Bochum. Mehr als 170 Freiwillige verschiedenen Ländern sind Teil des Projekts. In dem Gebäude sollen die Menschen vor Ort medizinisch versorgt werden können.
Im Dunkeln zu Fuß über die türkisch-syrische Grenze, im Gepäck nur das Allernötigste – was jeden Tag Tausende Flüchtlinge auf ihrem Weg nach Europa auf sich nehmen, haben die Bochumer Anatole Braungart und Klaus Leymann selbst erlebt. Für jeweils vier Wochen sind sie nach Kobane in Syrien gereist, um ein 600 Quadratmeter großes Gesundheits- und Sozialzentrum zu bauen. „Dort können die Menschen ambulant behandelt werden“, erklärt Braungart. „Es gibt auch einen Röntgenraum.“
Organisiert hat den Einsatz ein internationales linkes Bündnis, das in Deutschland vor allem durch die marxistisch-leninistische Partei Deutschlands (MLPD) vertreten wird. Kurdische Aktivisten vor Ort haben das Projekt unterstützt. Mehr als 170 Freiwillige aus zehn verschiedenen Ländern sind zwischen Juni und November nach Kobane gereist – auf eigene Kosten. Auch das Material haben die Helfer mitgebracht: In „prall gefüllten Koffern“ haben sie etwa Werkzeug über die Grenze gebracht.
Morgens um fünf von Schüssen geweckt
Braungart gehörte zur sogenannten Ersten Brigade und war von Mitte Juni bis Mitte Juli dort. „Unsere Aufgabe war es, den Platz für die nachfolgenden Brigaden vorzubereiten“, sagt der TÜV-Ausbilder. „Wir haben Container aufgestellt, Arbeitsböcke geschweißt und Baugruben vermessen und ausgebaggert.“ Während seines Aufenthalts in Syrien hat der Bochumer erlebt, was es heißt, in einem Kriegsgebiet zu sein.
An seinem fünften Tag vor Ort habe die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) die Stadt Kobane angegriffen. „Wir sind morgens um fünf Uhr von Schüssen geweckt worden“, so Braungart. Zusammen mit den anderen Freiwilligen sei er in das Haus eines Nachbarn geflüchtet. Zwölf Stunden hätten sie dort ausgeharrt, bevor sie der Nachbar in ein Dorf außerhalb gebracht habe. „Wir kamen bei einer Familie unter, die insgesamt 20 Leute aufgenommen hat.“ Nach sieben Tagen seien die Helfer an ihre Arbeitsstätte zurückgekehrt. „Alle anderen Hilfsorganisationen haben ihre Arbeit nach dem Angriff eingestellt.“ Die „Brigadisten“ aber hätten ein Symbol gegen den Terror setzen wollen.
"Den Menschen vor Ort Mut machen"
Hintergrund des Projekts
Das Zentrum ist ein Gemeinschaftsprojekt der Internationalen Koordinierung revolutionärer Parteien und Organisationen (ICOR) und kurdischer Aktivisten vor Ort.
Die Bauplanung übernahm ein Ingenieur aus Deutschland. Er berücksichtige hierbei die landestypische Lehmbauweise. Sie soll das Gebäude vor Hitze und Kälte schützen, aber auch Schüsse abfangen.
Insgesamt 1,5 Millionen Euro kostete der Bau. Finanziert wurde er ausschließlich durch Spenden und den Einsatz der Helfer.
Am 20. November wurde das Gesundheits- und Sozialzentrum an die Selbstverwaltungsorgane von Kobane übergeben.
In dem Zentrum werden kurdische Ärzte arbeiten, unterstützt von Medizinern aus Deutschland.
Als Klaus Leymann im August nach Kobane kam, hatte sich die Lage etwas beruhigt. „Ich war in der ,Dritten Brigade’. Wir haben Betonarbeiten gemacht, Stahl gebogen und den Keller ausgebaut.“ Die meisten Helfer hätten noch nie auf dem Bau gearbeitet. „Aber nicht das Fachwissen ist entscheidend“, sagt der Ex-Opelaner, „sondern der Wille.“ Auch wenn die Kommunikation mit den kurdischen Bauarbeitern zum Teil schwierig gewesen sei: „Auf dem Bau geht auch vieles mit Händen und Füßen.“
Zehn Stunden hätten die Bochumer jeden Tag gearbeitet, bei 45 Grad Celsius im Schatten. „Ich würde es jederzeit wieder machen“, sagt Leymann. Das sieht auch Anatole Braungart so. „Der IS steht für Barbarei. Ich will den Menschen vor Ort Mut machen.“