Bochum. Bis zu 80.000 Tonnen Bauschutt sollen beim Abriss der alten Erich-Kästner-Schule anfallen. Stadt und Ingenieurbüro versichern, dass die Altlasten komplett zuvor entfernt worden sind. Vom jetzt entstehenden Staub gehe keine Gefahr aus.
Wer in diesen Tagen in der Nähe der ehemaligen Erich-Kästner-Gesamtschule spazieren geht, dem wird der feine Staub auffallen, der im Umkreis von mehreren Hundert Metern in der Luft schwebt. Im Dreieck Markstraße/Stiepeler Straße/Universitätsstraße haucht so die alte Schule, erste Gesamtschule Bochums, mit in Spitzenzeiten bis zu 2000 Schülerinnen und Schülern endgültig ihr Leben aus.
Doch der zuletzt durch die immense Belastung durch PCB und Asbest ins Gerede gekommene gewaltige Betonkoloss ist keine Giftschleuder mehr. Olaf Fischer, der bei den zentralen Diensten der Stadt, denn Abbruch verantwortet, versichert: „Sämtliche Altlasten sind fachmännisch entfernt worden und werden entsorgt.“
So beißt der gewaltige 70-Tonnen-Longfrontbagger mit seiner überdimensionalen „Kneifzange“ auf nahezu wieder jungfräulichen Stahlbeton, den er mit wenigen kräftigen Bissen pulverisiert, in kaum noch Wallnuss große Happen. Die Stadt hat das Spezial-Ingenieurbüro Wesseling damit beauftragt, sicherzustellen, dass die hochgiftigen Altlasten vor dem jetzt begonnenen eigentlichen Abriss komplett entfernt sind.
"Das Gelände lastenfrei übergeben"
In einer Ecke stehen noch, in blauen Riesenkanistern hermetisch verschlossen, einige Reste. Allein in den Außenfassaden befanden sich drei Kilometer PCB-haltige Fugenmasse. Mühselig in Handarbeit mussten die Fugen von den Fertigbetonplatten gekratzt und in eben die blauen Kanister gepackt werden. Nicht weniger langwierig gestaltet sich die Entfernung des Asbestes etwa von den 265 tragenden Betonsäulen. Es hat danach über 60 Messungen gegeben. In der Luft befanden sich dabei maximal drei Asbestfasern in einem Kubikmillimeter Luft. Als Sonderabfall werden die Reststoffe in einer Hochtemperaturanlage verbrannt.
Was die Kosten angeht, so liegen die Arbeiten voll im Rahmen, möglicherweise wird es sogar günstiger. Die Schadstoffentsorgung allein kostet die Stadt 1,7 Millionen Euro, hinzu kommen 1,5 Millionen Euro für den jetzt begonnenen eigentlichen Abriss und weitere rund 900.000 Euro für Infrastrukturarbeiten wie etwa das neue Verlegen einer Fernwärmeleitung der Stadtwerke. „Wir möchten das Gelände schließlich lastenfrei übergeben“, so Fischer. Das bedeutet, dass Käufer – angedacht sind für das Gebiet Wohnbebauung und möglicherweise Bürogebäude – fremde Rechte zu berücksichtigen haben.
Grundstein zufällig wieder entdeckt
Bis es aber soweit ist, müssen die Anwohner, die gerade im Bereich der Stiepeler Straße, aber auch auf der Markstraße weniger als Hundert Meter entfernt leben, Geduld beweisen. Der Longfront-Riese und seine beiden kleineren Brüder zerlegen und pulverisieren das große Gebäude mit immerhin rund 135.000 Kubikmeter umbauten Raum in etwa 80.000 Tonnen Bauschutt. Vor Ort wird in den nächsten Tagen eine transportable Brechanlage installiert, die das Material noch weiter zerkleinert. Mehr als 3200 Lkw-Fahrten bei einer angenommenen Zuladung von 25 Tonnen werden in den kommenden Monaten nötig sein, bis aller Schutt abtransportiert ist. In etwa einem Jahr soll nichts mehr an die alte Schule erinnern. Selbst die Keller wühlen die Bagger aus der Erde.
Übrigens haben die Bauleute eher zufällig den Grundstein in einer Wand in der alten Aula wieder entdeckt. Er wurde sichergestellt und eingelagert. Wer weiß, vielleicht erzählt sein Inhalt irgendwann einmal ein Kapitel aus der Gründungszeit dieser ersten Bochumer Gesamtschule und ihrer in die Zehntausende gehende Schülerzahl.
Bewegte Geschichte der einst größten Bochumer Schule
Die Gesamtschule Bochum, später Erich-Kästner-Schule, wurde von 1972 bis 1975 errichtet. Mit einer Fläche von 68 000 Quadratmeter Raum war es der größte jemals in dieser Stadt errichtete Schulbau. Sie war die zehnte von zunächst 30 landesweit geplanten Gesamtschulen. Die Planer gingen zu Beginn von Baukosten in Höhe von 56 Millionen D-Mark aus.
Eröffnet wurde die Schule bereits drei Jahre früher. Der Unterricht fand zunächst in provisorischen Gebäuden an der Universitätsstraße statt. Diese wurden später von der Hufelandschule genutzt.
Als in den 90er Jahren die Schülerzahlen ständig zurückgingen, wurde der Schulkomplex zu groß. Ein Neubau wurde begonnen, 2010 wurden die neuen Gebäude, unmittelbar neben dem Altbau bezogen.
Doch noch einmal wurde die einst gefeierte Modellschule genutzt: Als vorübergehendes Quartier für das Neue Gymnasium. In dieser Zeit wurde auch die Belastung mit Asbest, PCB und Schimmel thematisiert. Es gab eine breite öffentliche Diskussion.