Bochum. Thomas Eiskirch (45) ist am am Freitag, den 21. Oktober, exakt ein Jahr im Amt als Oberbürgermeister von Bochum. Anlass, eine erste Bilanz zu ziehen.
- Thomas Eiskirch bekleidet seit fast einem Jahr das Amt des Bochumer Oberbürgermeisters
- Die WAZ hatte dem SPD-Politiker einen Katalog mit "Baustellen" gestellt, die er angehen sollte
- Viele dieser Themen hat der Oberbürgermeister bereits angepackt, einige müssen noch erledigt werden
Grundlage für die Berichterstattung auf dieser Seite ist der Aufgabenkatalog, den wir für Thomas Eiskirch (SPD) wenige Tage nach seiner Wahl zum Oberbürgermeister veröffentlichten. Acht Themen haben wir benannt, die der neue starke Mann im Bochumer Rathaus anpacken sollte.
Seine eigenen Prioritäten hat er bei Dienstbeginn im Rathaus vorgestellt. „Gute Voraussetzungen für zukunftsfähige Arbeitsplätze“ hieß eine davon, Bochum müsse eine „Ermöglicher-Stadt“ werden. „Wir brauchen Mut und Kreativität, Lösungen finden zu wollen“, lautete das Credo.
Ansiedlungen auf ehemaligen Opel-Gelände und Bekenntnis von Vonovia zu Bochum
Die mittlerweile vier Ansiedlungen auf dem Opel-Gelände, das klare Bekenntnis des Wohnungsbauunternehmens Vonovia zu Bochum wertet der OB als Erfolge. „Wenn Rolf Buch (Anm. d. Red: er ist Vorstands-Vorsitzender von Vonovia) auf der Messe in München von der schnellsten Baugenehmigung Deutschlands berichtet, ist das wertvoller als jede Imageanzeige.“
Gelöst werden sollte aber auch die Handbremse im privaten und sozialen Wohnungsbau. Das „Handlungskonzept Wohnen“ ersetzt daher mittlerweile das erfolglose Wohnbaulandkonzept. „Ich hoffe, dass dieser Wandel bei Investoren und Bürgern wahrnehmbar wird“, sagt Eiskirch. „Wir müssen es jetzt noch hinbekommen, alle Baugenehmigungen schneller zu erteilen.“
Bürgernähe ist für Thomas Eiskirch wichtig
Wichtig ist dem OB die Nähe zu den Bürgern. Fünf Bürgersprechstunden gab es mittlerweile, die sechste folgt im November. „Alle waren ausgebucht. Das Signal ist ganz klar: Meine Türen stehen offen.“ 1130 Bürgeranfragen landeten bislang in Eiskirchs Büro. Jeder Einzelfall sei ihm wichtig, mitunter könne er auch direkt helfen. „Viele Einzelfälle aber deuten auf Strukturen hin, die wir ändern müssen, auch deswegen sind diese Gespräche so wichtig für mich.“
Nicht geschafft hat Eiskirch die angekündigte Bürgerkonferenz. Diese soll nun m Februar 2017 stattfinden.
Haushalt - Arbeitsgruppe lotet Sparideen aus
Beim Thema Grundsteuer hatte sich Thomas Eiskirch im Wahlkampf festgelegt: „Mit mir nicht“, kommentierte er Pläne des Bochumer Kämmerers Manfred Busch (Grüne), die Grundsteuer von 645 auf 800 Prozentpunkte zu erhöhen. 19 Millionen Euro sollte das in den städtischen Haushalt spülen.
Rathaus-Tour
Eiskirch hielt Wort. Das Thema war nach seiner Wahl relativ schnell vom Tisch – obwohl die Stadt mit der Unterbringung von Flüchtlingen eine große finanzielle Herausforderung stemmen musste. Finanzielle Hilfen des Landes und eine äußerst positive Entwicklung bei der Gewerbesteuer spielten dem Oberbürgermeister in die Karten.
Das Haushaltsjahr 2015 wurde mit einem Defizit von rund 35 Millionen Euro abgeschlossen – geplant waren 66 Millionen Euro. Seit März dieses Jahres gibt es die Arbeitsgruppe „Strategische Haushaltsentwicklung“, die durch die Neuordnung interner Prozesse bis zu 20 Millionen Euro pro Jahr einsparen will. Stichworte sind Digitalisierung, Tele-Arbeitsplätze und Büroflächenmanagement.
Opel - Investoren werden aufmerksam
Stadt und Land Hand in Hand – nicht nur das Motto zur Entwicklung der nicht mehr benötigten Opel-Flächen wird von den Verantwortlichen gelebt, sondern auch das Tempo beeindruckt.
Stand vor einem Jahr selbst vor der Ansiedlung des Paketzustellers DHL, der 600 Arbeitsplätze schaffen will, noch ein dickes Fragezeichen, so ist mittlerweile dieser Deal, sind aber längst auch andere Geschäfte unter Dach und Fach: Als Gegenpol zu DHL wird z.B. die Ruhr-Universität ein Wissenschafts- und Gründerquartier in Laer bauen.
