Bochum. Ein Polizeibeamter soll massenhaft Ermittlungen verschleppt haben. Es geht vor allem um Fußballrandale. Jetzt steht der Beamte vor Gericht.

Sollten sich die Anklagevorwürfe als zutreffend herausstellen, dann wäre der Angeklagte der Wunsch-Polizist aller gewalttätigen Fußballfans. Ein 44-jähriger Polizeioberkommissar aus Bochum steht seit Dienstag vor dem Landgericht, weil er massenhaft Anzeigen entweder gar nicht oder nur völlig unzureichend bearbeitet haben soll. Dabei geht es fast ausschließlich um Fälle von Randale rund um Fußballspiele.

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Mehr als eine Stunde lang listet die Staatsanwältin insgesamt 96 Fälle von Strafvereitelung im Amt aus den Jahren 2011, 2012 und 2013 auf. Immer wieder soll der Polizeibeamte die Unterlagen zu den Vorgängen jahrelang in seinem Dienstzimmer einfach liegengelassen haben. „Er verstaute den Vorgang ohne jede Sachbearbeitung in seinem Schrank“, heißt es häufig in der Anklage. Das führte nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft dazu, dass die Fußballrowdys entweder gar nicht ermittelt wurden oder, wenn doch, am Ende ganz ohne oder nur mit einer äußerst milden Sanktion davonkamen.

Der Weg von der Polizei zur Staatsanwaltschaft dauert bis zu drei Jahre

Die angeklagten Fälle umfassen fast das ganze Spektrum von Fan-Randale im und rund um das Bochumer Stadion: Schlägereien, Beleidigungen, Zünden von Rauchbomben und Bengalos, Diebstähle, Ticket-Fälschungen, Gewalt gegen Ordner und Polizeikräfte, Bierbecherwürfe, volksverhetzende Sprüche. Nachdem der Angeklagte Vorgänge dieser Art auf seinen Schreibtisch bekommen habe, soll aber fast alles im Sande verlaufen sein. Die Akten wurden der Anklage zufolge extrem verspätet an die Staatsanwaltschaft übersandt. Und diese stellte die Verfahren meistens ein, weil die Taten bis zu drei Jahre zurücklagen und eine Aufklärung und Täteridentifizierung durch Zeugen nicht mehr zu erwarten waren, wie es heißt. Selbst wenn im Ausnahmefall dann trotzdem Anklage erhoben wurde, kam gemessen an der Schwere der Taten nicht mehr viel dabei herum. Einmal war sogar ein Strafantrag nicht mehr möglich, weil nach anderthalb Jahren eine Frist abgelaufen war.

Die Straftaten waren teilweise sehr erheblich. Es geht um Tritte auf ein Opfer, das bereits am Boden lag, um Kopfstöße, die grundsätzlich immer sehr gefährlich sind, um Schläge gegen das Auge und das Abfackeln von stark rauchenden Feuerwerkskörpern auf dem Zaun des VfL-Stadions, so dass sich die umstehenden Fans mit Schals und Tüchern den Mund zuhalten mussten. Teilweise lagen sogar Videos vor, wurden später aber nicht genutzt.

Der Angeklagte ist vom Dienst suspendiert. Zum Prozessauftakt hat er sich noch nicht zu den Vorwürfen geäußert. Das will er erst am Dienstag (25. Mai) über seinen Verteidiger tun. Der Prozess vor der 8. Strafkammer wird auch von zwei Gutachtern begleitet, einem psychologischen und einem psychiatrischen. Sie sollen sagen, ob der Kommissar eventuell vermindert schuldfähig sein könnte. Das Gericht hat sieben weitere Termine bis 28. Juni angesetzt.