Bochum. . Mehmet Aksu betreibt den Kiosk in Wattenscheid seit 2013. Die Eppendorfer sind stolz auf ein Stück Ruhrgebietsgeschichte.
Fiege ist der Renner, Zigaretten gehen immer. Auch in Eppendorf erfüllt die Kiosk-Kultur ihr eigenes Klischee. Zum Glück. Darf’s dennoch ein bisschen mehr sein? Sicher, Mehmet Aksu (36) hat den zusätzlichen Trumpf im Ärmel – die Bude kommt mit Bierstube. Trinkhalle, Kneipe und Café in einem. Kurz gesagt: Dorftreff.
Zum Verkaufsfenster Am Thie 26 kommen morgens um 8 Uhr die ersten zu Kaffee und Zeitung. Noch vor dem Mittag trifft sich die ältere Garde der Eppendorfer hinten in der Bierstube. Neuigkeiten austauschen, Kehle anfeuchten, Geschichten erzählen – langweilig wird’s nicht.
Kuchen, Karten, Knobeln
Wer mehr möchte als den Budensnack – Erdnüsse, Salzstangen, Chips –, der bekommt Kulinarisches nach Kneipenart: Heiße Bockwurst, Toast mit Käse, Suppe. „Im Sommer werfen wir immer mal wieder den Grill an. Jeder kann kommen, alles ganz unkompliziert“, ergänzt Inhaber Aksu. Diese Ungezwungenheit loben u.a. die Thorpe-Frauen des Eppendorfer Heimatvereins: „Wir sind ziemlich regelmäßig montags ab 15 Uhr zum Stammtisch hier. In ganz Eppendorf gibt es eigentlich keine Lokalität mehr, wo man sich nachmittags auf Kuchen und Erfrischungen gleichermaßen treffen kann“, unterstreicht Ingrid Braun die Relevanz des Dorftreffs.
Schon um das Jahr 1928 lockte eine Werbung dorthin: „Kommt zu Deppe’s [sic] Trinkhalle“ sieht man auf einer Fotografie mit „drei Flaschenkindern“, die Aksu noch immer aufbewahrt. „Als ich vor 69 Jahren hier her zog, gab es die Trinkhalle schon“, berichtet auch die 71-jährige „Thorpe-Frau“ Helga Behler, die in jungen Jahren noch mit der „Milchkanne im Dorf“ unterwegs war. Damit überflügelt die Eppendorfer Trinkhalle auf der Zielgeraden der WAZ-Serie wohl doch noch die Bismarckbude. Für Aksu, der den Kiosk 2013 übernahm, eher zweitrangig: „Ob wir nun die älteste Bude Wattenscheids sind oder nicht – ich bin stolz, die Tradition weiterführen zu dürfen, die unsere Kunden täglich vorleben.“
Kiosk und Kneipe schmeißt der hauptberufliche Betriebsrat zusammen mit Ehefrau Fadime (36) und drei Mitarbeiterinnen: „Alle bringen sich ein, wir sind wie eine Familie. Die Thorpe-Frauen bepflanzen zum Beispiel die Blumenkästen.“
Brunnen fällt Baustelle zum Opfer
Und gekloppt wird auch – Skat, versteht sich. Erst aus Personalmangel, jetzt aus Überzeugung drischt Aksu jeden Donnerstag persönlich mit: „Ich hab’s mir selbst beigebracht, als ein Mitspieler ausfiel. Mittlerweile bekomme ich richtig Anerkennung aus der Runde“, lacht er. Knobelgruppe, Sparclub mit 42 Teilnehmern und Live-Fußball erfüllen fast jeden weiteren seligen Kneipenwunsch.
Doch Inhaber und Kunden sehen auch ein Problem: die Baustellen, denen u.a. der Biergarten der Trinkhalle sowie der historische Brunnen, auf dem die „drei Flaschenkinder“ schon vor knapp 90 Jahren saßen, zum Opfer fielen. „Wir müssen mal schauen, wie es im Sommer wird, ohne die schönen Sitzmöglichkeiten draußen“, bedauert Braun. Freilich wird weiter gegrillt, die Gemeinschaft aufrechterhalten, „aber es stört schon“, findet auch Aksu: „Manche Stammkunden entschuldigen sich fast, dass sie nicht mehr kurz anhalten können, seit gebaut wird.“ Generell sieht er einige Probleme, die man angehen sollte: „Für ältere Menschen gibt es kaum Bänke zum Ausruhen. Auch Grünflächen fehlen im Zentrum, von Parkplätzen mal ganz abgesehen.“
Umso wichtiger, dass der letzte Dorftreff bestehen bleibt.