Einen bunten Strauß verschiedener Fragen hatten sieben Mitglieder des WAZ-Leserbeirates im Vorfeld der Veranstaltung mit der Redaktion herausgearbeitet. Sie brachten manchen Kandidaten ins Schwitzen.

Leserin Brigitta Knaut ging direkt ans Eingemachte und fragte angesichts 100-Millionen-Sparauftrag und Haushaltssperre konkret nach möglichen Kürzungsvorhaben.

Anna-Lena Orlowski (Die Linke)
Foto: Udo Kreikenbohm / WAZ FotoPool
Anna-Lena Orlowski (Die Linke) Foto: Udo Kreikenbohm / WAZ FotoPool © WR

Sehr konkret antwortete Anna-Lena Orlowski. Keine U-Bahn-Haltestelle am Medizinpark, so lange dort noch gebaut werde, Konzerthaus streichen, kein Anschluss an die A 40. Das ging flott und dauerte keine 90 Sekunden.

Klare Forderungen stellte auch Gleising. „Unsoziales Sponsoring” müsse überdacht werden, etwa der Steiger-Award und der Rad-Rennstall der Sparkasse. Zu teuer seien „Prestige-Objekte” wie der Schlosspark oder Konzerthaus und Kammermusiksaal als separate Vorhaben. Eine alle Ämter übergreifende Abteilung für „Baukosten-Controlling” könne zudem zehn Prozent der jährlichen Investitionssummen sparen.

Klaus-Peter Hülder wies offen auf seine Oppositionsrolle hin und entzog sich einer Konkretisierung. Auf jeden Fall müsse endlich „ein Kassensturz” gemacht, mehr Energie gespart und über die Rentabilität der Beteiligungen der Stadt nachgedacht werden.

Die trieben auch Jens Lücking um, er sprach sich deutlich für die Veräußerung von städtischen Beteiligungen aus. Weiterhin mahnte er die Verwaltung zu mehr Effizienz, mindestens eine Dezernenten-Stelle könne eingespart werden. Bochum müsse sich keinen „Wasserkopf von Verwaltung” leisten.

Jens Lücking (FDP)
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Jens Lücking (FDP) Foto: Udo Kreikenbohm / WAZ FotoPool © WR

Die Vorbild-Funktion der Politik stellte auch Lothar Gräfingholt heraus. Die Fraktionszuwendungen will er prüfen lassen, ebenso – mittelfristig – die Zahl der Ratsmitglieder und Beigeordneten. Kurzfristige Sparpotenziale sieht er im Stopp diverser Bahn-Ausbau-Vorhaben.

Lange warten mussten die beiden Vertreter der regierenden Koalition, man sah Ottilie Scholz und Wolfgang Cordes förmlich an, wie sie nach jeder Antwort der politischen Mitbewerber mehr mit den Hufen scharrten. Dennoch nannten sie kaum konkrete Sparvorhaben. Verkauf von Tafelsilber (Gelsenwasser, RWE-Aktien) lehnten sie unisono ab, ansonsten wurde zumeist auf das am Montag vorgelegte Zukunftskonzept verwiesen. Einig zeigten sich Scholz und Cordes, dass im Standort-Wettbewerb mit anderen Städten im Revier eine „Rasenmäher-Methode” Bochum nur schaden würde.

Ottilie Scholz (SPD)
Foto: Udo Kreikenbohm / WAZ FotoPool
Ottilie Scholz (SPD) Foto: Udo Kreikenbohm / WAZ FotoPool © WR

Ottilie Scholz war auch Adressatin der Frage von Manfred Marx, der sich nach drohenden Schulschließungen erkundigte. Immerhin steht im Zukunftskonzept etwas von 33 zu schließenden Grundschulen. „Die will ich nicht schließen”, machte die amtierende Oberbürgermeisterin deutlich, „die Zahl 33 ist eine Idee der Gemeindeprüfungsanstalt, nicht unsere.” Dass es aber zu einzelnen Schließungen kommen müsse, sei allein schon dem demografischen Wandel geschuldet. Man könne kaum flächendeckend alternde Schulgebäude erhalten und Kindern weitere Schulwege zumuten, um nur ja überall genug Schüler zusammen zu bekommen.

Leserin Tanja Ewig wollte sich genauer über gebührenfreie Kitas informieren, eine Forderung, die sich im Wahlprogramm der Linken wiederfindet. Anna-Lena Orlowski verteidigte diesen Punkt, relativierte ihn aber aufgrund der Haushaltsmisere: „Auch uns ist durchaus bewusst, wie es um die Finanzen der Stadt bestellt ist, dennoch ist eine gebührenfreie Kita für uns ein langfristiges Ziel.”

Nach wie vor gehört der Bau des Konzerthauses zu den emotionsgeladenen Projekten. Leserbeirat Karl-Georg Reploh fragte dazu die Positionen der Spitzenkandidaten.

OB Scholz erklärte: „Ich würde mir wünschen, dass wir es bauen. Das Konzerthaus wäre auch ein wichtiger Impuls für die Stadtentwicklung und eine Dominante im Viktoriaviertel.”

