Bochum. Sie unterhält weltweit Kooperationen mit 20 Partnerhochschulen in 13 Ländern. Die längste Partnerschaft besteht mit Oviedo/Spanien. Zuletzt kam Kolumbien hinzu. Hilfe für Iran und Afghanistan.
- Bergbau in Deutschland endet offiziell 2018. Danach geht es um den Nachbergbau
- Der ist international ein Thema bei dem die Bochumer Hochschule hilft
- Längste Partnerschaft besteht mit Spanien
Den Hinweis muss Carmen Tomlik dann doch noch los werden. „Glückauf bleibt übrigens auch in China Glückauf“, sagt die Pressesprecherin der Technischen Hochschule Georg Agricola. Bochums älteste Hochschule – unlängst feiert sie ihren 200. Geburtstag – hat 20 internationale Partnerhochschulen in 13 Ländern. Da hilft eine Begrüßung, die alle verstehen. Das kann dann auch richtig nett klingen. Wie nett, wurde bei besagter Geburtstagsfeier deutlich. Da schickte jede Partnerhochschule einen kurzen Videogruß. Jeder endete mit: „Glückauf.“
Die TH Georg Agricola stellt sich zunehmend international breiter auf. Offiziell endet der Bergbau in Deutschland 2018. Beschäftigen wird er die TH Georg Agricola und ihre Partner mindestens weitere 200 Jahre. Zumeist geht es bei den Kooperationen darum, das über viele Jahre gesammelte Wissen im Bergbau und – nun immer wichtiger – Nachbergbau weiterzugeben.
Lange Partnerschaft mit Oviedo
Die längste Partnerschaft, inzwischen sind es 26 Jahre, besteht mit der Universidad de Oviedo. Die Hochschulen arbeiten in Forschung und Lehre in den Fachgebieten Bergbau, Elektrotechnik, Geotechnik, Maschinenbau, Verfahrenstechnik, Vermessungswesen, Dozentenaustausch zusammen. Es gibt einen Austausch von Studierenden im Rahmen des Erasmus-Programms, Studien- und Prüfungsleistungen werden anerkannt.
Relativ frisch dagegen sind die Beziehungen zu Kolumbien. Seit dem vergangenen Jahr hat die TH dort eine Partnerhochschule. Das Land gehört zu den größten Kohleproduzenten der Welt. Der kolumbianische Bergbau steht jedoch wegen schlechter Arbeits- und Umweltschutzbedingungen in der Kritik. „Die TH Georg Agricola und die Universidad Nacional de Colombia engagieren sich deshalb als gemeinsame Partner und arbeiten in den Themenfeldern nachhaltiger Bergbau, Arbeitssicherheit, Risiko- und Qualitätsmanagement zusammen“, sagt Carmen Tomlik.
Grubenunglücke verhindern
Ungefähr so lange wie es die Kooperation mit Kolumbien gibt, unterstützt die TH die Ingenieurausbildung im Iran und in Afghanistan. „Bedingt durch die kriegerischen Auseinandersetzungen der vergangenen Jahrzehnte sind der industrielle Bergbau und die Ausbildung von Bergingenieuren in Afghanistan nahezu zum Erliegen gekommen“, sagt Tomlik. Seit 2015 engagiert sich die TH deshalb vor Ort für die Fachkräfteausbildung. Gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit, weiteren deutschen Hochschulen und iranischen Wissenschaftsinstitutionen richtet die TH Georg Agricola in den kommenden Jahren ein praxisorientiertes Studienprogramm für afghanische Bergbauingenieure ein.
Besondere Verbindungen unterhält die Hochschule auch in die Türkei. So wollten zuletzt Ingenieurwissenschaftler der Bogazici-Universität gemeinsam mit Experten der TH herausbekommen, wie sich Grubenunglücke wie das im Mai 2014 im türkischen Soma verhindern lassen. Themen für gemeinsame Projekte sind die Entwicklung von untertägigen Sensor- und Kommunikationssystemen, eine vergleichende Studie über Umwelt-, Arbeitssicherheits- und Gesundheitsschutz-Vorschriften in Deutschland und der Türkei sowie die Erarbeitung von Handbüchern und Schulungen für Bergarbeiter und Ingenieure.
