Bochum. . Bis 2010 gab es auf den städtischen Anlagen 20.000 Urnen, nun sind es 30.000. Einen Grund dafür sieht ein Bestatter in den hohen Gebühren der Stadt.
Wenn am nächsten Sonntag zu Allerheiligen tausende Menschen auf die Friedhöfe gehen, werden sie an immer mehr Urnengräbern vorbeilaufen. Der Trend weg von der Sarg- und hin zur Feuerbestattung hat sich enorm verfestigt.
Vor fünf Jahren gab es auf den 24 Bochumer Kommunalfriedhöfen noch rund 20.000 Urnengräber. Jetzt sind es 30.000. Das spüren auch die Bestatter. Sie halten insgesamt nicht mehr so viele Särge vorrätig wie früher, jedenfalls nicht mehr sehr hochwertige, weil die Nachfrage fehlt.
Verhältnis umgedreht
In den letzten 20 Jahren hat sich das Verhältnis zwischen Erd- und Feuerbestattung fast genau umgedreht: 1994 gab es auf den städtischen Friedhöfen 2701 Sargbeisetzungen (74 Prozent) und 957 Urnenbeisetzungen (26 Prozent). Im Jahr 2014 lagen die Zahlen bei 829 Sargbestattungen (27 Prozent) und 2202 Urnenbestattungen (73 Prozent). Allein im Krematorium auf dem Hauptfriedhof, das auch auswärtige Aufträge annimmt, wurden im vergangenen Jahr 4500 Leichen eingeäschert. In Bochum sterben jedes Jahr zwischen 4300 und 4500 Menschen.
Als einen Grund für den starken Trend hin zur Feuerbestattung vermutet der Bochumer Bestatter Carsten Spiekermann die hohen Gebühren in Bochum, eine der teuersten Städte auf diesem Gebiet. Ein pflegefreies Urnenwiesengrab kostet in Bochum 1920 Euro, ein pflegefreies Rasengrab mit einem Sarg aber 2970 Euro.
In Essen zum Beispiel liegen diese Gebühren bei 1250 Euro für die Urne beziehungsweise 1800 Euro für den Sarg.
Bestattungskultur im Wandel
Peter Dittert, bei der Stadt für die Friedhöfe zuständig, sieht einen weiteren Grund in gesamtgesellschaftlichen Veränderungen: Viele würden aus beruflichen Gründen wegziehen – und eine Grabpflege erfordert Geld, Zeit und Nähe. Nicht von ungefähr ist die häufigste Grabform bei Urnen die anonyme.
Weniger Einnahmen und Friedhofsflächen
Durch den Trend hin zur Urne hat nicht nur die Sargindustrie, sondern auch die Stadt weniger Einnahmen. „Längerfristig planen wir, weniger Friedhofsflächen vorzuhalten“, so die Stadt.
Gleichzeitig werden Kolumbarien (mehrstöckige Grabkammern für Urnen) ausgebaut. „Wir möchten 2016 in Werne ein Kolumbarium errichten“, sagt Peter Dittert von der Stadt. Zudem werden bereits bestehende Kolumbarien noch erweitert – in Höntrop, am Hauptfriedhof und in Weitmar an der Heinrich-König-Straße. Noch in diesem Jahr werden die Bauarbeiten in Auftrag gegeben, 2016 dann begonnen.
„Unsere Bestattungskultur ist im Wandel“, sagt Hans-Gerd Frerix, Vorsitzender des Bochumer Bestatterverbandes, wo 21 der gut 40 Betriebe organisiert sind. Sein Betrieb „Backs + Förster“ stellt sechs Sargmodelle aus – aber ein Vielfaches an Urnen. Er berichtet, dass erst vor kurzem ein großer auswärtiger Sarghersteller insolvent wurde. Zwar werden weiter viele Särge benötigt, weil die Leichen nur im Sarg verbrannt werden, aber die Modelle sind dann nicht mehr so hochwertig. „Die Anzahl der ausgestellten Eichensärge in den Betrieben ist zurückgegangen“, vermutet Frerix. Die sinkende Nachfrage nach edlen Särgen öffnet Raum für Besonderheiten. Bestatter Spiekermann bietet einen Sarg mit VfL-Bochum-Dekor und eine Urne mit Stadion-Schriftzug an. Mehrfach habe er das verkauft, sagt er.
Durch den Trend hin zur Urne hat nicht nur die Sargindustrie, sondern auch die Stadt weniger Einnahmen. „Längerfristig planen wir, weniger Friedhofsflächen vorzuhalten“, teilte die Stadt mit. Die günstigste Bestattungsart ist übrigens die anonyme Sammelbestattung. Sie kostet 438 Euro. Dabei erfahren die Angehörigen aber weder an welcher Stelle noch an welchem Datum die Beisetzung erfolgt.