Bochum. Von Amsel bis Zilpzalp: Am Pfingstwochenende lädt der Nabu Bochum zur Vogelzählung ein. Damit soll die Artenvielfalt in der Region bestimmt werden.
Wir sind noch keinen Meter gelaufen, stehen noch auf dem Schotterparkplatz vor dem Wiesental, als es über uns gurrt. Klar, eine Taube. Karin Rodehüser weiß es aber genauer: „Das ist eine Ringeltaube!“ – gut zu sehen an den weißen Streifen, die sie im Vorbeifliegen zeigt. Ein paar Schritte weiter trällert jemand von den Baumwipfeln. „Der Buchfink ist immer sehr laut und deutlich, als ob er ,ich bin der Unteroffizier’ schreien würde“, erklärt Rodehüser. Für Ungeübte klingt das Vogelgezwitscher erstmal nach Piepen in unterschiedlich hohen Oktaven; für Vogelkundlerin Karin Rodehüser ist es wie Musik mit klar erkennbaren Melodien.
Über das Pfingstwochenende (13. bis 15. Mai) lädt der Naturschutzbund (Nabu) bereits zum zwölften Mal zur Zählaktion „Stunde der Gartenvögel“ ein. Und natürlich sind auch die Bochumer aufgerufen, eine Stunde lang die Vögel in ihrem Garten, vom Balkon aus oder im nächsten Park zu beobachten, zu zählen und für eine zentrale Auswertung zu melden. 4064 Vögel wurden im vergangenen Jahr in Bochum gezählt; die Amsel belegte in dieser Zählung den Spitzenplatz.
Schrille Töne und Flöten-Melodien
Auch in diesem Jahr huscht sie vor uns über den Gehweg. Zwei Männchen – nur die haben einen gelben Schnabel – tragen gerade einen Rivalenkampf aus. Sekunden später flitzen sie schon wieder ins Gebüsch, mit ihrem volltönenden Gesang überlagern sie das Rascheln der Blätter. Karin Rodehüsers Aufmerksamkeit gilt aber schon wieder einem anderen Vogel. „Dieses schrille ,pick-pick’, das kommt vom Buntspecht“, erklärt die Hobby-Ornithologin. Als wir konzentriert diesem spitzen Ton lauschen, ist der Buntspecht allerdings schon wieder verstummt. Gar nicht so einfach, so viele unterschiedliche Melodien bei so einem Freiluft-Konzert wahrzunehmen. Zumal das Knirschen unserer Schritte und eine Brise in den rauschenden Baumkronen allgegenwärtig sind. Aber allein auf unsere Augen können wir uns heute nicht verlassen.
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Ob Pfeifen, Kick-Laute oder Flötengesang: Karin Rodehüser erkennt jede Vogelstimme im Wiesental – und findet einprägsame Charaktermerkmale: „Die Singdrossel wiederholt zum Beispiel drei Mal ihren Gesang. Als ob sie ,Erwin, Erwin, Erwin!’ ruft. Oder die Schwanzmeise; die sieht aus wie ein Wattebausch mit Stiel“. Wir müssen lange Richtung Himmel starren, um endlich einen Blick auf sie in ihrer kurzen Flugbahn zu erhaschen. Und tatsächlich: Der Vergleich könnte nicht treffender sein. „Ein steifer Nacken gehört zum Berufsrisiko eines Ornithologen“, meint Rodehüser. Geduld sei sowieso Grundvoraussetzung.
Ein Spatz hat keinen blauen Bauch
Nach einer Stunde reizüberflutendem Spaziergang können wir zumindest eine Singdrossel („Erwin, Erwin, Erwin!“) von einem Zilpzalp (der Name ist Programm) unterscheiden. Wir kommen auf 22 verschiedene Vogelarten, ohne Karin Rodehüser wären es allerdings deutlich weniger gewesen. „Mittlerweile erkenne ich 238 Vogelarten, sowohl vom Aussehen als auch vom Gesang“, erzählt sie. So ein Expertenwissen reift über Jahrzehnte. „Ich weiß noch, wie ich damals meinen Vater gefragt habe, was das für ein Vogel in unserem Garten war. Er meinte, dass sei ein Spatz mit blauem Bauch. Ich wollte es aber genauer wissen“, erinnert sich Rodehüser.
Nur zur Auflösung: Es war ein Blaukehlchen.