Bochum. . Als einziges Institut in Europa bietet das Walter-Gropius-Berufskolleg Klassen für Tierpräparatoren an. Ein Besuch – zwischen Fell und Skalpell.

  • Als einziges Institut in Europa bietet das Walter-Gropius-Berufskolleg Klassen für Tierpräparatoren an
  • Zehn junge Menschen machen hier jährlich ihren Abschluss, um danach selbstständig oder für Museen zu arbeiten
  • In einer Außenstelle in Bochum-Langendreer findet die praktische Ausbildung statt – ein Besuch

Prüfend streicht die junge Frau mit dem Zeigefinger über die Flügel des kleinen Vogels, die ausgebreitet auf der Arbeitsplatte vor ihr liegen. Wie ein traurig-schönes Vanitas-Symbol aus einem Gemälde alter Meister – wäre da nicht das scharfe Skalpell in der anderen Hand und der leichte Geruch toten Fleisches, der den gesamten Raum erfüllt. Konzentriert entfernt Alina Hensen die letzten Gewebereste und Sehnen von der Unterseite der Vogelhaut. Die 28-Jährige ist Tierpräparatorin in Ausbildung.

Zehn Absolventen pro Jahr

Als einziges Institut in Europa bietet das Walter-Gropius-Berufskolleg bereits seit 1976 Klassen für diesen Bildungsgang an. Zehn junge Menschen werden pro Jahr aufgenommen, um die dreijährige Ausbildung zum Präparationstechnischen Assistenten mit dem Schwerpunkt Biologie zu beginnen. In der Außenstelle in Langendreer üben Alina und ihre Mitschüler die praktische Arbeit. Sie lernen, wie man die Tiere öffnet, leicht verderbliche Organe, Gehirn und Fleisch entfernt, das Federkleid oder Fell wäscht und wie man es haltbar macht.

Vorsichtig bearbeiten die angehenden Tierpräparatoren Haut und Flügel dieses Grünspechts.
Vorsichtig bearbeiten die angehenden Tierpräparatoren Haut und Flügel dieses Grünspechts. © Ingo Otto

Für ihr Präparat eines Grünspechts benötigt Alina Drähte, um die Flügel später lebensecht in Position bringen zu können. Früher, sagt sie während sie konzentriert weiterarbeitet, hat sie eine Ausbildung zur Pferdewirtin gemacht und mit lebendigen Tieren gearbeitet. Nur durch Zufall hat sie im Geschäft eines Tätowierers einen präparierten Bussard gesehen.

Ein Schlüsselerlebnis für die tierliebe Vegetarierin, denn sie fühlte sich sofort abgestoßen: „Der sah wirklich fürchterlich aus. Und dann dachte ich mir: Das muss man doch besser machen können . . . So hat das angefangen.“ Sie greift zur Pinzette, prüft noch einmal die dünne Vogelhaut.

Schule für Tierpräparatoren in BochumNoch ist die junge Frau mit ihrem Grünspecht etwas unzufrieden. Möglichst lebensecht soll der Singvogel aussehen. Nicht nur dafür will Alina sich anstrengen. „Ich finde, dass wir es den Tieren auch schuldig sind“, sagt die 28-Jährige. Mitschülerin Sabrina Duthel nickt. „Wenn man irgendwann komplett zufrieden wäre, hätte man wohl ein Problem“, meint die 22-jährige Mainzerin, die am Nebentisch eine Form aus Montageschaum schnitzt, über die später die Tierhaut gespannt wird. Künstlerisches und handwerkliches Geschick muss man für die Ausbildung mitbringen. Zeichnen und Modellieren gehören genauso dazu wie theoretischer Unterricht in Anatomie, Biologie und Werkstofftechnik.

Junge Tierpräparatoren kämpfen mit Vorurteilen

Es ist ein anspruchsvoller Bildungsgang. Und doch habe sie oft mit Vorurteilen zu kämpfen, wenn sie von ihrem Traumberuf erzählt, sagt Sabrina. „,Das ist ethisch falsch und pervers’, sagen manche. Sie denken nur: Jäger, Töten, Trophäe, Wand.“ Sabrina zuckt mit den Schultern, schüttelt in Gedanken den Kopf. „Wer sowas sagt, der sieht meistens gar nicht, wie wichtig Präparate für die Bildung sind.“

Sabrina Duthel (li.) und Alina Hensen, streicheln „Max“, den vor einigen Jahren verstorbenen Bären aus dem Bochumer Tierpark, der präpariert wurde.
Sabrina Duthel (li.) und Alina Hensen, streicheln „Max“, den vor einigen Jahren verstorbenen Bären aus dem Bochumer Tierpark, der präpariert wurde. © Ingo Otto

Alinas Grünspecht etwa wird, wenn er fertig ist, der Waldschule in Werne gegeben. Wenn die junge Frau den Anblick und den Geruch des Todes entfernt hat, werden Kinder dort mit ihrem Präparat die heimische Vogelwelt kennenlernen.

Alina legt das Skalpell zur Seite und schaut auf. „Für mich ist das der Traumjob.“

>> Info: Tierparks und Waldschulen bringen die Tiere

Die toten Tiere für die praktische Ausbildung der angehenden Präparatoren bekommt das Walter-Gropius-Berufskolleg meist von Zoos und Waldschulen aus der Umgebung. In vielen Fällen werden die von den Schülern präparierten Tiere kostenlos zurückgegeben und ausgestellt.

  • Da die Ausbildung zum Tierpräparator in dieser Form einzigartig in Europa ist, gibt es immer wieder auch Bewerber aus dem Ausland, die dafür nach Bochum kommen.

  • Neben dem auf die Biologie spezialisierten Bildungsgang werden auch Präparatoren ausgebildet, die sich auf die Fächer Geologie oder Medizin spezialisiert haben.

  • Weitere Informationen zu dem Bildungsgang gibt es auf der Homepage des Berufskollegs: http://www.wg-bo.de/praeparationstechnischer-assistentinassistent.html