Bochum. Rat beschließt mit der Koalitionsmehrheit von Rot/Grün den Haushalt 2016. Defizit von 67,5 Millionen Euro. Franken-Ausstieg als „Ende mit Schrecken“.
Um zumindest 67,5 Millionen Euro wächst Bochums Verschuldung 2016. Das ist das Defizit des Haushalts, den der Rat in seiner ersten Sitzung des Jahres am Mittwoch mit der Koalitionsmehrheit von SPD und Grünen beschlossen hat. Mit dem Haushalt, der Ausgaben von 1,361 Milliarden Euro und Einnahmen von 1,294 Milliarden Euro umfasst, sehen sich Kämmerer Manfred Busch, aber auch die politische Mehrheit auf einem guten Weg, den im Haushaltssicherungskonzept angestrebten Haushaltsausgleich bis 2022 zu schaffen.
Mehr noch als das Zahlenwerk des Kämmerers, das mit dem plötzlichen Einnahmeschub in Höhe von 38 Millionen Euro (u.a. Gewerbesteuer und Einkommenssteuer) im Spätherbst 2015 für eine spürbare Entspannung in der Haushaltsdebatte geführt hatte, ließ gestern eine Ankündigung des Oberbürgermeisters zu Beginn der Sitzung aufhorchen. „Bochum ist raus aus den Schweizer Franken“, so Thomas Eiskirch (SPD).
Erstmals war der im Vorjahr plötzlich abgestürzte Kurs, der auch kommunale Kreditnehmer wie Bochum schwer getroffen hatte, auf mehr als 1,10 Franken je Euro gestiegen. In Absprache mit den Fraktionsvorsitzenden von SPD, CDU und Grünen entschieden Kämmerer und Stadtoberhaupt, den einst zum Kurs von etwa 1:1,46 gekauften kompletten Franken-Bestand in Höhe von noch 88,3 Millionen Euro Schweizer Frankenauf dem Markt zu platzieren und nicht weiter auf eine noch bessere Kursentwicklung zu warten.
Haushalt bleibt unberührt
Binnen 90 Minuten war das Paket verkauft, das Bochum unterm Strich mit Berücksichtigung von zwischenzeitlichen Zinsgewinnen ein Minusgeschäft von 48,4 Millionen Euro beschert. „Das ist ohne Frage ein Ende mit Schrecken“, so Eiskirch, der bekräftigte, dass – wie der Rat bereits beschlossen hat – derlei Geschäfte in Zukunft nicht mehr unternommen werden. Das Trostpflaster des Deals sei ein Buchgewinn von 2,6 Millionen Euro gegenüber der Bewertung des Pakets zum Ende des Jahres 2015.
Der aktuelle Haushalt ist von dem abrupten Ende des Franken-Geschäfts unberührt. Verändert hat eine gestrige Entscheidung allerdings noch die Höhe der Investitionskredite. Durch die Zustimmung zum Kauf der Modul-Wohnanlagen für Flüchtlinge steigen sie von 77 Millionen Euro auf 89,5 Millionen Euro.
Enthalten in diesem Betrag sind u. a. der städtische Anteil in Höhe von zehn Prozent an Investitionen, die durch das jüngste Bundesprogramm „KP III“ möglich geworden sind: nämlich 5,3 Millionen Euro für Schulsanierungen, 5,4 Millionen Euro für neue Kindertagesstätten, 4,7 Millionen Euro für energetische Sanierungen von Turnhallendecken und 4,4 Millionen Euro in energieeffiziente Straßenbeleuchtung und Flüsterasphalt.
