Bochum. . Das Theater der Gezeiten zieht seit über 20 Jahren quer durch die Stadt und ist jetzt in der Speckschweiz heimisch geworden.
Allen Unkenrufen zum Trotz: Die freie Szene blüht! In Bochum gibt es erfreulich viele kleine Off-Bühnen, die teils seit vielen Jahren das kulturelle Leben in der Stadt entscheidend bereichern.
Unter ihnen befindet sich auch das Theater der Gezeiten, das von dem Schauspieler und Regisseur Benno Boudgoust (70) vor über 20 Jahren mit viel Herzblut gegründet wurde – und seither quer durch die Stadt gezogen ist. Im ehemaligen „Ecce Homo“ an der Herner Straße begann die Reise zum Nordring, weiter zur Diekampstraße – und jetzt zur Schmechtingstraße, wo die Bühne seit 2014 beheimatet ist.
Die Gründe für die häufigen Wechsel sind nicht immer künstlerischer Natur: „Wir werden von der Stadt ein wenig gefördert“, sagt Boudgoust, „aber manchmal stiegen die Mietkosten derart an, dass wir gezwungen waren, uns nach einer neuen Heimat umzusehen.“
Bühne hat überschaubare 30 Plätze
In einer ehemaligen Gaststätte in der Speckschweiz fühlt sich das Theater der Gezeiten mittlerweile bestens aufgehoben. Rund eine Handvoll Vorstellungen gibt es pro Monat, die Bühne hat überschaubare 30 Plätze. Besonders wichtig ist es dem Theaterleiter, das Haus auch für andere Künste zu öffnen: „Diese enge Verbindung zwischen bildender Kunst, Schauspiel und Video wollen wir weiter verfolgen“, sagt Boudgoust. Mittlerweile sei das Theater für viele Künstler zu einem Ankerpunkt geworden. Langjährige Mitstreiter sind etwa der Schauspieler Giampiero Piria und der Musiker Serge Corteyn.
Mit Sehgewohnheiten brechen
Eigene Wege abseits des etablierten Stadttheaters zu gehen: Dafür wird die Off-Bühne von ihrem Publikum geschätzt. „Es geht immer auch darum, mit Sehgewohnheiten zu brechen, auch wenn nicht jedes Projekt erfolgreich sein kann“, sagt Boudgoust. „Ein freies Theater muss genau diesen Weg gehen.“
Seine stärksten Auftritte erlebte das Theater in den 2000er Jahren, als es hinaus in die Stadt ging. So wurde der komplette „Ulysses“ von James Joyce an einem Tag an verschiedenen Orten gelesen. Es gab Shakespeare im Wattenscheider Park und eine Fahrt über den Hellweg von Bochum nach Dortmund: An jeder Station wurde Theater gespielt. „Diese theatralischen Reisen habe ich sehr gern unternommen“, sagt Benno Boudgoust.
Blick auf die Einwanderungswelle der 60er
Als nächstes Projekt steht ein Tanzabend unter dem Titel „Die Geborgenheit unter Tage“ an, das Boudgoust gemeinsam mit der Tänzerin Marie-Lena Kaiser und dem Tänzer Tim Čečatka auf den Weg bringt. Serge Corteyn steuert die Musik bei. Das Stück wirft einen Blick auf die Einwanderungswelle im Ruhrgebiet der 60er Jahre. Eine junge Frau spürt ihrem Vater nach, der eine Generation vorher nach Deutschland gekommen ist. „Wie alle, die sich in die Fremde aufmachen, bewegte ihn ein Traum vom Glück“, sagt Boudgoust.
Premiere: 10. März, 20 Uhr. Wieder 19., 24. und 26. März. Karten (12, erm. 8 Euro): 0172 / 42 31 820. www.theater-der-gezeiten.de
www.theater-der-gezeiten.de