Bochum. „Es tut mir unendlich leid.“ Der angeklagte Polizist, der jahrelang Anzeigen gegen gewalttätige Fußballfans verschleppt haben soll, gibt alle Vorwürfe zu.
In einem hochemotionalen Geständnis hat der Polizeibeamte (44), der massenhaft Anzeigen gegen gewalttätige Fußballfans verschleppt haben soll, am Mittwoch vor dem Landgericht sämtliche Vorwürfe eingeräumt. „Es tut mir unendlich leid, dass die geschädigten Personen nicht zu ihrem Recht gekommen sind.“ Er akzeptiere, dass er bestraft werden müsse. Aber man soll ihn Polizist bleiben lassen. Bei einer Haftstrafe ab einem Jahr (selbst bei Bewährung), würde er aus dem Polizeidienst entfernt. Zurzeit ist er vorläufig suspendiert.
Laut Anklage hatte er zwischen 2011 und 2013 insgesamt 96 Vorgänge wegen Fan-Randale gar nicht oder nur unzureichend bearbeitet. Fast alle Täter blieben straffrei.
Der Angeklagte schilderte intensiv, wie es dazu kam. Nach mehreren anderen Einsatzbereichen – unter anderem beim zivilen Einsatztrupp – arbeitete der Familienvater (23 Dienstjahre) ab 2009 als „szenekundiger Beamter“ bei VfL-Spielen und beobachtete „Problemfans“. Danach musste er die Anzeigen bearbeiten und ermitteln. Das klappte aber nur anfangs, später immer weniger. „Dafür habe ich keine Erklärung“, sagte er den Richtern und schilderte psychische Probleme. Teilweise habe er „nur noch in den Akten geblättert“, ohne voranzukommen. Später verschwanden die Akten im Schrank, „damit keinem auffällt, dass ich meine Arbeit nicht mache“. Zwar habe er alles nacharbeiten wollen. „Aber ich habe irgendwann überhaupt keinen Bezug mehr dazu gehabt, um das realisieren zu können. Ich war nicht mehr in der Lage, irgendwas zu bearbeiten, weil ich resigniert hatte.“
Polizist hatte Versagensängte
Jahrelang blieb das Problem unentdeckt. Und von sich aus sprach der Polizeioberkommissar darüber mit niemandem. Er habe „versucht, den Schein zu wahren“. „Ich konnte mir keine Schwäche eingestehen.“ Am Ende wurde „die psychische Überlastung immer unerträglicher.“ Es entwickelten sich „absolute Hilflosigkeit“, „Versagensängste“, starker Gewichtsverlust, „Schlafstörungen“ und Suizidgedanken. Er sei morgens mit „Scham und Magenschmerzen zum Dienst gefahren“ und habe „mit Angst das Büro geöffnet“: Gibt es unangenehme Anrufe und Mails? Großer Verlust habe gedroht: „Beruf, Familie, Existenz – alles.“
Ende 2013 bemerkten Vorgesetzte das Akten-Desaster. Das sei eine Befreiung für ihn gewesen, weil eine lange aufgestaute „Last“ von ihm abgefallen sei, sagte der Angeklagte. Wochenlang kam er damals in eine Tagesklinik. Der Prozess geht weiter.