Bochum. Für Pastor Bernd Wolharn steht in der Fastenzeit nicht Genuss-Verzicht im Vordergrund, sondern der innere Appell, „etwas bewusst anders zu machen“.
Fasten scheint wieder in Mode zu kommen. In der Zeit des Überflusses, die für manche zur quälenden Zeit des Übergewichts wird, bekommt das ehedem christliche Entsagen eine ganz neue Bedeutung. Pastor Bernd Wolharn, katholischer Pfarrer an der Liebfrauenkirche in Altenbochum, sieht in seinem Umfeld, dass die Bedeutung der österlichen Fastenzeit durchaus bekannt bleibt: „Ich habe den Eindruck, dass viele Menschen diese Zeit sehr bewusst erleben.“
Der Geistliche sieht dabei weniger den tatsächlichen Verzicht auf Genuss-Dinge, Süßigkeiten oder Alkohol etwa, im Vordergrund als vielmehr den inneren Appell, „in dieser Zeit etwas ganz bewusst anders zu machen“. Er erinnert daran, dass es kirchenoffiziell auch nicht mehr Fastenzeit heiße, sondern „vorösterliche Bußzeit“. Für ihn ist darin der Appell versteckt, sich gut auf dieses Fest des Lebens vorzubereiten.
Pastor Bernd Wolharn will bis Ostern ohne Fleisch und Wurst auskommen
Ganz persönlich hat er sich vorgenommen, in den Wochen vor Ostern auf Fleisch und Wurst zu verzichten. Außerdem plant Bernd Wolharn, sich in der Fastenzeit mit einigen Freunden zu treffen, die er lange Zeit nicht gesehen hat. Auch das sei für ihn eine Methode, diese Zeit ganz bewusst zu begehen. Von anderen Bochumer Kirchengemeinden weiß er, dass es auch Gruppen gibt, die sich ganz gezielt in der Gemeinschaft zum Heilfasten entschlossen haben. Heilfasten ist eigentlich eine nicht religiös getriebene Methode, um seinen Körper zu entschlacken, von Giften zu befreien.
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Dagmar-Birgitt Heße ist Diplom-Ökotrophologin und seit vielen Jahren Ernährungsberaterin bei der AOK. Sie kennt natürlich solche und andere Methoden, hält jedoch wenig vom kurzfristigen Fasten oder auch dem Intervallfasten. „Ich plädiere lieber dafür, das Ernährungsverhalten grundlegend umzustellen.“ Für die Entgiftungserfolge etwa des Heilfastens gebe es so gut wie keine wissenschaftlichen Belege.
Statt Fastenzeit spricht Ernährungsberaterin lieber von Achtsamkeit
Die Ernährungswissenschaftlerin würde ohnehin das Wort Fastenzeit lieber tauschen und von einer Zeit der Achtsamkeit sprechen. „Wir essen oft einseitig so, wie wir es aus verschiedenen Gründen schon immer gewohnt sind.“ Wenn sie mit Menschen Kontakt hat, die sie als Ernährungsberaterin aufsuchen und Hilfe benötigen, dann steht das Fasten oder eine Diät auch nicht an erster Stelle.
Zuerst kommt die Zeit, in der über Wochen ein Ernährungstagebuch geführt wird. Es gebe schnell Aufschluss über Gewohnheiten und liefere gleichzeitig Ansatzpunkte. „Wer wirklich dauerhaft Gewohnheiten ändern möchte, sich neue Ziele setzt, sollte das erst nach einer genauen Beobachtungszeit tun“, so Heße.
In diesem Punkt schließt sich der Kreis. Denn für einen ganz bewussten Umgang in dieser Zeit warb ja auch Pastor Kemper. Ob er damit auch so etwas meinen könnte wie es der Bochumer Fußballautor Ben Redelings im letzten Jahr zelebrierte: 31 Tage ohne Fußball. Die perfekte Selbstvermarktung, eine etwas andere Fastenzeit und das im Wonnemonat Mai.