Wattenscheid. Den Einsatzkräften muss sich ein grausamer Anblick geboten haben: Auf einem Gnadenhof in Wattenscheid sind am Donnerstag mehrere Tiere gestorben.
- Mehrere Tiere sind am Donnerstagabend auf einem Gnadenhof in Bochum-Wattenscheid gestorben
- Polizei hat Kadaver der Tiere beschlagnahmt. Es besteht der Verdacht, dass sie vergiftet wurden
- Gnadenhof-Betreiberin ist verzweifelt, Anwohner sammeln Spenden und helfen ihr
„Es war äußerst dramatisch. Uns bot sich ein Bild der Grauens“, sagt Stephan Witte, Leiter des Vereins Tierrettung Essen. Er leitete am Donnerstagabend einen schaurigen Einsatz auf dem privaten Gnadenhof von Karin Jericho in Wattenscheid-Leithe.
Dort lebten bis Donnerstag neun Ponys, drei Pferde, sechs Ziegen und drei Gänse. Sechs von ihnen sind jetzt tot. Fast allen starben binnen wenigen Minuten auf rätselhafte Weise im Stall oder auf der Weide – drei Ziegen und ein Pony. Ein weiteres Pony und eine Ziege verendeten am Freitag in einer Tierklinik.
Polizei beschlagnahmt totes Pony und Futterproben
„Ich weiß nicht, was passiert ist. Ich kann es nicht einordnen“, sagt Karin Jericho, die ihre Tränen zurückhalten muss. Tierärtztlicherseits gehe man „definitiv von einer Vergiftung“ aus. Aber erwiesen ist das bisher nicht. Vier Kadaver wurden beschlangnahmt und zum Veterinärsuntersuchungsamt Arnsberg gebracht.
Zudem nahm die Polizei Proben des Trinkwassers und Futters mit. „Mögliche Ursachen zur Tierverendung können derzeit nicht gegeben werden“, so die Polizei. Sie erstattete Strafanzeige gegen Unbekannt. Eine Anwohnerin: „Schlimm, wenn das Absicht war. Aber es kann auch eine andere Ursache sein wie verdorbenes Futter. Man weiß es nicht.“
Selbst für die erfahrenen Tierretter war der Anblick grausam
Auf dem Gnadenhof an der Leithestraße bringt Karin Jericho Tiere unter, die misshandelt worden oder aus anderen Gründen nicht mehr vermittelbar sind. Täglich kümmert sie sich, neben ihrem Beruf, ehrenamtlich um die armen Geschöpfe.
Am Donnerstag um 14 Uhr entdeckte sie die ersten zwei toten Ziegen. Eine dritte starb um 16 Uhr – „umgefallen und tot“. Um 19.10 Uhr alarmierte sie die Tierrettung. Dessen Leiter Witte: „Während wir dabei waren, zu sondieren, welche Tiere betroffen waren, ging ein Shetland-Pony in die Knie, fing an zu krampfen und ließ sich nicht mehr beruhigen. Trotz späterer intensivmedizinischer Versorgung konnte es nicht mehr gerettet werden.
Man habe in der Tierrettung „schon viele heikle Sachen erlebt“, so etwas wie jetzt seit fünf Jahren nicht mehr. Auch die Feuerwehr war im Einsatz.
Die überlebenden Tiere wurden bereits am späten Donnerstagabend in verschiedene Tierkliniken in NRW gebracht. „Ich hoffe, dass sie überleben“, sagt Karin Jericho. Die Kadaver der Ziegen und des Ponys blieben über Nacht unter Decken im Gras liegen. Am Freitagmorgen wurden die starren Leiber von Anwohnern, die sich kurzentschlossen als Helfer angeboten hatten, per Hand in einen Pferdeanhänger gehievt. Alle Zeugen schwiegen in diesem Moment, weil der Anblick so furchtbar war.
Der Gnadenhof ist erst seit August an der Leithestraße ansässig. Bis dahin lag er wenige hundert Meter weiter an der Kemnastraße, hart an der Grenze zu Essen und Gelsenkirchen. Der dortige Pächter, die Stadt, hat das Grundstück aber verkauft, so dass Karin Jericho mit den Tieren umzog. Streit mit Nachbarn habe sie dort nicht gehabt, sagt sie. Im Gegenteil: Man sei froh, dort wieder Pferde zu haben. So sieht es auch Bettina Meißner, die in der Nähe wohnt und gestern als Helferin vorbei gekommen ist: Ihre Tochter (6) reitet regelmäßig auf einem der Pferde, „Cowboy“ mit Namen.
Als Helfer springt auch der Wirt des Lokals „Stadtgespräch“ an der Westenfelder Straße, Carlo Behrendt, ein. Er organisiert unter anderem ein Benefiz-Konzert in seinem Lokal (Termin unklar) und verkauft am 4. Dezember (verkaufsoffener Sonntag in WAT) Waffeln und Glühwein zugunsten des Gnadenhofes. Und es gibt weitere private Helfer. Dietmar Grewe, der gestern mit anpackte, und seine Frau bezahlen den Einsatz der Tierrettung aus eigener Tasche. Auch für ihn ist die Todesursache rätselhaft: „Die Tiere waren wohlauf und wohl genährt.“