Workshops und Konferenzen in Schwellenländern
Das gibt es auch für weitere Länder. „Vielen Bergbauregionen auf der Welt stehen ähnliche Wandlungsprozesse und technische Herausforderungen wie dem Ruhrgebiet bevor“, sagt Tomlik. Deshalb kommen regelmäßig ausländische Delegationen nach Bochum, um sich vor Ort über den Übergang in die Nachbergbauzeit und den Strukturwandel zu informieren.
Darunter sind Bergbaugesellschaften von Südamerika bis Sibirien oder Expertendelegationen aus Asien, insbesondere China. Die TH ist zudem am Sino-German Center in der ostchinesischen Metropole Xuzhou beteiligt. Zuletzt hat die TH den Aufbau eines Nachbergbau-Instituts an der Pontificia Universidad Católica in Peru angestoßen. Darüber hinaus beteiligen sich TH-Wissenschaftler an einer Reihe von internationalen Workshops und Konferenzen, vor allem in Schwellenländern wie Vietnam oder Thailand. Hier wie dort erklingt zur Begrüßung: „Glückauf.“
Viele Sprachen auf dem Campus
Die Technische Hochschule Georg Agricola ist international, unterhält viele Kooperationen in viele Länder und lebt auch sonst die Vielfalt. Rund 40 Prozent der Erstsemester haben einen Migrationshintergrund, überdurchschnittlich viele von ihnen sind Bildungsaufsteiger. Zum Vergleich: in der deutschen Bevölkerung haben 20 Prozent einen Migrationshintergrund.
Seit diesem Jahr unterstützt die TH außerdem Flüchtlinge mit studienvorbereitenden Deutschkursen, nach deren Abschluss sich Möglichkeiten für den Einstieg ins Ingenieurstudium bieten. Damit trägt die Hochschule dazu bei, Menschen mit Zuwanderungsgeschichte den Zugang zu akademischer Bildung zu eröffnen.
Jedes Jahr kommen zusätzlich einige Austauschstudierende – und nehmen deutsches Know-how mit in ihre Heimat. Zum Wintersemester 2015/16 studierten 207 Studierende ausländischer Staatsangehörigkeit an der TH Georg Agricola, darunter zum Beispiel 17 Gaststudierende aus Brasilien, die das Austauschprogramm „Ciência sem Fronteiras“ des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) genutzt haben. An der TH studieren sie Elektrotechnik, Maschinenbau und Rohstoffingenieurwesen. Fachleute in diesen Branchen werden auch in Brasilien gebraucht, der stärksten Wirtschaftsmacht in Südamerika und einem der wichtigsten deutschen Hochschulpartner überhaupt.
Exkursionen ins Ausland
Aber auch den umgekehrten Weg macht die Hochschule möglich. Exkursionen ins Ausland sind für Studierende ingenieurwissenschaftlicher Fächer Gelegenheiten, sich auf den Berufseinstieg in einem zunehmend global ausgerichteten Arbeitsmarkt vorzubereiten. 2014 und 2015 bot die Hochschule in einigen Studiengängen wieder ausgedehnte Auslandsexkursionen an. Unter anderem nach Vietnam, Südafrika, Australien oder in die USA.
Auch daraus ergibt sich, dass die Absolventinnen und Absolventen der TH Allrounder sind. Durch das praxisnahe Studium sind sie gut gewappnet und können mit dem Know-how aus Bochum technische Herausforderungen weltweit lösen. So ist zum Beispiel TH-Absolvent Sven Berger für die Firma Herrenknecht beim Bau eines U-Bahn-Netzes unter Qatars Hauptstadt Doha im Einsatz. Der 38-Jährige koordiniert und überwacht das Riesenprojekt mit mehr als 20 Hightech-Tunnelbohrmaschinen. An der TH hat er Geotechnik und Angewandte Geologie studiert. Am Brennerbasis-Tunnel in Tirol kümmert sich Diplomingenieur Lars Knappstein (30) um die richtige Statik und einen nachhaltigen Bau.