Bochum. Statt in den Unterricht zu gehen, packen acht Bochumer Förderschüler mehrere Monate lang auf einem Mensch-Tier-Begegnungshof in Grumme mit an.
Das Schulprojekt beginnt erst einmal mit Ferien. Das ist ungewöhnlich, passt aber auch gut zur Projektmaßnahme Bauernhof. Denn auch sie ist anders als übliches Schulleben. Zu einem Grillfest hat Diplom-Heilpädagogin Angelika Tillmann-König acht Schülerinnen und Schüler der Mansfeld-Schule kurz vor den Herbstferien auf ihren Mensch-Tier-Begegnungshof am Tippelsberg in Grumme eingeladen. Es ging ums Kennenlernen, um einen ersten Kontakt und darum, den Mädchen und Jungen einen Eindruck davon zu geben, wie es nach den Ferien für sie weiter geht.
Bis zum Ende des Schuljahres werden sie nicht mehr die Schulbank drücken, sondern jeden Tag auf den Bauernhof gehen. Sie werden sich in maximal 30 Wochenstunden in handwerklichen Aufgaben üben, sich mit Garten- und Landwirtschaftsbau beschäftigen, Hausarbeit erledigen oder Einblicke in die EDV bekommen. „Die Idee des Projekts ist es, Schule anders zu machen“, erklärt Michael Saul, Rektor der Mansfeld-Schule in Langendreer. Anders zu machen für Kinder und Jugendliche, die bislang den Unterricht massiv gestört haben, eigen- und fremdgefährdend sind und bei denen selbst bei einer Eins-zu-Eins-Betreuung im Unterricht kein dauerhafter Erfolg zu sehen ist.
Neue Wege für Härtefälle erproben
Etwa 20 Prozent aller Jugendlichen leidet unter seelischen Erkrankungen, heißt es in einer Studie des Robert-Koch-Instituts. Und die Tendenz ist steigend. 75 Kinder und Jugendliche mit dem Schwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung werden derzeit in der Mansfeld-Schule von einem Team aus Sozialpädagogen und Sozialarbeitern unterrichtet. „Wir haben Schüler mit extremen Ausprägungen, extremen Depressionen oder extremen Aggressionserfahrungen“, sagt Michel Saul. Und: „Der Kern unserer Arbeit basiert auf der Annahme, wenn eine Beziehung nicht funktioniert, kann nichts Vernünftiges dabei herauskommen.“
Beziehungen aufzubauen sei das A & O. Weil das aber bei sozial, seelisch oder psychisch betroffenen Schülern zunehmend schwerer werde und sich immer mehr von ihnen noch vor dem Ende der Schulpflicht aus intensiven Förderbemühungen des Jugendamts entziehen, müssten neue Wege erprobt werden, um den Schwierigsten eine „Chance auf eine Chance“ zu geben. So wie beim „Projekt Bauernhof“.
Stadt Bochum steuert bis Juli kommenden Jahres 14.000 Euro bei
Der „andere Lernort“, der Tier-Mensch-Begegnungshof, ist eine 2008 gegründete heilpädagogische Einrichtung, die bislang schon Kooperationspartner der Mansfeld-Schule war. „Jetzt mieten wir uns auf dem Hof ein, um dort mit unserem Personal zu arbeiten“, sagt Schulleiter Saul.
Dafür stellt die Schule künftig eine Sonderpädagogin und eine Schulsozialarbeiterin ab, auch der Rektor selbst wird stundenweise vor Ort sein. Wissenschaftlich begleitet werden soll das Pilotprojekt durch Prof. Dr. Johannes Mand von der Evangelischen Fachhochschule.
Einstimmig angenommen hat der Jugendhilfeausschuss die Maßnahme. 1500 Euro wendet die Stadt nun von Oktober an monatlich für das Projekt auf, die Gesamtkosten bis Juli 2016 betragen 14.000 Euro.
Eine vergleichsweise günstige Maßnahme. Denn: „Regelmäßig ist festzustellen, dass Schülerinnen und Schüler, die an der Mansfeld-Schule scheitern, zu teuren Einzelfällen in der stationären Jugendhilfe werden“, heißt es in einer Vorlage der Stadtverwaltung.