Bund und Land fördern das Projekt mit 28 Millionen Euro. Der Forschungsbau für die so genannten „Engineering Smarter Produkt-Service-Systeme“ – kurz ZESS – soll indes nur ein erster Ankerpunkt für das Quartier mit 70 Arbeitsplätzen werden. Perspektivisch erwartet OB Eiskirch, dass dort 500 Menschen Arbeit finden. Die RUB hat sich auf der Fläche, die nun unter dem sperrigen Namen Mark 51/7 firmiert, ein Vorkaufsrecht auf 62.000 Quadratmeter Erweiterungsfläche gesichert.
Straßen/ Radwege - Sinneswandel ist spürbar
Kein Zweifel, die Sanierung der Bochumer Straßen geht voran. Das nervt mitunter Autofahrer monatelang, die Fortschritte aber sind nach Abräumen der Baustellen unübersehbar. Jüngstes Beispiel ist die Bessemer Straße.
Erledigt ist der Job nach einem Jahr aber nicht: Rund 100 Kilometer Straßen sind nach wie vor in einem desolaten Zustand, selbst die fünfjährige Amtszeit Eiskirchs wird vermutlich nicht reichen, alle Straßen auf Vordermann zu bringen, die es nötig hätten.
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Apropos Bessemer Straße. Sie ist neben anderen (z.B: Oskar-Hoffmann- oder Herner Straße) ein gutes Beispiel für den Sinneswandel in der Verkehrspolitik: Der Bau von Radwegen steht stets im Fokus. „Das Thema ist präsent im Rathaus“, sagt Eiskirch. „Wir dürfen aber Auto-, Radfahrer und den ÖPNV nicht gegeneinander ausspielen.“ Dass die Stadt seit Mai zur Arbeitsgemeinschaft fahrrad- und fußgängerfreundlicher Städte gehört, dokumentiert den Sinneswandel.
Einkaufszentrum - Klarheit bis Ende des Jahres
Still geworden ist es um die hochtrabenden Pläne zum Bau eines Einkaufszentrums auf dem Gelände des heutigen Justizblocks an der Viktoriastraße unter Einbeziehung des Telekomblocks gegenüber dem Rathaus. Die Verzögerung beim Bau des neuen Justizzentrums kommt Stadt und Investoren daher gar nicht so ungelegen, wird doch erst der jetzt für März 2017 geplante Umzug der Gerichte an den Ostring mächtigen Handlungsdruck erzeugen.
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Bis dahin nehmen sich alle Beteiligten Zeit, Pläne zu schmieden. Die Gemengelage bleibt schwierig, da sich die Eigentümer HBB (Justizblock) und Baltz (Telekom) ganz offensichtlich nicht auf eine Strategie zur Aufteilung des Marktes einigen können.
Die Stadt überlegt zudem, Flächen in diesem Bereich anzumieten, um das BVZ abreißen und für eine Wohnbebauung zur Verfügung stellen zu können. „Bis zum Jahresende wollen wir Klarheit haben“, sagt Eiskirch mit Blick auf die städtischen Einrichtungen.
Flüchtlinge - OB in der Nebenrolle erfolgreich
Die Unterbringung und Betreuung von Flüchtlingen war eine der schwierigsten und wichtigsten Aufgaben, der sich Eiskirch mit Amtsantritt stellen musste. Mehr als 600 Asylbewerber kamen bis März 2016 monatlich nach Bochum. Zum Vergleich: Im September 2016 waren es nur noch 16.
„Wir stehen aber auch vor der Aufgabe, jedermann spüren zu lassen, dass die Anforderungen derer, die schon lange hier sind, nicht hinter den Anforderungen für die Flüchtlinge zurückstehen müssen“, hieß Eiskirchs Devise – wohlwissend dass die Standorte für mobile Unterkünfte reichlich Zündstoff bieten.
Eiskirch profitierte in der Folgezeit gleich von zwei Dingen, auf die er direkt keinen Einfluss hatte: die rückläufige Entwicklung der Flüchtlingszahlen und die Entscheidung, Stadtdirektor Michael Townsend als Flüchtlingskoordinator einzusetzen. Zusammen mit Sozialdezernentin Britta Anger und dem für die Flüchtlingsarbeit freigestellten Feuerwehrchef Dirk Hagebölling war das Thema gut besetzt.
Feuerwehr - Neue Kräfte starten im Frühjahr 2017
Ihre Leistungsfähigkeit stellte die Bochumer Feuerwehr Ende September beim verheerenden Brand im Bergmannsheil eindrucksvoll unter Beweis. Gleichwohl gilt: Die Personalsituation ist angespannt. Viele Mitarbeiter schieben Überstunden vor sich her und arbeiten bis an die Belastungsgrenze. Geändert daran hat sich seit Oktober 2015 nichts.
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Udo Lipp, Sprecher der Feuerwehrgewerkschaft, wird daher auch nicht müde zu sagen: „Wir sind zu wenig, und wir kommen zu spät.“ Die Zielvorgabe, mit zwölf Kräften in spätestens zehn Minuten an jedem Einsatzort zu sein, sei in Gefahr.
