Bochum. Wie Regisseur Hans Dreher am Theater Rottstraße 5 aus „Der Tod in Venedig“ einen spannenden, humorvollen Abend formt, verdient großen Beifall.

  • Gefeierte Premiere des Meisterwerks „Der Tod in Venedig“ in Bochum
  • Erzählt wird die Geschichte des Schriftstellers Gustav Aschenbach, der in Venedig Zerstreuung
  • Die Interpretation am Theater Rottstraße überraschte mit Humor und Spannung

Regisseur Hans Dreher hat im Theater Rottstraße 5 Thomas Manns Novelle „Der Tod in Venedig“ (1911) nicht nur so kunstvoll wie klug auf 85 Minuten Spieldauer eingedampft; er hat dem Meisterwerk auch Noten beigebracht, die ihm völlig fehlen: Humor und Spannung.

Natürlich hat er keine Theaterfassung geschrieben. Was die Zuschauer sehen, sind Monologe und Dialoge sowie erzählerische Passagen aus dem Originaltext mit einigen kleineren Abweichungen.

Erzählt wird die Geschichte des Schriftstellers Gustav Aschenbach, der in Venedig Zerstreuung sucht. In seinem Hotel am Lido sieht Aschenbach – ein Mann mit übertriebener Selbstdisziplin, dessen Lieblingswort „durchhalten“ ist – einen Knaben, der ihm als „vollkommen schön“ erscheint.

Verdrängte Sehnsüchte

Tadzio verlebt in Venedig mit seiner Familie die Sommerfrische. Der etwa 14-Jährige weckt in dem alternden Autor Sehnsüchte, die wahrscheinlich schon immer in ihm geschlummert haben, die er aber bislang streng verdrängte.

Was er auch weiter versucht: Die Erkennung von Tadzios Schönheit erklärt er zunächst mit seinem Gefühl für Ästhetik. Als in der Stadt, deren stinkende Lagunen Aschenbach schon vorher aufgefallen waren, die Cholera ausbricht, verlassen die meisten Gäste das Hotel, bald wirkt die Stadt wie ausgestorben. Was sie auch beinahe tatsächlich ist. Aschenbach schließt sich am Ende den Toten an.

„Der Tod in Venedig“ gilt als Endstück der Décadence-Literatur – und Dreher filetiert den Text aufs Wesentliche. Maximilian Strestik gibt den Protagonisten und Erzähler, Christoph Iacono spielt verschiedene andere Personen, darunter Gondoliere und Schalterbeamte. Iacono spielt live auch die Musik. Er tut das mit einem Gefühl für Korrespondenz, etwa wenn Aschenbach die Schönheit Tadzios beschreibt. Und für Dramatik, wenn Aschenbach auf sublime Art seine echte Sexualität erkennt.

Momente von kaum auszuhaltender Intensität

Strestik ist sehr textsicher und von starker Präsenz, die in Momente von kaum auszuhaltender Intensität ausbricht. Gewaltig sein Wutausbruch, als sein Gepäck nach der geplanten Abreise verbaselt wird, subtil der Humor, als sich der ergrauende Autor beim Friseur die Haare jugendlich schwarz färben und sich das Gesicht schminken lässt. Manche Szenen mit Iacono haben beinahe Slapstick-Charakter. Das Erstaunliche ist aber, dass ein Werk, dessen Ausgang als bekannt vorausgesetzt werden darf, so spannend inszeniert werden kann.

Ein dritter Hauptdarsteller ist das Licht. Simon Krämer könnte das Stück auch im Schlaf beleuchten; seine Choreographie ist sowohl zurückhaltend als auch pointiert. Lohn für die formidable Leistung waren elf Vorhänge.