Bochum. . Oberbürgermeister Thomas Eiskirch umreißt seine unmittelbaren Ziele. Seinen VfL Bochum will er weiter von der Ostkurve aus unterstützen.

Termine, Termine, Termine. Bochums neuer Oberbürgermeister ist ein gefragter Mann – und ein Mann, der viele Fragen stellt. Auch einer Einladung der WAZ folgte Thomas Eiskirch (44, SPD). Die WAZ-Redakteure Thomas Schmitt und Michael Weeke sprachen mit dem neuen Chef im Rathaus.

Herr Eiskirch, waren Sie Dienstag beim Pokalsieg des VfL im Stadion?

Thomas Eiskirch: Nein, leider habe ich es nicht geschafft. Zu meinem Leidwesen musste ich arbeiten.

Im Rat kündigten Sie an, den VfL weiter aus der Ostkurve heraus unterstützen zu wollen. Sie hätten vermutlich Zutritt zum VIP-Bereich, oder?

Eiskirch: Wann immer ich künftig Zeit habe, werde ich ins Stadion gehen. Der VfL liegt mir am Herzen. Mein Hobby. Und deswegen will ich auch künftig dort mit den Leuten stehen, mit denen ich bisher dort stand. Seit 20 Jahren in Block O rechts. Ich will mich freuen können wie in letzter Zeit oder, falls erforderlich, schimpfen, wie ich es früher oft machen musste.

Die ersten Tage im Rathaus sind vorbei. Was hat Sie am meisten beeindruckt?

Eiskirch: Die große Bereitschaft der Beschäftigten, sich auf Neues einzulassen. Und ich bin sicher, dass diese authentisch und nicht simuliert ist.

Veränderungen, neue Strukturen, die Sie angekündigt haben, lösen in der Regel Ängste aus. Ist davon im Rathaus nichts zu spüren?

Eiskirch: Das hat im Wesentlichen mit der Art der Ansprache zu tun. Meine Botschaft lautet: Ich will euch mitnehmen und nicht, dass ihr auf der Strecke bleibt. Es ist aber auch wichtig, Veränderungen im Diskurs mit den Mitarbeitern zu erarbeiten. Dazu führe ich derzeit in enger Taktung Gespräche. Kommunikation ist mir wichtig. Wir werden daher sehr schnell ein Format finden, das garantiert, dass die Führungskräfte stets erfahren, was im Verwaltungsvorstand entschieden wird.

Gibt es einen Zeitplan?

Eiskirch: Im Frühjahr will ich mit allen organisatorischen Veränderungsprozessen „ready to go“ sein. So viel Zeit will ich mir nehmen. Das heißt aber nicht, dass sich bis dahin nichts ändert.

Stadträtin Collisi scheidet Ende November aus. Wird die Stelle ausgeschrieben? Und wenn ja: Soll die CDU als größte Oppositionspartei wieder an den Verwaltungsvorstand angebunden werden?

Eiskirch: In der nächsten Ratssitzung wird es eine Mitteilung geben, die die Vertretungen regelt und die grob den Zuschnitt der Dezernatskreise beschreibt.

Was ist mit der offenen Stelle?

Eiskirch: Auch das wird in diesem Zuge deutlich werden.

Ist es denkbar, dass die Stelle gar nicht ausgeschrieben wird?

Eiskirch: Wir arbeiten gerade an einer Vorlage, aus der man erkennen kann, wo wir hin wollen.

Die Mehrkosten beim Musikforum, möglicherweise zwei Millionen Euro, und die erneute Verschiebung der Eröffnung waren auf Ihrer ersten Ratssitzung ein brisantes Thema. Aber nicht-öffentlich. Wie bewerten Sie das?

Eiskirch: Die Situation ist richtig blöd und stellt uns nicht zufrieden. Die konkreten Auswirkungen können wir aber noch nicht beurteilen. Sobald wir das können, wird es darüber eine transparente Information geben. Klar ist auch, dass ich mir nach dieser Ratssitzung die Trennschärfe zwischen öffentlichen und nicht-öffentlichen Punkten persönlich noch einmal angucken werde.

Sozialer Wohnungsbau soll wieder eine Rolle spielen 

Die Neuaufstellung der Wirtschaftsförderung war Ihnen als SPD-Parteichef ein wichtiges Anliegen. Jetzt soll noch ein neuer Name her: Wirtschaftsentwicklungsgesellschaft. Was soll das bringen?

Eiskirch: Wir können dank der verschlankten Organisationsstruktur die erforderlichen Aufgaben nun aus einer Hand anbieten. Wir werden uns künftig um die Bestandskunden in einer ganz neuen Qualität kümmern und uns inhaltlich stärker fokussieren auf die Themen Gesundheitswirtschaft, Industrieproduktion, wissens-basierte Unternehmen und Gründer. Die Opel-Flächen, deren inhaltliche Struktur feststeht, müssen schnell entwickelt werden. Ich habe im Interview mit Radio Bochum gesagt: Wir müssen bei den Investoren erreichen, dass sie mit den Füßen scharren, dass sie geil auf diese Fläche werden.