SPD und Grüne tragen Haushalt „mit großer Überzeugung“
Von „manchen Pirouetten“, spricht SPD-Fraktionsvorsitzender Dr. Peter Reinirkens, von einmal mehr „nicht vergnügungssteuerpflichtigen“ Beratungen sein Kollege Manfred Preuß von den Grünen. Die Zeit gerade zwischen Haushaltssperre und der Kunde von plötzlichen Mehreinnahmen von 38 Millionen Euro hat gerade den beiden Mehrheitsfraktionen viel Kopfschmerzen bereitet. Am Ende tragen sie den Haushalt 2016 „mit großer Überzeugung“ (Reinirkens); zumal die drohende Grundsteuererhöhung ausgeblieben ist. Zeit für Experimente, wie sie die CDU mit der Senkung der Gewerbesteuer vorgeschlagen habe, gebe es gleichwohl nicht, so der SPD-Fraktionschef.
Er kündigte an, dass es zur notwendigen Bewegung im sozialen Wohnungsbau komme werde („Ich sichere zu, dass das in Bochum geschieht“), und forderte ein konkretes Handlungsprogramm, zu dem auch der Geschossbau gehören müsse. Manfred Preuß plädierte gar dafür, dass bei größeren Bauprojekten eine Quote für den Sozialwohnungsbau festgesetzt werden müsse. Ähnlich wie bereits mit der Modernisierung von Sportplätzen beschlossen, könnte aus Sicht der SPD auch bei den städtischen Bädern das Ziel sein: „quantitativ weniger, qualitativ mehr.“
Vorreiter bei der Einführung der Gesundheitskarte
Befriedigt stellte Reinirkens fest, dass der Protest der Städte zu einer großen finanziellen Unterstützung durch Bund und Land geführt hat. „Allerdings sage ich ganz deutlich, da ist das Ende der Fahnenstange noch lange nicht erreicht.“ Er wie auch der Grüne Manfred Preuß plädieren dafür, bei der Beurteilung des Haushalts müssten die Kosten für Unterbringung und Betreuung der Flüchtlinge eigentlich „vor die Klammer gezogen werden“. Dass Bochum auf etwa 20 Millionen Euro sitzen bleibe, sei nicht akzeptabel (Preuß).
Als Vorreiter in NRW sieht er Bochum bei der Einführung der Gesundheitskarte für Flüchtlinge. Sie trage „zu einer menschenwürdigen medizinischen Versorgung“ bei.
Opposition lehnt Haushalt ab: verantwortungslos und unsozial
Auf Ablehnung stößt der Haushalt bei der Opposition. „Verantwortungsvolle Haushaltspolitik sieht anders aus“, kritisierte Christian Haardt (CDU), Vorsitzender der zweitgrößten Fraktion im Rat. Er vermisse Ansätze, „die zu einer echten strukturellen Verbesserung der Haushaltslage der Stadt Bochum beitragen könnten“. Zu wenige Mittel für das Hochbausanierungsprogramm und für die Ausstattung mit naturwissenschaftlichen Räumen an Schulen, eine ausbleibende Analyse der Verwaltungsorganisation, ein Personalkostendeckel statt planbarer Personalentwicklung, „verzockte“ Millionen in Fremdwährungen oder der still beobachtete Sinkflug der RWE-Aktien – dass und vieles andere mehre kreiden die Christdemokraten sowohl SPD und Grünen als auch Kämmerer Dr. Manfred Busch an.
Auf Ablehnung stößt der Haushalt auch bei den Linken. Er setzte die „unsoziale Kürzungspolitik fort, gegen die wir angetreten sind“, so Fraktionsvorsitzender Ralf D. Lange. Von einer rekordverdächtigen Steigerung der Schuldenlasten sprach für die AfD Wolf-Dieter Liese. Er sah auch viel Wirklichkeitsferne des Haushalt, weshalb seine Fraktion nicht zustimmen könne.
Auf Aktion setzte die gemeinsame Fraktion von FDP und Stadtgestalter schon vor der Sitzung auf dem Rathausvorplatz. Mit großen Pappkartons, die symbolisch auf den hohen Schuldenstand hinwiesen, übten sie auf ihre Weise Kritik an der Haushaltsentwicklung.