Bochum. . Bekannt gewordenes internes Papier birgt politischen Zündstoff. Linke stellen für Rat Dringlichkeitsantrag. CDU über Vorpreschen richtig sauer

Für einen heftigen politischen Schlagabtausch sorgt das (noch) rund 66 Millionen Euro schwere RWE-Aktienpaket, das die Stadt Bochum über die Holding für Versorgung und Verkehr GmbH (HVV) hält. Hintergrund ist ein internes Papier, das der Redaktion vorliegt. Es enthält brisante Details über das Ausstiegsszenario. Als ein Argument pro Verkauf wird dort aufgeführt, dass RWE keine Standorte mehr in Bochum unterhalte.

Daher führe der Verkauf der RWE-Aktien weder zur Reduzierung der Gewerbesteuereinnahmen noch zu einem Abbau von Stellen in der Stadt. Mit anderen Worten: Die Stadt fühlt sich nun offenbar frei, da ein Verkauf, zum einen die Finanzstruktur der Stadtwerke verbessern, die Zinslast des Versorgers reduzieren und damit die Stadt stärken würde. Wörtlich heißt es: „Die Stadt hat in den letzten zehn Jahren aufgrund der Entwicklungen auf den Energiemärkten einen dramatischen Vermögensverlust erlitten. (...) Zwischen Kurserholung und Insolvenz der RWE AG lassen sich fast alle denkbaren Entwicklungen begründen und Prognosen hierfür finden.“

Keine offizielle Stellungnahme

Offiziell will sich bei der Stadt niemand zu diesem Papier einlassen. Aber: Sicher ist, dass das zum 15. Januar von der Verwaltung erarbeitete Schriftstück als Diskussionsgrundlage für die anstehende Entscheidung dient. Die offenkundig ursprünglich angepeilte Entscheidung in der Ratssitzung am Donnerstag über die „Herstellung der Handlungsfähigkeit bezüglich der RWE-Aktien“, wie es sperrig heißt, soll dem Vernehmen nach nicht stattfinden. Dazu bliebe später noch genügend Zeit. Denn bis zum 30. April müssen die Wertpapierdarlehensverträge gekündigt sein. Dies ist eine Voraussetzung, um aus der mit mehreren anderen Kommunen gehaltenen Schachtelbeteiligung auszusteigen.

6.6 Millionen RWE-Aktien

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Verkauft werden könnten die rund 6,6 Millionen RWE-Aktien frühestens im nächsten Jahr. Durch das Streichen der Dividende müssen rund vier Millionen Euro für die Stadtwerke bereits jetzt abgeschrieben werden.

Die Linken im Rat möchten trotzdem ein sofortiges Handeln: In einem Dringlichkeitsantrag für den Rat fordern sie, die Schachtelbeteiligung zu kündigen, um die Aktien so schnell wie möglich, spätestens bis zum Jahresende verkaufen zu können.

CDU-Fraktionschef Christian Haardt bringt dieses Vorpreschen in Rage: „Das ist unglaublich. Es war – auch mit den Linken – ein anderes Verfahren verabredet.“ Er halte sich an Absprachen. Außerdem sei der Druck künstlich. Bis zum 30. April sei genug Zeit, die Papiere fristgerecht zu kündigen.

Papier der kühlen Distanz - ein Kommentar von Michael Weeke 

Wer Internes der Öffentlichkeit zuspielt, tut dies selten ohne politisches Kalkül. Das eigentlich Brisante des jetzt als Diskussionspapier heruntergeredeten Verkauf-Szenarios sind weder die Zahlen (waren bekannt) noch der Ablauf (ist vorgegeben).

Es ist die kühle Distanz, mit der die Stadt in diesem Schriftstück zu RWE geht. Sie lässt aufhorchen: Jahrzehntelang diente der Energiegigant aus der Nachbarstadt als gern genommener Goldesel, spülte Millionen in den städtischen Haushalt. Damit ist jetzt Schluss. Mehr noch. Wie viel die Aktien zu einem Verkaufsdatum zum Jahresende oder Anfang 2017 Wert sind, weiß heute niemand. Wohl kaum die ohnehin schon knapp gerechneten 66 oder 70 Millionen Euro.

Die Analyse der Finanzfachleute klingt schlüssig. Allein, es stellt sich die Frage, ob die Erkenntnis nicht ein wenig spät kommt.