Bochum. . In letzter Zeit haben die Köderversuche von Islamisten zugenommen. Das Projekt „Wegweiser“ versucht, Jugendliche für die Gefahren zu sensibilisieren.

Die Botschaft der Fachleute ist eindeutig: Binnen eines Jahres wird eine deutliche Radikalisierung und Zunahme der Anwerbeversuche junger Menschen durch Islamisten oder den Islamisten nahestehenden Organisationen beobachtet. In Bochum haben solche Aktionen in der Innenstadt etwa auf offener Straße durch Koran-Werber stattgefunden. Jugendliche werden als Brüder und Schwestern angeredet.

Dabei ist der Koran nur Mittel zum Zweck, es geht um eine erste Kontaktaufnahme. Dann heißt es etwa: „Du, komm’ doch mal am Wochenende bei uns vorbei, wir haben da ein Fußballturnier.“ Der SPD-Landtagsabgeordnete Serdar Yüksel setzt sich seit Jahren mit solchen Tendenzen auseinander. Auch er sei schon angesprochen worden: „,Nein, ich bin nicht dein Bruder’, hab ich denen gesagt.“

Jugendliche haben kaum das Rückgrat, sich den schmeichelnden Werbungen zu entziehen. Da werde schnell sozialer Druck aufgebaut, weiß der Politiker, der sich nachdrücklich für ein Verbot dieser „Lies-Kampagnen“ einsetzt. „Für mich sind das Islamo-Faschisten“, findet er deutliche Worte.

Betreute sind zwischen 14 und 18 Jahren alt

Was passiert, wenn ein junger Mann in die Fänge dieser Leute geraten ist, weiß Friederike Müller, Geschäftsführerin des Vereins Ifak. Bei der Ifak ist in Bochum das Landes-Modellprojekt Wegweiser angesiedelt, das es sich seit einem Jahr zur Aufgabe macht, junge Leute vor dem Abdriften in die Radikalisierung zu bewahren. „Derzeit werden von zwei Sozialarbeitern 65 junge Menschen betreut“, so Müller.

Das Alter der Betreuten liege zwischen 14 und 18 Jahren. Vermehrt werden auch junge Frauen angesprochen. Die Zahl scheint hoch, doch aus anderen Städten wie etwa Köln oder Wuppertal werden weitaus höhere Zahlen gemeldet. Meist sind es die Lehrer und zu einem geringen Teil auch Eltern oder Freunde, denen eine Veränderung auffällt.

Ideologie als Protestkultur

Junge Männer lassen sich einen Bart in bestimmter Art und Weise stehen, Mädchen tragen plötzlich ein Kopftuch. Andere zeigen oder schauen sich plötzlich islamistische Gewaltvideos an oder lassen sich nicht mehr von Lehrerinnen etwas sagen. All dies seien Alarmzeichen, die Entschlossenheit erforderten.

Die Kontakte, so wissen die Leute von Wegweiser und bestätigen damit die Einschätzung von Serdar Yüksel, kommen direkt auf der Straße, etwa an den „Lies-Ständen“ oder aber über das Internet und soziale Netzwerke, zustande. Die Antwort auf die Frage, warum junge Menschen solchen Rattenfängern auf den Leim gehen, ist für Friederike Müller verblüffend einfach: „Diese Ideologie bietet alles, was eine Protestkultur bieten muss.“ Es gebe eine bestimmte Musik, Kleidung und eine gehörige Portion Abenteuer, so bitter das heute klingt.