Im Rat haben Sie zum Thema Wohnungsbau gesagt, man müsse den Umgang mit Freiraum überdenken. Wollen Sie künftig verstärkt grüne Wiesen als Baugebiete ausweisen?

Eiskirch: Ich habe von Frei- und Siedlungsraum gesprochen, das hängt zusammen. Ich finde, wir sollten das landesweite Prinzip vom Flächentausch auch in Bochum umsetzen und uns ein Konzept überlegen, das es ermöglicht, auf der einen Seite Freiraum als Siedlungsraum zu nutzen und auf der anderen Seite Flächen des Siedlungsraumes als Freiraum in höherer Qualität zurückzugeben.

Die Zeit drängt. Bochum hat beim Thema Wohnungsbau großen Nachholbedarf . . .

Eiskirch: Ja, das stimmt. Das gilt sowohl für den sozialen Wohnungsbau beziehungsweise die Schaffung von günstigem Wohnraum als auch für hochwertige Angebote. Ich möchte, dass diejenigen, die in Bochum Verantwortung übernehmen, hier wohnen und nicht nach Witten, Hattingen, Herne oder Castrop-Rauxel abwandern. Denn jeder, der hier wohnt, zahlt hier Einkommenssteuer. Eine Menge Schotter, die wir in die soziale Infrastruktur stecken können.

Setzen sie beim Sozialen Wohnungsbau auf die VBW?

Eiskirch: Es gibt kaum eine Stadt, bei der die Neubauquote so schlecht ist wie in Bochum. Stadtbaurat Markus Bradtke und ich haben es uns auf die Fahne geschrieben, dass sich das ändert. Wir werden Vorschläge machen, mit welchen Instrumenten man den Markt aktivieren kann. Dabei setzen wir natürlich auch auf die VBW.

Oberbürgermeister will Eindrücke in den Stadtteilen sammeln 

Beim Thema Mobilität setzen Sie auf Angebote für alle Verkehrsteilnehmer. Wo stehen Sie in der Diskussion zum geplanten Rückbau der Königsallee?

Eiskirch: Wir werden nach einer Verkehrszählung auf Basis von Zahlen nach Lösungen suchen, die allen Verkehrsträgern ihrer Bedeutung gemäß angemessen Rechnung tragen. Vorfestlegungen machen weder in die eine noch in die andere Richtung Sinn. Wir benötigen Lösungen, die der Sache dienen und nicht der eigenen Ideologie.

Sie wollen gemeinsam mit dem Verwaltungsvorstand die Bezirke besuchen. Warum?

Eiskirch: Weil das, was vor Ort passiert, neben dem über den Tellerrand gucken, das wichtigste für mich ist. Wir gehen raus, heißt nicht, wir tagen nur in der Bezirksverwaltungsstelle, sondern wir schauen uns konkrete Dinge vor Ort an, damit wir gemeinsame Eindrücke haben, bevor Entscheidungen fallen. Das wird eine Reihe im kommenden Jahr sein und wir werden in Wattenscheid starten.

Die Grundsteuererhöhung ist vom Tisch, sagen Sie. Wie wollen Sie das gegenfinanzieren?

Eiskirch: Wir sind dabei, uns vertieft Gedanken zu machen. In den nächsten zwei, drei Wochen werden wir konkrete Vorschläge präsentieren. Wir werden auch den Einstieg in die strategische Haushaltskonsolidierung machen, um neue Gestaltungsspielräume ab 2017 zu schaffen.

Hatten Sie nicht genug Zeit für vertiefte Gedanken? Der Vorschlag des Kämmerers zur Steuererhöhung stammt aus dem Frühjahr.

Eiskirch: Ich bin jetzt knapp zehn Tage im Amt. Und es gibt bestimmte Abläufe, in denen man Dinge kommuniziert.

Kommunikation ist auch beim Thema Flüchtlinge sehr wichtig. Es gibt Bürger, die sich ängstigen.

Eiskirch: Wir müssen die besondere Willkommenskultur in Bochum schützen – und zwar vor zwei Dingen. Zum einen vor Rechtsradikalität, und das ganz eindeutig. Das klappt in Bochum super. Und zum anderen davor, dass aus der Mitte der Gesellschaft heraus die Vorbehalte nicht stärker werden. Bis jetzt sind es Ängste. Unsere Aufgabe ist es, jedem deutlich zu machen: Wir kümmern uns um Flüchtlinge, aber nicht nur. Wir sehen und vertreten die Interessen aller Bochumer Bürgerinnen und Bürger.