Bochum. Weniger Flächen und noch mehr Bestattungsangebote. Damit will die Stadt im Wettbewerbmit anderen Friedhofsträgern bestehen.

Es gibt Spitzenplätze, auf die sich gut verzichten lässt. Schon lange gehört Bochum zu den Städten mit den höchsten Friedhofsgebühren in Deutschland.

Die Gebühren werden im nächsten Jahr zwar voraussichtlich nicht noch weiter steigen. Doch ein 50-prozentiger Flächenüberhang, hohe Pflegekosten für 1 106 000 Quadratmeter Gräberfelder (Stand 2013) und 837 000 qm Grünflächen, eine sich wandelnde Bestattungskultur und ein starker Wettbewerb mit anderen Friedhofsträgern bringen die Stadt unter Zugzwang

„Ohne eine umfassende Neustrukturierung des Friedhofswesens würden diese Trends die Kostensituation enorm verschlechtern“, sagt Gerd Werdelmann, Leiter der Technischen Betriebs. Will sagen: Es würde noch teurer werden. „Dabei müssten die Gebühren tendenziell gesenkt werden“, so Werdelmann. Es gehe nun um die Frage, welche Trauerhallen und welche Standards nötig sind, und auch um neue Bestattungsangebote.

Externe Hilfe

Mit externer Hilfe soll ein Friedhofsentwicklungskonzept auf den Weg gebracht werden. Eine Ausschreibung ist auf den Weg gebracht. Erwartet wird eine „umfassende Schwachstellenanalyse zur Struktur und zum Ressourceneinsatz des Friedhofswesens“ sowie ein „Maßnahmenkonzept, mit dessen Umsetzung eine Verbesserung der wirtschaftlichen Situation erreicht werden kann“. Und auch in Sachen Umsetzung erwartet die Stadt Unterstützung; nämlich Vorschläge, „mit dessen Hilfe die Kommunikation, Akzeptanz und Umsetzung der vorgeschlagenen Maßnahmen erreicht werden kann“.

26 kommunale Friedhöfe mit etwa 124 000 Gräbern

Von den 26 kommunalen Friedhöfen mit ihren fast 124 000 Gräbern (Stand 2013) sind sieben geschlossen (Laer, Kortumpark, Linden, Hamme, Leithe, Günnigfeld, Weitmar/Schloßstraße). Dort darf nur noch im Rahmen vorhandener Rechte und zur Ehegattenzusammenführung bestattet werden. Neue Grabstellen werden nicht mehr vergeben.

Für alle Friedhöfe (ohne Bereich Mitte) wurden 2013 ermittelt, wie groß die nicht mehr benötigen Flächen sind: Zone 0 (sofort verfügbar) umfasst 14,42 Hektar; Zone 1 (bis 2020) 10,10 Hektar; Zone II (2021 bis 2040) 28,74 Hektar; Zone III (2041 bis 2070) 23,34 Hektar und Zone IV (2071 bis 2082) 6,89 Hektar.

Denn: Das Friedhofswesen ist eine sensible Angelegenheit. Nicht nur aus Gründen der Pietät, die etwa bei der Frage von Folgenutzungen eine Rolle spielt, weil Friedhöfe gerade in Großstädten immer stärker auch als Parks verstanden und genutzt werden, sondern auch aus wirtschaftlichen Gründen. „Es hängen viele Existenzen an diesen Entscheidungen“, sagt Gerd Werdelmann. Bestatter, Gärtner, Steinmetze, sie alle wären von Veränderungen betroffen.

Die externe Beratung soll helfen, eine optimale Lösung zu finden. „Wir wollen auch Erkenntnisse anderer Träger und die Erfahrung bundesweit tätiger Büros in unsere Überlegungen einbeziehen“, sagt der Leiter des Technischen Betriebs. So soll Mitte 2016 ein stimmiges Konzept vorliegen und spätestens ein Jähr später nach dem Gang durch die politischen Gremien umgesetzt werden. Fertiggestellt sein wird dann auch das neue zentrale Gebäude für die Friedhofsunterhaltung auf dem Gelände des Hauptfriedhofs.

Es ersetzt die vielen kleinen Betriebshöfe der einzelnen Friedhöfe und soll für einen effizienteren Einsatz der mittlerweile schon von 108 auf 90 Mitarbeiter geschrumpften Belegschaft sorgen. Außerdem werden dort auch alle Maschinen untergebracht. Die Verwaltung verspricht sich davon eine weitere Einsparung von zehn Stellen.

Lückenfelder sind teuer

Ein Rundgang mit Peter Dittert über den weitläufigen, 54 Hektar großen Hauptfriedhof offenbart das Problem der Überdimensionierung, mit dem Bochum nicht allein dasteht. Weite ungenutzte Flächen werden sichtbar. Immer wieder zeigt der für die Friedhöfe zuständige Sachgebietsleiter auf ausgedünnte Flächen mit einzelnen Gräbern. „Die waren mal alle belegt“, sagt er.

Längst tun sich aber große Lücken auf, die von sinkenden Bestattungszahlen und damit schwindenden Einnahmen, aber auch von wachsenden Kosten zeugen. Überzählige große Flächen ohne Gräber zu pflegen, das ist mit Maschineneinsatz noch halbwegs wirtschaftlich möglich. „Lückenfelder“ müssen zeitintensiver, mit kleineren oder ohne Maschinen betrieben werden. Und das geht ins Geld. Schon jetzt machen die Personalkosten fast 60 Prozent der Kosten des Bestattungswesens aus.

Neue Bestattungsformen anbieten

Nicht nur der Trend zur Urnenbestattung nimmt zu. Es wächst auch der Anteil der Personen, die in einem Kolumbarium und nicht in der Erde ihre letzte Ruhe finden. Auf sechs Bochumer Friedhöfen gibt es solche Grabkammern. Auf dem Hauptfriedhof, wo bereits 534 Urnen in Grabkammern stehen, werden weitere eingerichtet.

Neben städtischen Friedhöfen gibt es zehn evangelische und vier katholische Friedhöfe auf dem Stadtgebiet sowie die Grabeskirche St. Pius in Wattenscheid.

„Wir müssen uns darauf einstellen, dass es unterschiedliche Bedürfnisse gibt“, sagt Sachgebietsleiter Roland Wrobel zur Entwicklung der Friedhofskultur. Deshalb gehe es darum, weitere Angebote vorzulegen. Das könnten halbanonyme Bestattungen, Bestattungslandschaften oder naturnahe Bestattungsformen wie die Baumbestattung sein.

Nicht mehr benötigte Friedhofsflächen ließen sich zu Park- und Grünanlagen umbauen oder als Kompensationsflächen nutzen.

Daher soll die Friedhofsfläche von 220 Hektar etwa halbiert werden, um die Kosten für den Unterhalt deutlich zu senken. Zumal in der Vergangenheit nicht nur zu viel Platz vorgehalten, sondern mittlerweile auch viele Gräber vorzeitig zurückgegeben werden, allein im Vorjahr etwa 1000, und durch die veränderte Bestattungskultur ohnehin weniger Raum benötigt wird.

Das Verhältnis von Sarg- zu Urnenbestattung hat sich gedreht: Wurden in Bochum 1993 von 3791 Verstorbenen noch 2938 im Sarg beerdigt (77,42 Prozent) und 856 in einer Urne (22,58), waren es 2012 nur noch 947 Särge (29,37), aber 2277 Urnen (70,63). Dieses „Kernproblem des Flächenüberhangs“, wie es heißt, wird sich nach Einschätzung der Verwaltung noch verstärken.