Bochum. Immer mehr Millionen aus dem Steuerskandal Liechtenstein fließen an den deutschen Fiskus. Bislang zahlten die ertappten Steuersünder 159 Millionen zurück. Aber es dürften noch mehr werden; viele Verfahren laufen noch. Die ermittelnde Bochumer Staatsanwaltschaft zieht Zwischenbilanz.
Wie der Bochumer Oberstaatsanwalt Bernd Bienioßek am Donnerstag auf Anfrage der WAZ sagte, seien von den beschuldigten Geldanlegern bis heute bereits 159 Millionen Euro Steuern nachgezahlt worden. Und das sind nur Abschlagszahlungen. Mit weiteren erheblichen Zahlungen ist in der Zukunft zu rechnen.
Insgesamt führt die Bochumer Schwerpunktstaatsanwaltschaft zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität mittlerweile 490 Ermittlungsverfahren gegen deutsche Anleger, die bei der Liechtensteiner LGT-Bank ihr Vermögen gebunkert haben oder hatten. Allein in 90 Fällen kommen die Anleger aus Nordrhein-Westfalen.
215 Selbstanzeigen, nur teilweise lohnend
In 215 dieser Fälle liegen Selbstanzeigen von damaligen LGT-Kunden vor. Sie haben gehofft, mit diesem Schritt ohne Strafsanktionen davonzukommen. Oberstaatsanwalt Bienioßek musste sie aber großteils enttäuschen.
Zur WAZ sagte er: „In der weitaus überwiegenden Anzahl wurde diesen Selbstanzeigen keine strafbefreiende Wirkung beigemessen, weil die betreffenden Personen nach Auffassung der Staatsanwaltschaft zum Zeitpunkt der Erstattung ihrer Selbstanzeigen aufgrund der Pressepublikationen damit rechnen mussten, dass auch ihre Taten bereits entdeckt waren.”
Bienioßek meinte damit vor allem die Medienberichte ab Februar 2008: Damals, nach der Razzia bei Ex-Postchef Klaus Zumwinkel, wurde bekannt, dass die Staatsanwaltschaft im Besitz einer CD-Rom mit belastenden Kundendaten aus der LGT-Bank war. Diesen Silberling hatte ein Ex-Mitarbeiter dieser Bank an den Bundesnachrichtendienst verkauft.
Schon 50 Verfahren gegen 11,5 Mio Euro eingestellt
Ganz ohne Vorteil sollten die Selbstanzeigen aber nicht sein. Bienioßek: „Gleichwohl war der Umstand der Selbstanzeige ein gewichtiger Strafmilderungsgrund.” Er spielt damit auf die Verfahren an, die bereits gegen Geldauflagen eingestellt worden sind - ohne Prozess. Beschuldigte mit einer Selbstanzeige kamen dabei billiger davon.
Insgesamt sind bereits in rund 50 Fällen die Verfahren auf diesem Wege teils vorläufig, teils endgültig eingestellt worden. Dabei mussten die Beschuldigten insgesamt 11,5 Millionen Euro zahlen. Das Geld fließt teilweise in die Staatskasse, teilweise an gemeinnützige Organisationen.
Bisher hat es im Liechtenstein-Komplex erst zwei öffentliche Prozesse gegeben: Beide Male gab es trotz Millionenschäden zwei Jahre Haft auf Bewährung und eine siebenstellige Geldauflage. Einer der dabei verurteilten Steuerstraftäter war Zumwinkel, der andere ein nicht prominenter Immobilienkaufmann aus Hessen. Ob oder wann es weitere Anklagen gibt, konnte Bienioßek nicht sagen.
Schon 300 Durchsuchungen - vorläufig
Mittlerweile haben die Bochumer Fahnder im Fall Liechtenstein rund 300 Durchsuchungen durchgeführt. Weitere solche Aktionen, so Bienioßek, seien „nicht auszuschließen”.
In seiner Behörde sind drei Dezernentinnen und Dezernenten ausschließlich mit den Liechtenstein-Fällen befasst, teilweise auch ihr Abteilungsleiter Gerrit Gabriel. Die damalige Staatsanwältin, die Zumwinkel verhaftet hatte, Margrit Lichtinghagen, ist aus dem Riesenverfahren längst ausgeschieden. Nach damaligen Querelen in der Bochumer Staatsanwaltschaft ist sie jetzt Richterin am Amtsgericht Essen.
400 weitere Selbstanzeigen
Bienioßek berichtete auch von 400 weiteren Selbstanzeigen seit der Zumwinkel-Razzia im Februar 2008. Diese stammen ebenfalls von deutschen Geldanlegern. Nach einer Prüfung in Bochum stellte sich aber heraus, dass diese Fälle nichts mit dem Bochumer Liechtenstein-Verfahren zu tun haben, hieß es.