Bochum. . Höchste Repräsentanten der Bochumer Christen, Superintendent Hagmann und Stadtdechant Kemper, im Gespräch über den „Brian“-Film und das Feiertagsgesetz.
Alle Jahre wieder: Zu Ostern provoziert die Initiative „Religionsfrei im Revier“ gegen das NRW-Feiertagsgesetz und zeigt den Film „Das Leben des Brian“. WAZ-Redakteur Thomas Schmitt befragte dazu die höchsten Repräsentanten der Bochumer Christen, Stadtdechant Michael Kemper und Superintendent Gerald Hagmann.
Wann und in welchem Zusammenhang haben Sie den Film „Leben des Brian“ das erste Mal gesehen?
Michael Kemper: Ich kann mich an einen Filmabend mit der Katholischen Jungen Gemeinde der Pfarrei St. Elisabeth in Essen-Frohnhausen erinnern, in der ich von 1997-2003 gewohnt habe. Das war am Anfang dieser Zeit, geschätzt 1998/99.
Gerald Hagmann: Es dürfte Ende der 80er Jahre gewesen sein, im Rahmen einer Freizeit mit anderen Jugendlichen.
Konnten Sie gar nicht lachen? Wenn doch: An welcher Stelle?
Kemper: Die Szene mit dem Verteilen der Kreuze und dem Satz „Jeder nur ein Kreuz!“ fand ich schon witzig. Gleichzeitig absurd: Wer drängt sich schon vor, um möglichst viele Kreuze zu bekommen? Oder die Tatsache, dass Brian – im Gegensatz zu Jesus – seine Anhänger wieder loswerden will. Da ist mir aufgegangen, dass der Film zwar deutliche Parallelen und viele Anspielungen auf das Leben Jesu hat, aber kein Jesus-Film ist, sondern von einer anderen Person handelt – eben Brian.
Hagmann: Natürlich gibt es viele lustige Szenen in dem Film. An welchen Stellen ich im Einzelnen lachen musste, kann ich nicht mehr sagen. Ich finde den Film weder besonders gut noch besonders schlecht.
Was macht den Film für Christen so schwer erträglich?
Kemper: Für einige Christen ist der Film schwer erträglich, weil sie Brian mit Jesus gleichsetzen, was sich beim Sehen dieses Filmes aufdrängt. Man muss „Das Leben des Brian“ aber nicht als Persiflage auf das Leben Jesu sehen. Ich habe erlebt, dass dieser Film junge Leute damals in eine Auseinandersetzung mit der Person Jesu geführt hat. Wir haben an dem besagten Abend lange über Jesus diskutiert. Vielleicht ist der Film für manche Menschen – nicht nur Christen – auch deshalb schwer erträglich, weil er schwere Lebensthemen sehr seicht behandelt. Aber das geschieht auch in anderen Filmen.
Hagmann: Der Film ist nicht grundsätzlich für Christinnen und Christen schwer erträglich. Im Gegenteil: Der Film hat auch im kirchlichen Kontext, vor allem in der kirchlichen Jugendarbeit, schon zu manch guter und ertragreicher Diskussion über die Grundsätze unserer Religion geführt – ebenso wie neuere religionssatirische Filme, etwa „Das brandneue Testament“, den ich kürzlich mit einer kirchlichen Jugendgruppe im Kino gesehen habe. Im Anschluss haben wir über die Inhalte offen und kontrovers diskutiert. Genau so geht das auch mit dem alten Film „Das Leben des Brian“.
In unserer Stadt leben über 220.000 evangelische und katholische Christinnen und Christen. Vielen geht es vermutlich in etwa so wie mir: Meine religiösen Gefühle verletzt der Film nicht. Es gibt aber ganz sicher mehrere tausend Christinnen und Christen in unserer Stadt, denen es anders geht. Ich kenne viele, deren Religiosität durch religionssatirische Filme an sich verletzt wird, und ganz besonders durch eine Aufführung der Filme an den so genannten stillen Feiertagen, zu denen in Nordrhein-Westfalen der Karfreitag gehört. Besonders ältere Menschen sind hier häufig sensibel.
Zum Schutz der vielen Menschen, deren Religiosität oder Trauergefühl durch das Zeigen satirischer Filme verletzt wird, wünsche ich mir, dass die stillen Feiertage Karfreitag, der so genannte Totensonntag und der nicht-kirchliche Volkstrauertag still bleiben. Es gibt in NRW ja noch 362 Tage im Jahr, an denen solche Filme gezeigt werden können. Da wird man sicher einen Termin finden.
Steht es nicht jedem Menschen frei, sich seine eigenen Gedanken über Leben und Tod zu machen?
Kemper: Ohne Frage ja – unbedingt. Und die eigenen Gedanken werden zu eigenen Umgehensweisen mit diesen Themen führen. Beides gilt es – immer im Rahmen des rechtlich und ethisch Möglichen – zu respektieren.
Hagmann: Selbstverständlich! Gut, dass unsere Verfassung Religionsfreiheit garantiert. Zur Sicherstellung von Religionsfreiheit gehört es aus meiner Sicht auch, einen Schutzraum für die religiöse Praxis zu gewähren, der auch darin besteht, unnötige Verletzungen und Provokationen, besonders älterer und trauernder Menschen, zu vermeiden.
Gleichwohl: Wir schreiben das Jahr 2016. Niemand muss sich den Film ansehen. Ist das Aufführungsverbot nicht letztlich ein Angriff auf die Meinungs- und Religionsfreiheit?
Kemper: Es geht ja um das Aufführungsverbot dieses Filmes am Karfreitag. Dieser Tag ist ein staatlich geschützter kirchlicher Feiertag. Es ist also bislang ein Interesse des Staates, den Karfreitag als einen für unser christlich geprägtes Land bedeutsamen Tag vor sinnentfremdendem Treiben zu schützen. So verstehe ich das Aufführungsverbot, auch wenn es von der Bezirksregierung ausgesprochen ist. Für mich geht es vor allen rechtlichen Äußerungen aber um die Wahrung des Respektes.
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Früher haben am Karfreitag die Katholiken den Rasen gemäht oder Wäsche aufgehängt, um den Protestanten an ihrem höchsten Feiertag zu zeigen, dass er für sie nicht als Feiertag zählt. Davon sind wir Gott sei Dank weg. Man respektiert gegenseitig die kirchlichen Feiertage. „Das Leben des Brian“ könnte an allen Tages des Jahres ohne Aufsehen gezeigt werden. Ihn öffentlich ausgerechnet am Karfreitag zu zeigen, ist für mich ein Rückschritt an Respekt vor den religiösen Gefühlen anderer Menschen. Im Übrigen würde ich bei dieser Gelegenheit gerne anbieten, mit der Initiative „Religionsfrei im Revier“ einmal ins Gespräch zu kommen – von mir aus auch über den Film. Ich hätte aber auch noch eine Reihe anderer Fragen.
Hagmann: Im Gegenteil: Zum Schutz der Religionsfreiheit gehört aus meiner Sicht die Sicherstellung eines Schutzraumes für die praktische Ausübung der Religion. Ich finde es bemerkenswert, dass die Initiatoren der Filmaufführung nicht den Karfreitag und andere kirchliche Feiertage insgesamt als arbeits- und schulfreie Tage in Frage stellen. Wenn der Gesetzgeber an den kirchlichen Feiertagen festhält, ist es nur konsequent, dass auch der Sinn und die Bedeutung der kirchlichen Feiertage ernst genommen werden.