Bochum.. Die Notwendigkeit von Vorsorgeuntersuchungen unterstrichen Fachärzte aus Bochum und Dortmund beim WAZ-Medizinforum zum Thema Darmkrebs.
„Ich hatte doch keine Schmerzen!“ Inge Priesberg dient als mahnendes Beispiel. Nur durch Zufall entdeckte die 76-Jährige Blut im Stuhl. Nur mit Glück hat sie ihren Darmkrebs überlebt – im Gegensatz zu 30 000 Frauen und Männern in Deutschland, die jährlich an dem Leiden versterben. Das Patientengespräch mit der Langendreerin beim WAZ-Medizinforum führte vor Augen, wie wichtig die Vorsorge gerade beim Darmkrebs ist.
Seit zehn Jahren gibt es das Darmzentrum Ruhr – ein Verbund u.a. mit dem St. Josef-Hospital, Knappschaftskrankenhaus Langendreer und Bergmannsheil. Anlass für die Kliniken und die WAZ, in einem Medizinforum Spezial über den Darmkrebs zu informieren. Das Interesse ist groß: Der Hörsaal im „Blue Square“ war am Dienstagabend mit 100 WAZ-Leserinnen und -Lesern voll besetzt.
Nur jeder Fünfte nutzt das Angebot
„Darmkrebs ist heilbar, wenn er rechtzeitig erkannt wird“, appellierte Prof. Dr. Wolff Schmiegel, Direktor der Medizinischen Klinik am Knappschaftskrankenhaus. Obwohl die Kassen eine Darmspiegelung ab 55 Jahren bezahlen (bei familiärer Vorbelastung bereits ab 40), nutzt nur jeder Fünfte das Angebot. Eine Fahrlässigkeit, die fatale Folgen haben kann. Denn die Symptome stellen sich erst spät ein. Bei Blut im Stuhl, Bauchweh oder Blutarmut haben sich vielfach nicht nur bereits Polypen gebildet. Oft hat der Krebs schon gestreut: in Leber, Lunge, Lymphknoten.
Dabei sei die Darmspiegelung harmlos und schmerzfrei, versicherte Schmiegel: „Niemand muss Angst haben.“ Das einzig Unangenehme sei das Salzwasser zur Darmreinigung. Ein Ungemach, das Leben retten kann: Trotz der niedrigen Vorsorgequote ist die Zahl der Darmkrebstoten seit 2002 um über 20 Prozent gesunken.
Eine Quote, die noch gesteigert werden soll. Ab diesem Jahr sollen die Krankenkassen ihre Mitglieder in Briefen auf die Möglichkeiten der Darmkrebs-Früherkennung hinweisen. Dazu gehört auch ein jährlicher Stuhltest, der die Spiegelung allerdings nur ergänzen, nicht ersetzen kann. Bis zu einem belastbaren Bluttest (ähnlich dem PSA-Wert bei der Prostata) sei es noch ein weiter Weg, so Schmiegel, der vor ominösen, meist teuren Anbietern von Stuhltests warnt. Eine Kamera-Kapsel, die den Dickdarm durchwandert, findet bei der Früherkennung immer häufiger Anwendung, hat laut Schmiegel aber zwei Nachteile: Bei dem Verfahren können die Krebs-Polypen, die binnen zehn Jahren entstehen, nicht entfernt werden. Und: Die Salzwasser-Lösung müssen die Patienten auch für die Kapsel schlucken; sonst bleibt die Kamera wirkungslos.
Auf konventionellem Weg wurden im Knappschaftskrankenhaus die Polypen entfernt, die im Darm von Inge Priesberg entdeckt worden waren. Beim Patientengespräch mit Prof. Schmiegel konnte sie verkünden, dass sie seit dem Eingriff im Juni 2015 beschwerde- und befundfrei ist: „Mir geht’s gut.“
Schlüsselloch-Chirurgie ist auf dem Vormarsch
Die Schlüsselloch-Chirurgie ist auch beim Darmkrebs auf dem Vormarsch. Die schonenden Operationen mit kleinen Hautschnitten werden sich in den nächsten Jahren durchsetzen, sagte Prof. Dr. Waldemar Uhl, Klinikchef am St. Josef-Hospital, am Dienstag beim WAZ-Medizinforum voraus.
Bislang komme die minimal-invasive OP-Technik bei 30 Prozent der Darmkrebs-Eingriffe zum Einsatz. Uhl hält eine Quote von bis zu 80 Prozent für möglich. Weniger Schmerzen, kleinere Narben, schnellere Erholung: Zu deutlich seien die Vorteile gegenüber dem herkömmlichen Bauchschnitt – „bei identischen Ergebnissen“. Die Kassen würden ihre Zurückhaltung bald aufgeben, glaubt Uhl. Derzeit zahlten die Kliniken drauf, ist eine Schlüsselloch-OP doch länger, aufwändiger und somit teurer als das Standardverfahren. Uhl: „Wirtschaftlich schneiden wir uns momentan ins eigene Fleisch.“
Weniger Fleisch, mehr Sport
Mehr Wohlbefinden für den Patienten und weniger Ausgaben für die Kassen versprechen Genanalysen, über die Dr. Christian Teschendorf, Chefarzt am St. Josefs-Hospital in Dortmund-Hörde, die WAZ-Leser informierte. Um Rückfälle zu vermeiden, werde jeder zweite Darmkrebs-Patient einer Chemotherapie unterzogen. Kriterien sind dabei u.a. die Tumorgröße und der Befall weiterer Organe. Eine exakte Genanalyse des Tumors könne Therapie und Nachsorge für eine Vielzahl der Patienten effizienter und weniger belastend gestalten, so Teschendorf. „Wir kennen inzwischen eine Reihe von Antikörpern, die die Krebszellen gezielter bekämpfen als die konventionelle Chemotherapie. Die genauere Analyse verbessert die Prognose.“
Was man selbst tun bzw. lassen sollte, um Darmkrebs vorzubeugen? Die Fachärzte betonen, dass es dazu keine gesicherten Erkenntnisse gebe. Zu vermuten sei aber, dass zu viel rotes Fleisch schadet – und regelmäßiger Sport nutzt.