Bochum. Die WAZ schaut zurück auf die eben beendete Spielzeit und wagt einen Blick voraus. Am 16. September startet Anselm Weber in seine letzte Saison.

Die vorletzte Bochumer Saison von Anselm Weber vor seinem vorzeitigen Wechsel vom Schauspielhaus ans Theater Frankfurt wird als eine seiner stärksten in Erinnerung bleiben. Unterhaltung, gesellschaftlicher Anspruch und Tiefergehendes erschienen im Spielplan kraftvoll austariert.

Die Inszenierungen

Etwas schwerblütig, wenn auch nicht unpoetisch, ging es mit „Der Kirschgarten“ in einer zeitlos schwebenden Fassung von Tamás Ascher los. Aber gleich drauf folgten mit dem eindringlichen „Hiob“ (Regie Lisa Nielebock) und dem durchgeknallt lebenslustigen Musical „Spamalot“ (Regie Christian Brey) bereits zwei der stärksten Aufführungen. Künstlerisch nochmal getoppt wurde das schon hohe Niveau von Roger Vontobels „Rose Bernd“; eine düster verschattete, musikalisierte Gerhart-Hauptmann-Deutung, die niemanden unberührt ließ: Jana Schulz spielt sich als arme „Rose“ die Seele aus dem Leib, und alle weinen mit ihr. Dagegen ließ der mit Spannung erwartete, aber von Daniela Löffner zu breit ausgewalzte „Mephisto“ (nach Klaus Mann) Wünsche offen.

Die Schauspieler

Auf das Bochumer Ensemble kann man sich jederzeit verlassen, nach sechs Jahren wissen wir Theatergänger, was wir an „unseren“ Schauspielern haben! Umso schöner, wenn es doch Überraschungen gibt: Michael Schütz war nie so stark wie in der Titelrolle als verzweifelter „Hiob“. Gleiches gilt für Bernd Rademacher, der als an Demenz verloren gehender „Vater“ eine Glanzrolle ablieferte. Super!

Der Intendant

Anselm Weber (53) kann stolz sein: Mit einer Auslastung von 80 Prozent und über 200.000 Besuchern steht seine „Sechste“ neidlos erfolgreich da. Dass der Noch-Intendant vorbereitenderweise gefühlt bereits mehr in Frankfurt war als vor Ort in Bochum, hat mancher bekrittelt. Das hinderte den Theaterfuchs aber nicht, mit „Der zerbrochne Krug“ (mit Dietmar Bär als Dorfrichter Adam) eine der best-besuchten Aufführungen überhaupt hinzulegen.

Die Flüchtlingskrise

Sie hielt im letzten Jahr die ganze Gesellschaft in Atem, und auch das Schauspielhaus reagierte. Es gab eine spektakuläre Aktion, bei der man sich in einem Laster vor dem Theater einschließen lassen konnte (Stichwort: Todesfahrten nach Europa). Und es gab mit „Lampedusa“ (Regie Olaf Kröck) und „Die Schutzbefohlenen“ (Regie Hermann Schmidt-Rahmer) zwei intensive, sehr bühnengerechte Auseinandersetzungen mit DEM humanitären Thema der Stunde.

Ausblick

Die neue Saison, die am 16. September mit „Verbrechen und Strafe“ (nach Dostojewski, Regie Jan Klata) eröffnet, scheint möglicherweise eine Art Übergangssaison zu werden. Weber scheidet im Sommer 2017, Dramaturg Olaf Kröck übernimmt danach kommissarisch, bis im Herbst 2018 der große Johan Simons als Heilsbringer an der Königsallee erwartet wird. Sozusagen in letzter Minute hatte Kulturdezernent Michael Townsend (SPD) die monatelang drückende Personalie zur Neubesetzung des Intendantenposten schließlich im Februar klar gemacht.