Bochum. . Seit etwas mehr als 200 Tagen ist Axel Schölmerich nun Rektor der RUB. Er fährt weiterhin jeden Tag beschwingt zur Arbeit.

Prof. Dr. Axel Schölmerich ist jetzt seit etwas mehr als 200 Tagen Rektor der Ruhr-Universität. Am 1. Oktober folgte er auf Prof. Dr. Elmar Weiler, der seine dritte Amtszeit vorzeitig beendete.

Was ist morgens Ihr erster Gedanke auf dem Weg zur Uni?

Axel Schölmerich: Ich freue mich tatsächlich jeden Morgen. Ich wache spontan früher auf als in der Zeit bevor ich dies Amt angetreten habe, obwohl ich in der Tendenz abends später ins Bett gehe. Ich habe einen unglaublichen Spaß an diesem Amt. Es ist zwar sehr dicht und voll, aber es beinhaltet so viele Kontakte und Gespräche und so viel Gelegenheit mit wirklichem Kenntnisreichtum und der Exzellenz der Leute mit denen man hier zusammenarbeitet, dass ich jeden Morgen beschwingt hier hinkomme. Die Erfolge, die die Ruhr-Universität zur Zeit einfährt, sind dermaßen motivierend, da kann ich mir überhaupt nichts besseres vorstellen.

Passt sich der Rektor dem Tempo der Ruhr-Uni an, oder ist das umgekehrt?

Schölmerich: Ich glaube schon, dass sich der Rektor dem Tempo der Uni anpasst. Das ist auch richtig so. Das geht so viel leichter. Die Uni ist unheimlich dynamisch. Da kann man gar nicht anders handeln, als da mitzulaufen und weiterhin in einer Position zu sein, in der man dem Ganzen Struktur und Richtung geben kann. Also da kann es nur darum gehen, das Tempo weiter aufrecht zu erhalten.

Stichwort Worldfactory, Herr Weiler war bei der Eröffnung des Ufo. Die Worldfactory ist immer noch sein Baby. Was ist, was wird ihr Baby?

Schölmerich: Ich glaube, Baby ist kein guter Ausdruck dafür. Herr Weiler ist erfreulicherweise dabei, das auch noch wieder mitzubetreuen. Aber sie haben das Wort gewählt, um zum Ausdruck zu bringen, dass es ihm ein ganz besonderes Anliegen war und er da sehr, sehr viel Überlegungen reingesteckt hat, für die wir ausgesprochen dankbar sind. Ich wusste, dass ich mich auf Grundlage dieses Projektes mehr in die Richtung damit beschäftigen werde, was eigentlich genau die Aufgaben einer Universität im 21. Jahrhundert sind. Es gibt manchmal diese Vorstellung, eigentlich war die Universität am schönsten, als 25 Personen zusammen in einem Saal einen Text gelesen haben. Das ist natürlich universitäres, akademisches Geschehen, keine Frage. Aber das ist sicher nicht die einzige und sicher nicht die zukunftsträchtigste Form. In der Worldfactory wurde bisher sehr stark über den Gedanken Transfer nachgedacht, wie kriegen wir Erkenntnisse aus der Universität in die Wirtschaft, wie können wir die regionale Wirtschaft beleben, wie können wir als Universität unserer Funktion als Motor der Weiterentwicklung der Region gerecht werden, Und ich denke, auch darüber hinaus, was bedeuten eigentlich neue Formen, für die Definition, was akademisches Geschehen überhaupt ist. Also jenseits von Lehrender und Lernender in ihrer traditionellen Einheit. Mit welchen Formen begegnen wir uns, welche Rolle spielt die Entwicklung der einzelnen Personen dabei. Welche Formen gibt es, mit denen wir uns da beschäftigen müssen. Digitalisierung ist da ein Riesen-Thema, was die Landesregierung auch in den Vordergrund stellt. Da haben wir noch eine unglaubliche Menge beizutragen. Wir müssen es aber auch auf uns selber rückwirken lassen. Wir können nicht so tun, als wären wir sozusagen bei der Wahl unserer didaktischen Mittel auf das beschränkt, was aus der Buchdruckerkunst sich bisher überliefert hat. Ich nehme die Worldfactory, als ein Modul, als ein Teil einer generellen Umstrukturierung von dem akademischen Geschehen.

Sie sprachen in ihrer Antrittsrede davon, dass strukturelle Reformen an der Uni wichtig seien und sprachen von einem verstärkten Personaleinsatz. Was heißt das konkret in Zahlen?

Schölmerich: Wir haben in dem Bereich was Lehre anbelangt viel zukunftsweisendes auf den Weg gebracht, da gehört die exzellente Lehre in den Ingenieurwissenschaften, das Elli-Projekt, Exzellentes Lehren und Lernen in den Ingenieurwissenschaften dazu. Da gehören die „in-Studies-Projekte“ dazu, die bewilligt worden sind. Über all diese Mechanismen werden zusätzliche Kräfte gewonnen. Wir haben uns am Hochschulpakt III beteiligt. Wir bieten dem Land auf Anfrage zusätzliche Studienplätze an, die dann auch finanziert werden. Das hat auch dazu geführt, dass wir inzwischen 32 Standorte außerhalb des Campus in Bochum unterhalten, an denen wir Forschung und Lehre betreiben. Wir freuen uns als Ruhr-Universität unglaublich darüber, dass diese Zusatzangebote an Studienplätzen tatsächlich auch nachgefragt und in Anspruch genommen werden. Denn was nützen die Angebote, wenn die keiner annimmt. Es gibt Universitäten in Deutschland, die derzeit über sinkende Nachfrage klagen. Wir haben das bisher nicht.