„Wir werden bis April 43 neue Mitarbeiter bei der Feuerwehr einstellen“, verspricht OB Eiskirch. Es brauche einfach Zeit, bis man neue Leute findet, das gelte selbst für die 15 Auszubildenden, die zu den neuen Kräften gehörten.
Bis Ende des Jahres soll zudem der Entwurf für den neuen Brandschutzbedarfsplan vorliegen, verspricht der Oberbürgermeister. Der Personalbedarf soll neu ermittelt werden.
Kultur - Sicherheit für die Freie Szene
„Die Kulturstadt ernst nehmen“ – so lautete die Aufgabe der Redaktion. Zwar gibt es bis heute nicht den geforderten Kulturentwicklungsplan, aber die kulturelle Vielfalt Bochums hat im ersten Jahr unter OB Eiskirch jedenfalls auch nicht gelitten.
Durchaus stolz ist das Stadtoberhaupt über die neu geregelte Finanzierung für die Freie Szene: Zuschüsse werden immer für zwei Jahre fest zugesagt. „Alle Akteure in diesem Bereich haben jetzt Planungssicherheit“, sagt Eiskirch. „Das bedeutet Stabilität und ist ein Signal der Wertschätzung.“
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Eröffnung des Musikforums in Bochum
Stolz ist Eiskirch auch auf die Verpflichtung von Johan Simons. Der niederländische Theatermacher soll ab 2018 Intendant des Schauspielhauses Bochum werden.
Die Eröffnung des Musikforums fällt offiziell zwar bereits in das zweite Eiskirch-Jahr, an der Realisierung wirkte der neue Mann im Rathaus gleichwohl mit. Erst als Landtagsabgeordneter für die Fördermittelakquise und im Frühjahr als OB, als es darum ging Fördermittelverluste abzuwenden.
Sport - Aktive müssen improvisieren
Marode Sportplätze gibt es immer noch – daran hat auch ein Jahr OB Eiskirch nichts geändert. Ähnlich wie bei den Straßen ist der immense Sanierungsstau nicht in wenigen Monaten zu beheben.
Bochums Sportler hatten im vergangenen Jahr zudem noch ein ganz anderes Problem. Viele Turnhallen standen gar nicht zur Verfügung. Zum einen lag das an maroden Decken, zum anderen an der Unterbringung von Flüchtlingen. Improvisation wurde groß geschrieben. Erst in Kürze werden wieder alle Hallen zur Verfügung stehen.
Stadt Bochum setzt verstärkt auf Kunstrasenplätze
Beim Sportstättenbau setzt die Stadt verstärkt auf Kunstrasenplätze. Dazu wurde Eiskirch zufolge ein Sonderprogramm in Höhe von 700.000 Euro aufgelegt. Neu ist bereits der Platz am Vonovia-Ruhrstadion, derzeit in Arbeit ist der Platz am Nachwuchsleistungszentrum Hiltroper Straße, 2017 wird der alte Tennenplatz beim TuS Harpen umgebaut. Eiskirch verspricht zudem, dass es „Impulse“ für den Sport aus dem Landesprogramm „Gute Schule“ geben wird.
Die Richtung stimmt - Ein Kommentar von Thomas Schmitt
Thomas Eiskirch hat im ersten Jahr einen guten Job gemacht. Die negativen Schlagzeilen dieser Zeit sind nicht mit seinem Namen verbunden. Ohnehin ist der Einfluss des ersten Mannes im Rathaus auf Entscheidungen in der Wirtschaft viel geringer, als es häufig den Anschein erweckt. Wirtschaft wird in der Wirtschaft gemacht, heißt es nicht ohne Grund. Und dazu gehören eben auch Pleiten wie bei Wollschläger und anderen.
Eiskirch konzentriert sich folgerichtig auf die Rahmenbedingungen. „Ermöglicher-Stadt“ nennt er sein Projekt. In unserer Stadt soll schnell möglich werden, was andernorts auf Bedenken stößt oder kein Interesse findet. Eiskirch will Lust auf Bochum machen. Investoren sollen „mit den Füßen scharren“. Vielleicht ist das alles eine Nummer zu groß gesprochen und mit den ganzen Handlungskonzepten und Masterplänen à la „Vision 2030“ von den Bürgern abgehobenes Bürokratenkauderwelsch, die Richtung aber stimmt. Nur, wer das Ziel kennt, wird den richtigen Weg finden.
Apropos finden: Den Weg in die Bürgerschaft hinein hat der OB noch nicht so recht gefunden. Bürgersprechstunden im Rathaus mögen prima sein, richtig volksnah wird es aber erst vor Ort. Dort, wo es den Menschen auf den Nägeln brennt. Solange der Eindruck entsteht, dass Termine mit Ministern und Professoren wichtiger sind als die angekündigte Bürgerkonferenz, ist Bürgernähe halt nur ein Wort unter vielen.