Bochum. . Am Freitag wird das Musikforum in Bochum eröffnet. In unserer Serie geht es in diesem Artikel um den Widerstand in der Bevölkerung. Und um Kosten, die explodiert sind.
- Proteste gegen das Konzerthaus der Bochumer Symphoniker gab es von Anfang an
- 15.000 Unterschriften kamen in wenigen Monaten für einen Bürgerentscheid zusammen
- Die Mehrheit des Rates lehnte das Bürgerbegehren im Sommer 2012 aber kategorisch ab
Die Pläne zum Bau eines Konzerthauses für die Bochumer Symphoniker (BoSy) riefen von Anfang an in Teilen der Bevölkerung massiven Widerstand hervor. Unter Hinweis auf die klammen Kassen der Stadt und die Angebote in der Region halten Kritiker bis heute den Bau für reine Geldverschwendung.
Die Stadt (auch Land und EU) solle lieber in Schulen, Straßen und soziale Projekte investieren, als einer kulturellen Elite einen Musiktempel zu bauen, hieß und heißt es. „Prominentester“ Kritiker ist der Bund der Steuerzahler (BdSt), der nicht nur den städtischen Eigenanteil von ursprünglich 2,4 Millionen geißelte, sondern insbesondere auch die Übernahme der Jahrhunderthalle durch die Stadt als finanzielles Risiko einstuft. An diesen Deal hatte das Land seine Förderzusage (für die Marienkirche!) geknüpft. Erst vor wenigen Wochen landete das Musikforum erneut im Schwarzbuch des BdSt – Anlass ist die enorme Budgetüberschreitung für den Neubau (s. Bericht unten).
Schimpfwort Fidelbude
Selbst die konzeptionelle Änderung vom reinen BoSy-Konzerthaus zum Musikforum Ruhr, das auch Schülern der Musikschule, Chören und anderen Musikern der Stadt ein neues Zuhause geben soll, änderte nichts an der Kritik. Häufig blieben in der Auseinandersetzung sachliche Argumente auf der Strecke, das Schimpfwort Fidelbude macht bis heute die Runde.
Erstmals richtig kanalisiert wurden die Proteste 2012. Als Chefkritiker trat im Frühjahr „Stadtgestalter“ Volker Steude auf den Plan – damals noch als Mitglied der aufstrebenden Piratenpartei. Die zentrale Forderung der neuen Bürgerinitiative lautete: Bochums Bürger sollen entscheiden, ob das Musikforum gebaut wird oder nicht.
Porno-Darstellerinnen unterstützten den Protest
Weil der Rat aber bereits im März 2011 einen Grundsatzbeschluss zum Bau des Hauses gefasst hatte, konzentrierte sich das Bürgerbegehren erst einmal auf die Frage, ob alle Bedingungen – Eigenmittel der Stiftung, städtischer Zuschuss, Fördermittelbescheid, Deckelung der Betriebskosten – zum Bau des Hauses erfüllt seien. Im Sommer 2012 ging es dann nurmehr darum, den Rat zu zwingen, einen Bürgerentscheid auf den Weg zu bringen.
14 924 Unterschriften trugen Volker Steude und seine Mitstreiter zusammen, 11 900 wären aus Sicht der BI ausreichend gewesen. Unrühmlicher Höhepunkt des Widerstandes war der Auftritt von zwei Porno-Darstellerinnen, die Volker Steude verpflichtete, um in optischer Anlehnung an die russische Punkband Pussy Riot gegen das Fällen von 19 Platanen an der Marienkirche zu protestieren. Kitty Cores Worte „Ich möchte die grünen Plantagen hier retten“ war der Tiefpunkt dieses Hardcore-Protestes an der Viktoriastraße.
Verwaltungstrakt kommt hinzu
Die große Koalition im Rat (allen voran SPD, CDU, Grüne) ließ sich aber letztlich auch von rund 15 000 Unterschriften Bochumer Bürger nicht beeindrucken und hielt an der Rechtsauffassung der Stadt fest: Das Bürgerbegehren kommt zu spät. Nicht nur an dieser Stelle wurde deutlich, dass die große Mehrheit der Politik das Projekt Musikforum um jeden Preis wollte.
Auch zuvor und später wurden immer wieder Fristen verschoben (Eigenmittelakquise der Stiftung, Fördermittelbescheide), Bedingungen geändert (gebäudebezogene Kosten wurden zu Betriebskosten) und zum Bau des Hauses immer wieder Millionen nachgeschoben.
Wasser auf die Mühlen der Kritiker war im Herbst 2014 auch die Entscheidung, den ursprünglich aus Kostengründen ausgesparten Verwaltungstrakt nun doch zu bauen. Für viele war die neue Schenkung der Stiftung in Höhe von 600 000 Euro nichts anderes als ein von Anfang an geplanter Bauerntrick, der die Stadt noch einmal 500 000 Euro kostet.
Kosten der Stadt betragen das Vierfache des geplanten Etats
„Ein Glücksfall für Bochum.“ Auf diesen Satz reduzieren sich zahlreiche Plädoyers von Befürwortern des Musikforums. Lässt man die Nutzung des Gebäudes durch BoSy, Musikschule, Musiker und Chöre einmal außen vor, ist immer stets das gleiche gemeint: Das Haus kostet die Stadt mit Blick auf Fördermittel und Spenden Bochumer Bürger eigentlich nichts. Peanuts! Ein Geschenk.
Aus 33 Millionen Euro wurden 38 Millionen Euro
In Wirklichkeit stellt sich die Finanzierung etwas komplizierter dar – und entspricht heute auch nicht mehr dem eigentlichen Beschluss: 32,93 Millionen Euro sollte das Musikforum kosten – und keinen Cent mehr. Das Versprechen der Verantwortlichen ist längst Makulatur. Aktuell belaufen sich die Kosten auf 38,3 Millionen Euro.
Eine wichtige Vorgabe aus der Politik ist daher längst Geschichte. Mit höchstens 2,4 Millionen Euro sollte der städtische Haushalt belastet werden. Mittlerweile sind es exakt 7 113 358 Euro. Ursachen sind der nachträglich Bau des Verwaltungstraktes (500 000 Euro) und höhere Kosten im Zuge der laufenden Bauarbeiten (4,2 Mio Euro)
Jahrhunderthalle bleibt ein Risiko
Ohnehin wurde der Eigenanteil der Stadt schön gerechnet. Außen vor ließen die Befürworter stets das Grundstück – geschätzter Wert: ca. 2 Mio Euro – und 2 Mio Euro, die über Stadtwerke und Sparkasse (1,5 Mio) in die Eigenmittel der Stiftung geflossen sind. Summa summarum beläuft sich der Eigenanteil der Stadt also auf mehr als 9 Millionen Euro Barmittel plus Grundstück.
Zu beachten ist ferner, dass die Stadt die Jahrhunderthalle übernehmen und dort auch Investitionen tätigen muss. Schon jetzt beteiligt sie sich mit jährlich mehr als 400 000 Euro an den Betriebskosten. Künftig dürfte dieser Betrag deutlich höher ausfallen.
Richtig ist aber auch, dass die Stiftung Bochumer Symphonie (12,6 Mio, ohne Sparkasse und Stadtwerke), das Land (9,53 Mio zum Umbau der Marienkirche) und die EU (6,5 Mio) zusammen den Bärenanteil zum Bau des Musikforums stemmen. Hinzu kommen noch 500 000 Euro aus dem Kulturetat NRW.