Bochum. . Die Theatermaler im Malersaal des Schauspielhauses entwerfen Bühnenbilder für die verschiedenen Produktionen.
Bis zum wohl schönsten Raum des Schauspielhauses ist es ein weiter Weg. Enge, verschlungene Gänge mit graubetonierten Wänden führen vom Personaleingang zunächst durch einen düsteren Lagerraum mit hohen Decken und ohne Fenster, über eine kleine Steintreppe am Ende des Raumes gelangt man zu einer schweren Tür. Dahinter verbirgt sich – der Malersaal.
Durch die bodentiefen Fenster fällt Licht in den Raum mit hohen Decken und einer Galerie, von deren Geländer Abschlussarbeiten von Azubis und die Kunstwerke anderer Mitarbeiter hängen. Der Holzboden ist mit Folien abgedeckt, an den Seiten des Raums stehen große Staffeleien, Leinwände und verschiedene Utensilien. Immer wieder ist zu hören, wie Pinsel und Stifte über Leinwände geführt werden – es riecht intensiv nach Farbe und Leim.
Das zentrale Motiv im Malersaal: die Illusion. Je nach Kulisse müssen die Theatermaler aus einer der riesigen Leinwände – sogenannten Prospekten – Wände aus edlem Mahagoni, wild bewachsene Wiesen oder Steinvertäfelungen machen. „Wir versuchen die Malerei möglichst realistisch aussehen zu lassen“, sagt Gudrun Schönbeck-Wach, Leiterin des Malersaals am Schauspielhaus. Durch den Einsatz von Lichtern und Schatten werde versucht, verschiedene Ebenen auf einer glatten Fläche zu erzeugen.
Vom Modell auf die Leinwand
Schönbeck-Wach und ihre Mitarbeiter – zwei Theatermalerinnen, ein Theatermaler, ein Maler, eine Plastikerin sowie eine Auszubildende und zwei Jahrespraktikanten – sind ständig auf der Suche nach Möglichkeiten, die Vorstellungen des Bühnenbildners vom kleinen Modell auf die große Theaterbühne zu übertragen und wirkungsvoll umzusetzen. Dabei darf die Lösung am Ende weder zu teuer noch zu aufwendig oder nicht nah genug an der Vorlage sein. Damit Materialien wie Metall, Rost oder Stein möglichst echt wirken, wird im Vorfeld viel ausprobiert.
In der Farbküche lagern literweise Spezialfarben in großen Eimern und jede Menge verschiedener Pinsel. Große Malbürsten zum Beispiel, um große Flächen zu bearbeiten und sogenannte Landschafter mit langen Stielen. „Wenn wir ein Prospekt im Saal ausbreiten, laufen wir auch schon mal mit mehreren Leuten darauf hin und her“, sagt Schönbeck-Wach. Es ist eben doch etwas anderes, ob man auf einem Blatt Papier oder einem Prospekt arbeitet. Damit die Theatermaler auch bei den Großformaten nicht den Überblick verlieren, helfen Schablonen und Rasterungen, einzelne Ausschnitte zu vergrößern.
Mehr als „nur“ Malerei
Aber auch das lasieren und patinieren von Möbeln sowie das bemalen von Requisiten gehört zu den Aufgaben der Theatermaler. Für jede Aufführung von „Don Carlos“ musste beispielsweise eine neue Gipsbüste angefertigt werden, da sie während des Stücks zu Bruch geht. Auch der zerbrochene Krug für die aktuelle Inszenierung wurde zur Sicherheit mehrfach angefertigt, bemalt und kontrolliert beschädigt.
Das Team hat etwa vier Wochen Bearbeitungszeit, um das Modell des Bühnenbildners umzusetzen. Um die Wirkung der riesigen Prospekte auch aus der Entfernung beurteilen zu können, sind diese während der Bearbeitung am Boden festgetackert und die Theatermaler können von der Galerie aus einen Blick auf ihre Arbeit werfen.
Am Tag der technischen Einrichtung verlassen die Kulissen den Malersaal in Richtung Theaterbühne. „Es kann passieren, dass manche Dinge im Licht des Theatersaals anders aussehen“, sagt Schönbeck-Wach. Falls nachgebessert werden muss , bleiben lediglich 14 Tage bis zur Generalprobe – dann muss das Bühnenbild endgültig stehen. Vor einer Premiere stehen deshalb auch die Theatermaler oft unter Zeitdruck. „Man ist natürlich erleichtert, wenn alles geschafft ist“, sagt die Leiterin. Sich dann auch die Aufführung anzuschauen, gehört für sie dazu. „Es ist immer toll zu sehen, wie am Ende Arbeiten aus verschiedenen Bereichen zusammen auf der Bühne wirken.“
Die Ausbildung zur Theatermalerin
„Stein, Holz und andere Materialien so imitieren, dass es natürlich und nicht gewollt aussieht.“ Das ist für Nicole Plewka die größte Herausforderung. Für die 23-Jährige aus Castrop-Rauxel stand fest, dass sie nach der Schule etwas handwerklich künstlerisches machen wollte. „Doch das wird leider immer weniger angeboten“, sagt sie. Bei ihrer Suche nach einem Ausbildungsplatz fand sie gerade einmal 20 Stellen deutschlandweit.
Nach einem Jahrespraktikum im Malersaal des Schauspielhauses begann sie vor knapp eineinhalb Jahren die Ausbildung zur Theatermalerin. „Ich werde hier komplett mit eingebunden, kann überall mitmachen.“ Neben der Arbeit im Schauspielhaus, besucht sie regelmäßig den Blockunterricht an der Berufsschule Ost in Essen – eine von gerade mal fünf Schulen in ganz Deutschland, die in diesem Fachbereich ausbilden.
Nur alle drei Jahre kann Gudrun Schönbeck-Wach, Leiterin des Malersaals, einen Auszubildenden einstellen. Zwischen 100 und 200 Bewerbungen trudeln dann bei ihr ein. Dass unter den Anwärtern hauptsächlich Frauen sind, verwundert sie manchmal. „Die Arbeit ist auch körperlich sehr anstrengend, wir müssen Farbeimer und Prospekte schleppen.“ In den ersten beiden Jahren der Ausbildung werden bühnenmalerische und bühnenplastische Grundkenntnisse vermittelt, im dritten Jahr Spezialfertigkeiten der beiden Fachrichtungen Malerei oder Plastik vertieft.
Anfangs fiel es Plewka noch schwer, nicht mehr auf einem Blatt Papier, sondern im größeren Format zu malen. Auch mit den speziellen Pinseln richtig umzugehen, musste sie lernen. „Erst war es ungewohnt und ich hatte sogar manchmal Rückenschmerzen, weil ich die Pinsel falsch gehalten habe.“ Doch dann habe sie sich relativ schnell an den Umgang mit den Utensilien und die richtige Körperhaltung gewöhnt. „Wenn man die Pinsel mit den langen Stielen richtig hält, hat man auch einen viel besseren Überblick.“