Bochum. Jürgen Hartmann gehört zu den profiliertesten Schauspielern am Bochumer Theater. Doch auch im TV-„Tatort“ wirkt er mit.

Jürgen Hartmann ist ein Schauspieler, an dem man „hängenbleibt“: hoch gewachsen, präsent, ein Charaktertyp. Seit sechs Jahre gehört er zum Stamm des Schauspielhauses, aber auch Nicht-Theatergängern ist der in Bochum sesshaft gewordene Schwabe bekannt: aus dem Fernsehen, als Gerichtsmediziner Dr. Vogt in den „Tatort“-Folgen aus Stuttgart. „TV und Bühne sind zwei grundverschiedene Arbeitsfelder“, sagt Jürgen Hartmann, „aber ich fühle mich in beiden wohl“.

Schiller als großer Psychologe

Aktuell steht Hartmann (* 1965) in sechs Produktionen auf der Bühne, seine letzte Premiere war „Don Karlos“, im Schiller-Drama spielt er die tragende Rolle des spanischen Königs Philipp II. „Das war fordernd, und es war auch eine neue Annäherung an Schiller“, stellte der Schauspieler fest. Es sei ihm über diese Rolle klar geworden, welch’ großer Psychologe Friedrich Schiller war.

„Philipp II. steht im Zentrum der Macht, er muss weitreichende Entscheidungen treffen. Und er ist sich der Gefahr der Deformierung durch die Macht bewusst“, sagt Hartmann. So einen Charakter nicht nur zu „spielen“, sondern in ihm einzutauchen und ihn für die Dauer der Vorstellung als den eigenen anzunehmen, das ist bekanntlich die große Kunst.

Bedrückende Erfahrung mit der Rolle

In dieser Hinsicht exemplarisch war Hartmanns Auftritt in „Freitag“ von Hugo Claus. Hier spielte er – extrem beklemmend und bitter realitätsnah – einen Mann, der wegen Inzests mit der Tochter im Gefängnis saß und nun in die Familie zurückkehrt. „Das war bedrückend. Anfangs dachte ich: Nein, dieser Rolle kann ich nicht folgen.“

Aber dann konnte er es doch, vertiefte sich in das schwierige Thema negativer Familienstrukturen, um an die Triebfeder und die Motivation zu kommen, die einen Vater zum Sex mit der Tochter treiben und die „jenseits des Bewusstseins liegen“. Das „Herz der Figur“ zu finden, sei die wahre Herausforderung gewesen, sagt Jürgen Hartmann. Und wie findet man selbst wieder ‘raus aus so einer Rolle, wie schließt man jede einzelnen Vorstellung für sich ab? „Schwierig“, sagt der Künstler, „aber letztlich gehört das zur Professionalität“.

„Mal gucken, wo wir landen“

„Leas Hochzeit“, „Gespenster des Kapitals“, Hexenjagd“ und „Stromaufwärts“ (hier ließ Hartmann, der auch eine Clowns-Ausbildung absolviert hat, sein komödiantisches Talent funkeln) sind einige Produktionen, in denen der Künstler mitwirkt und mitgewirkt hat. Vielen ist er auch noch als „Lukas, der Lokomotivführer“ aus der Weihnachtsproduktion 2010/11 in Erinnerung. „Eine tolle Rolle“, denkt Hartmann zurück, „am schönsten war der Moment, in dem der kleine Jim Knopf fragt, wohin die Reise gehen wird. Und Lukas sagt: ,Wir setzen die Segel, und gucken mal, wo wir landen’. Ein guter Satz, er entspricht meiner persönlichen Einstellung.“

Bühnenmensch mit Leib und Seele

Und wohin führt Ihre weitere Reise, Jürgen Hartmann? Der Schauspieler ist mit Anselm Weber nach Bochum gekommen, Weber geht 2017 nach Frankfurt, geht Hartmann mit? – „Ich hab’ mich noch nicht entschieden“, sagt der Schauspieler. Kann sein, dass er auch andere Schwerpunkte setzt. Der Regisseur Jürgen Hartmann wäre sicher eine interessante Option. Warum nicht? Schließlich ist er Bühnenmensch mit Leib und Seele. Und ein Mann mit Profil.