Der Campus soll nicht zerfasern 

In der kommenden Woche steht die Grundsteinlegung IA/IB und GD an. Die Uni wächst, verändert sich.

Schölmerich: IA/IB sind Ersatzbauten für Fläche die verloren gegangen ist. Die alten Gebäude haben sich als nicht ohne weiteres sanierbar erwiesen, da war der Totalabriss unumgänglich. Wir haben erhebliche logistische Herausforderungen. Das wird sich auch in den nächsten paar Jahren nicht wesentlich verbessern. Wachstum in die Fläche ist mit den neuen Gebäuden auf dem Campus nicht geplant. Zwischen IA und IB kommt ein Forschungsbau, der sich ingenieurwissenschaftlich mit Material beschäftigt - Grenzflächendominierte Hochleistungsstoffe. Damit ist es auf dem Campus dann ziemlich voll. Da ist dann nicht mehr viel Spielraum vorhanden, wo man noch etwas drauf setzen kann, wenn man nicht auf etwas anderes verzichten will.

Heißt das im Umkehrschluss, dass die Ruhr-Uni noch mehr Flächen außerhalb des Campus genieren wird, generieren muss?

Schölmerich: Wir haben einen Strategieentwicklungsplan plus aufgelegt. Wir wollen die Zahl der Standorte verringern. Das heißt, wir wollen uns auf eine Hauptachse konzentrieren. Das sind aber noch Zukunftspläne. Aber wir wollen keine Zerfaserung des Campus in die Stadt hinein mit ganz vielen verschiedenen, teilweise gemieteten, teilweise in Eigentum geführten Adressen haben. Wir wollen ein klare Struktur haben. Wo ist der Hauptcampus und was gehört dazu, wo sind die Nebenstandorte? Wir mussten in der Vergangenheit unter der Maßgabe der doppelten Abiturjahrgänge mit schlagartigen Veränderungen der Studentenzahlen dann auch im Grunde in Bochum anmieten. Das soll nun in einen geordneten Prozess überführt werden, weil wir der Meinung sind, dass man einen Campus heute auch mit Dingen ausstatten muss, die es zu einem Lebensmittelpunkt macht. Und wenn sie heute mal abends ins Q-West gehen, dann stellen sie plötzlich fest, der Campus der Ruhr-Universität lebt auch nach 18 Uhr.

Meine Alterssituation eröffnet mir Handlungsspielräume 

Sechs Jahre läuft ihre Amtszeit, also bis 2021. Dann wären Sie 69. Arbeiten Sie bis dahin?

Schölmerich: Ja, das ist so geplant.

Sie könnten auch verkürzen. So wie Ihr Vorgänger Elmar Weiler.

Schölmerich: Er hat ja nicht verkürzt. Er hat in der dritten Amtszeit, aus einem gegeben Anlass, nämlich Veränderung des Hochschulgesetzes, und Veränderung der Strukturen und Abschluss der 50-Jahr-Feierlichkeiten, seine Konsequenzen gezogen.

Sie planen also mit 2021?

Schölmerich: Also ich bin da eigentlich sehr zuversichtlich. Ich fühle mich dem im Moment auch ohne weiteres gewachsen. Mein Vater ist vor kurzem mit 99 Jahren gestorben, meine Mutter vor eineinhalb Jahren im Alter von 92 Jahren. Ich bin offenkundig genetisch in einer guten Situation. Was mir eigentlich ganz gut gefällt an der Alterssituation, dass ich nicht für eine zweite Amtszeit kandidieren werden muss oder an einen Lehrstuhl zurückkehren werden muss. Und das finde ich eine Situation, die mir Handlungsspielräume eröffnet.

Es gab vor Jahren mal für Sie das Angebot, nach Wien zu gehen, dort Professor zu werden. Warum haben sie abgelehnt?

Schölmerich: Also das hatte nichts damit zu tun, dass ich nicht hinaus in die Welt wollte. Wien war natürlich äußerst reizvoll. Von der Stadt her und auch von dem Lehrstuhl um den es da ging. Ich bin heute sehr froh, dass wir hiergeblieben sind. Das Angebot Ruhr-Universität war ein sehr gutes Angebot. Das habe ich sehr gerne angenommen. Wir sind jetzt seit 18 Jahre an der Ruhr-Universität. Wir waren vorher zwei Jahre in Halle an der Saale, und davor sechs Jahre in den Vereinigten Staaten. Das war so ein bisschen nach Hause kommen. Ich kenne das Ruhrgebiet aus meiner Kindheit. Meine Mutter ist in Essen geboren. Wir sind früher einmal im Jahr, damals von Marburg aus mit dem VW-Käfer nach Essen gefahren, das waren richtige Expeditionen. Ich bin dann in Essen von meinen etwas älteren Cousins herumgeführt worden und stell dir vor: es gibt Rolltreppen. Die gab es in Marburg zu der Zeit nicht, das war sensationell. Das Ruhrgebiet war für mich ein Ort des Fortschritts.