Bochum. . Hohe Abbrecherzahlen von Azubis bereiten Malern und Dachdeckern Sorge. Es fehle das Durchhaltevermögen. Berufe werden anspruchsvoller.

Wolfgang Zimmermann ärgert sich. Einer seiner Auszubildenden zum Maler und Lackierer ist am Dienstag nicht zur Arbeit erschienen. Sieben Wochen Krankenschein nach fünf Monaten Betriebszugehörigkeit. Das tut weder der Ausbildung noch dem Betrieb gut. Überhaupt ist einer der größten Nöte des Malerbetriebs „die große Fluktuation“, so Zimmermann, der als Obermeister besonders gut über die Lage der gesamten Innung Bescheid weiß. „Ein Drittel unserer Azubis hört nach ein paar Monaten auf.“

Eine Erfahrung, die Dachdecker-Innungsmeister Raimund Weinand nur bestätigen kann. Vor allem schulische Probleme sorgten häufig für Frustrationen, die im Abbruch der Ausbildung enden. „Es fehlt das Durchhaltevermögen.“ Im Dachdeckerhandwerk hat der Fachkräftemangel längst angefangen. Die Zahl der Azubis in Westfalen ist seit 2010/11 von 1406 auf 1045 zurückgegangen, im Bereich der Kreishandwerkerschaft sank die Zahl der Ausbildungsanfänger von 34 (2006) auf 24 (2016).

Abbrecher variieren nach Gewerk

Viele Maßnahmen

Dass wir auf die Vielfalt an der Brottheke verzichten müssen, weil es nicht mehr genügend qualifizierte Bäcker gibt, die sich aufs Brotbacken verstehen, mag ja noch zu verkraften sein. Aber wenn wir für die Reparatur eines undichten Daches so lange auf einen Fachmann warten müssen wie auf einen Termin beim Facharzt und es beim Optiker oder in der Kfz-Werkstatt nicht anders aussieht, geht das übers Geschmäcklerische hinaus. Lösen lässt sich der Nachwuchsmangel nur mit vielfältigen Maßnahmen: mit der passenden Schulbildung, bestmöglicher Beratung bei der Berufswahl, guter Bezahlung sowie Perspektiven für Azubis und mit der Bereitschaft von Kunden, für gute Arbeit gutes Geld zu bezahlen.

„Die größten Probleme hat schon seit langer Zeit der Nahrungsmittelbereich“, sagt Johannes Motz, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft. Bäcker oder Metzger möchten nur noch wenige werden. Beim Abbruch variieren die Quoten je nach Gewerk. Sie reichen von weniger als zehn Prozent (Kfz, Sanitär) bis mehr als 35 Prozent (Maler, Dachdecker). Erstaunlich sei, dass unter den derzeit 67 offenen Ausbildungsstellen im Bochumer Handwerk auch Stellen in so beliebten Berufen wie Anlagenbauer, Elektroniker und Kfz-Mechatroniker sind.

Das Image des Handwerks ist trotz vieler Kampagnen immer noch ein biederes. Die Anforderung komplexer gewordener Berufe an den Nachwuchs sind aber enorm gestiegen, die Qualifikation und Motivation von Bewerbern oder Azubis nicht unbedingt. Die Schere geht auseinander. Daraus haben die Dachdecker bereits Konsequenzen gezogen und ihre Prüfungsordnung von 2018 „der Marktsituation angepasst“, so Obermeister Raimund Weinand.

Das kann ein Weg sein, um das Nachwuchsproblem zu lösen. „Vor allem brauchen wir neue Ideen“, so Kreishandwerksmeister Johann Philipps. In Sachen „Abbrecher“ rät er zur differenzierten Betrachtung. „So etwas hat es immer gegeben.“ Auch an Unis und Hochschulen würden Fächer gewechselt, viele würden ihr Studium gar nicht beenden. Die Hauptsache sei, dass Azubis nach einer Findungsphase im Handwerk bleiben – bei welchem Gewerk auch immer.