Lothar Gräfingholz (CDU)
Foto: Udo Kreikenbohm / WAZ FotoPool
Lothar Gräfingholz (CDU) Foto: Udo Kreikenbohm / WAZ FotoPool © WR

Auch Gegenspieler Gräfingholt sprach sich für das Konzerthaus aus, will indes aus finanziellen Gründen abspecken und eine Kombi-Lösung mit der Marienkirche anstreben, „in einfacherer Bauausführung. Konzertsaal und Marienkirche könnten dann schon für 18 Mio Euro entstehen. Das Land gibt 10 Mio Euro für die Kirchen-Neunutzung, hinzu komen 12,3 Mio Euro an Spenden.” Jens Lücking von der FDP schloss sich den Plänen an, weil mit dieser Lösung der städtische Haushalt nur bei der Miete belastet werde.

Cordes bezog nicht direkt Position, schob vielmehr die Kommunalaufsicht vor: „Arnsberg wird diese Ausgaben nicht zulassen, solange wir kein Konsolidierungskonzept haben. Gegenwärtig ist der Bau nicht zu realisieren.” Als Befürworter des Konzerthauses präsentierte sich auch Hülder: „So oder so – die Symphoniker brauchen eine vernüftige Spielstätte.”

Wolfgang Cordes (Die Grünen)
Foto: Udo Kreikenbohm / WAZ FotoPool
Wolfgang Cordes (Die Grünen) Foto: Udo Kreikenbohm / WAZ FotoPool © WR

Lediglich die Soziale Liste und Die Linke sind Gegner des Projektes, wobei Orlowski noch einschränkte, sie sei nicht grundsätzlich gegen ein Konzerthaus, nur eben in der gegenwärtigen angespannten Haushaltslage.

Kulturelle Vielfalt, Naherholung, anziehende Einkaufsstraßen – viele Aspekte machen die Attraktivität einer Stadt aus. Leserbeirätin Sabine Hemmermann fragte die Vertreter der Opposition, was sie dabei verbessern wollen; „schließlich hat die Koalition fünf Jahre lang Zeit gehabt, zu zeigen, was sie kann”.

Für Gräfingholt sind es Kleinigkeiten, die die Stadt aufhübschen, wie ein Pavillonmarkt auf dem Boulevard, eine kleinere Tiergarageneinfahrt und langfristige Pläne fürs Gerichtsviertel. Lücking schlug vor, die Bürger mehr in die Pflicht zu nehmen, etwa durch Grünpatenschaften. Ein Leerstandsmanagement könne zwar keine Leerstände verhindern, aber Ladenlokale aufpeppen und so dafür sorgen, „dass Bochum weiter als attraktiv empfunden wird”.

Klaus-Peter Hülder (UWG)
Foto: Udo Kreikenbohm / WAZ FotoPool
Klaus-Peter Hülder (UWG) Foto: Udo Kreikenbohm / WAZ FotoPool © WR

Hülder beschränkte sich aufs „Nebenzentrum Wattenscheid” und forderte dort mehr Grün, mehr Brunnen und ein Entwicklungsprogramm für die Fußgängerzone. Attraktivität einer Stadt ist für Anna-Lena Orlowski vor allem auch ein breites Bildungsangebot: „Eine Studienfächer-Vielfalt, das zieht junge Leute nach Bochum. Und Mobilität: Wenn ich mit Bus und Bahn schlecht vorankomme, wirkt eine Stadt auf mich unattraktiv.” Als sie erwähnte, dass auch die Infrastruktur der Stadtteile wichtig sei, kamen Zwischenrufe: „Endlich. Schließlich gibt's nicht nur die Innenstadt.”

Die Zustände auf den kommunalen Friedhöfen und in Grünanlagen findet Leserbeirätin Gisela Geihser „traurig”; niemand auf dem Podium widersprach. Gleising hegte wenig Hoffnung, dass sich die Grünpflege durch die Stadt angesichts der Verschuldung verbessern könnte. Cordes meinte dazu: „Wenn wir mehr Leistung wollen, sollten wir auch bereit sein, mehr Gebühren zu zahlen.” – „Noch mehr?”, schallte es prompt aus dem Publikum. Den meisten Applaus bekam Anna-Lena Orlowski für ihre ehrliche Antwort: „Ich habe mich noch nicht damit beschäftigt. Dazu kann ich nichts sagen.”

Günter Gleising (Soziale Liste)
Foto: Udo Kreikenbohm / WAZ FotoPool
Günter Gleising (Soziale Liste) Foto: Udo Kreikenbohm / WAZ FotoPool © WR

Vorschläge gegen die zunehmende Politikverdrossenheit und Wahlmüdigkeit sammelte Leserbeirat Roland Norwig. Dabei setzt die Titelverteidigerin OB Scholz ganz auf ihr Kommunikationstalent. Mit den Menschen reden, ihnen die Chance geben, sich einzubringen. Am ehesten sehe sie solch ein Engagement bei Initiativen. Koalitionspartner Cordes nannte Scholz' Zugänglichkeit gar als einen Grund, „warum wir Grüne keinen eigenen OB-Kandidaten aufgestellt haben”. Herausforderer Gräfingholt pflichtete bei: Der ständige Dialog zeige, die Leute würden ernst genommen.

Info-Stände hält Lücking für ein Mittel, mehr Menschen zu erreichen, um ihnen die Wichtigkeit von Wahlen nahezubringen.