Bochum. Beim WAZ-Medizinforum zeigten Fachärzte vor 200 WAZ-Lesern das Wechselspiel zwischen körperlichen und psychischen Leiden auf. Das wurde in der Kardiologie lange unterschätzt.

Fisch auf den Tisch. Möglichst zweimal pro Woche. Am besten Lachs, Sardinen, Thunfisch und auch Schalentiere. Sie sind besonders reich an Omega-3-Fettsäuren und damit hilfreich sowohl für die körperliche als auch psychische Gesundheit, empfahlen Fachärzte am Donnerstagabend beim WAZ-Medizinforum im voll besetzten St. Josef-Hörsaalzentrum.

Pumpe und Psyche sind längst nicht immer ein Herz und eine Seele. Als „großes Ineinander“ umschreibt Prof. Dr. Georg Juckel, Ärztlicher Direktor des LWL-Universitätsklinikums, das Wechselspiel. „Alles hängt miteinander zusammen“, sagt Juckel. Heißt: Wer an einer Herzerkrankung leidet, gar schon einen lebensbedrohlichen Infarkt hinter sich hat, trägt ein deutlich erhöhtes Risiko, Depressionen zu bekommen. Und andersherum gilt: Bei Menschen, die psychisch krank sind (deren Zahl steigt rapide an), stellen sich häufiger als sonst Herzprobleme ein. Herz-Schmerz: ein Wort mit doppelter, mitunter fataler Bedeutung.

Depression erhöht Herz-Risiko

Die Kardiologie habe den Einfluss der Psyche auf die Koronare Herzkrankheit lange Zeit unterschätzt, ja „verschlafen“, räumt Prof. Dr. Andreas Mügge, Chefarzt am St. Josef-Hospital und Bergmannsheil, ein. Alter (Männer ab 40, Frauen ab 50), Übergewicht, Rauchen, Bewegungsmangel oder Diabetes: Die gängigen Risikofaktoren wurden und werden immer wieder benannt. Eine kranke Seele indes gehört meist nicht dazu.

Inzwischen sei in der Kardiologie fest verankert, dass auch psychische Leiden eine bedeutende Rolle spielen. Mügge stellte eine Studie mit insgesamt 800.000 Patienten vor. Danach erhöht sich das Risiko für die Koronare Herzkrankheit mit einer Depression um 30 Prozent (bei Frauen gravierender als bei Männern). Aktuelle Zahlen weisen aus, dass jeder fünfte Herz-Patient zusätzlich an einer Depression leidet. Tendenz: steigend.

Infarktgefährdet – auch das ein Ergebnisse einer Studie – seien vor allem nach innen gekehrte, zurückgezogene Menschen, die häufig unglücklich und von düsterer Stimmung sind. Weniger Sorgen als lange vermutet müssten sich hingegen Manager-Typen machen, die ihrer Umwelt (und Belegschaft) feindselig und aggressiv gegenüberstehen und aufbrausend sind. Sie galten lange als Infarkt-Kandidaten Nr. 1. Eine Fehleinschätzung, so Mügge.

Was tun, um den Teufelskreis von organischen und seelischen Erkrankungen zu durchbrechen, Körper und Geist in Takt zu bringen oder zu halten? Prof. Juckel setzt neben der – zeitlich befristeten – medikamentösen Behandlung auf Tiefenentspannung.

Entspannung für den Seelenfrieden

Entspannungsübungen wie Yoga, Autogenes Training, Tai Chi, möglichst am Morgen, oder für Gläubige ein Gebet könnten für Ausgeglichenheit und seelischen Frieden sorgen, weiß der Psychiatrie-Direktor. Regelmäßiger Sport und Bewegung seien gleichfalls wichtig. Statt Antidepressiva könne auch Mutter Natur ihre heilsame Wirkung entfalten, etwa durch Johanniskraut. Und siehe oben: Bei der Ernährung gehören ungesättigte Fettsäuren auf jeden Speiseplan.

„Das Leben etwas gelassener nehmen“, lautete beim WAZ-Medizinforum auch der Rat von Dr. Alexander Wutzler, Kardiologe am St. Josef-Hospital.

Am besten bei einer leckeren Fischmahlzeit.

Schon ein Streit mit Nachbarn kann Infarkt auslösen 

Zwei Herzinfarkte überschatteten vor einer Woche das Bundesligaspiel von Borussia Dortmund gegen Mainz. Ein Besucher (79) starb. Ein trauriger Beweis für die medizinische Erkenntnis, dass Stress und Aufregung das Infarkt-Risiko deutlich erhöhen können.

Beim WAZ-Medizinforum am Donnerstagabend im Hörsaalzentrum machten die Kardiologen mit weiteren Beispielen auf das fatale Wechselspiel aufmerksam.

Eine Patientin stellte sich mit hochrotem Kopf in der St. Josef-Notaufnahme vor. „Sie klagte über ein massives Drücken in der Brust“, schildert Chefarzt Prof. Mügge. Die Frau erzählte, dass sie soeben einen heftigen Streit mit ihrem Nachbarn gehabt habe. Dabei hätten sich die Brustschmerzen eingestellt. Die sofortige Untersuchung ergab: Die Patientin hat einen Vorderwand-Herzinfarkt erlitten. „Es gab bei ihr keine Vorerkrankung. Ein Beweis dafür, wie eine psychisch schwer belastende Situation ins Herz eingreifen und Blutgefäße und Herzrhythmus beeinflussen kann“, so Prof. Mügge. Die Frau hatte Glück: Die schnelle Behandlung war erfolgreich; sie ist wieder beschwerdefrei.

Ins Jahr 2006 reicht eine Studie zurück, die St. Josef-Kardiologe Dr. Alexander Wutzler den WAZ-Lesern vorstellte. In dem Jahr wurde in Deutschland die Fußball-WM ausgetragen. Bundesweit wurde die Zahl der Patienten gesammelt, die mit Herzproblemen notfallmäßig behandelt werden mussten. Die Statistik ist eindeutig: Die Behandlungs- und Todesfälle schnellten im Juni/Juli um ein Vielfaches nach oben. An den Tagen, an denen die deutsche Nationalelf spielte, mussten die Notärzte besonders viele Infarkt-Patienten betreuen.

Für Dr. Wutzler ein klares Indiz, „wie Herz und Hirn auf vielfältige Weise biologisch aufeinander einwirken“. Das lässt sich auch in einer weiteren Bilanz ablesen. Die mit Abstand meisten Herzinfarkte bei Arbeitnehmern ereignen sich danach montags. Der Stress im Job, in dem nach dem Wochenende Leistung von 0 auf 100 erwartet wird, fordert seinen Tribut. Vielleicht auch nur die Angst davor.