwann Schluss sein würde. „Wir haben für große Autokonzerne gearbeitet: Opel, Ford.“ Die Auftragsbücher waren voll, das Verhältnis von Unternehmen und Belegschaft gut. „Es gab viele teambildende Maßnahmen. Wir haben Sommer-und Weihnachtsfeste gefeiert, es gab Motorradausflüge, uns wurden Prämien gezahlt.“

Mitarbeiter hätten sich mit ihrem Unternehmen identifiziert. Aber irgendwann sei das gekippt: „als die Arbeitsverdichtung begann, der Druck stieg und alle sozialen Maßnahmen nach und nach gestrichen wurden“. Die Stimmung sei von Jahr zu Jahr schlechter geworden, „der Unmut ist gewachsen“.

Vertreter der Geschäftsleitung werden erwartet

So mutet aus Sicht der Belegschaft der für Freitag (28.) angekündigte Abschied bei Bier und Bratwurst ein wenig seltsam an. Tische und Bänke dafür wurden gestern in der Werkshalle aufgestellt. „Wie der Leichenschmaus bei einer Beerdigung“, sagt Munsch mit müder Ironie. Was genau geplant sei, wisse aus der Belegschaft niemand. Angeblich sollen Vertreter der Geschäftsleitung aus Burscheid kommen.

Ihr hatte der Betriebsrat abgerungen, einen Sozialplan mit Transfergesellschaft und Abfindungszahlungen aufzustellen. „Wir haben uns das erkämpft. Freiwillig hätte das Unternehmen das nicht getan“, sagt der Betriebsratsvorsitzende. 34 Stunden lang hatte die Belegschaft im März 2016 die Arbeit niedergelegt, um ihrer Forderung Nachdruck zu verleihen.

Industrie-Standort Bochum schrumpft stetig

Und jetzt ist Schluss. Konkurrent Magna baut künftig die Sitze für den Fiesta. An der Hüttenstraße steht die 9000 qm große Produktionshalle spätestens im Juni leer. Auch der Prototypen-Shop von Johnson Controls in Wattenscheid schließt. Bis zu 770 Beschäftigte hatte der Konzern, der in jüngster Zeit acht deutsche Standorte geschlossen hat, in Bochum zu Spitzenzeiten. Zuletzt hatten 2014 mit der Opel-Werksschließung 123 Mitarbeiter gehen müssen.

Nur wenige neue Jobs sind dazu gekommen

Das Aus bei Johnson Controls ist das vorerst letzte in einer Reihe von Abschieden der Stadt vom Status als Industriestandort. Etwa 7000 Industrie-Arbeitsplätze sind seit dem Ende des Nokia-Werks Mitte 2008 verloren gegangenen (Grafik). Auch vor den danach folgenden Schließungen hatte es schon Entlassungen geben. Und auch andere Unternehmen wie der Maschinenbauer Eickhoff (300) trennten sich von Mitarbeitern. Nur wenige neue Jobs sind seit dem dazu gekommen.