Bochum. . Der von einem Sesselwurf sehr schwer verletzte Mussa (6) macht eine Reit-Therapie in Wattenscheid - mit Erfolg. Doch die Finanzierung ist in Gefahr.
Wenn der sechsjährige Mussa einmal in der Woche zu „Karlchen“ fährt, einem seiner besten Freunde, dann strahlen seine Augen. Karlchen ist ein Hengst, der dem Jungen aus Bochum hilft, wieder in ein relativ normales Leben zurückzukehren. Im Mai 2013 hatte er in Dahlhausen aus einer Höhe von 11,5 Metern einen 40 Kilo schweren Sessel auf den Kopf bekommen, den ein Hilfsarbeiter (24) beim Entrümpeln einer Nachbarwohnung unkontrolliert aus dem Fenster geworfen hatte. Mussa hatte damals in einem Hof Fußball gespielt.
Damals schwebte der Junge mit schwersten Kopfverletzungen in akuter Lebensgefahr. Mehrere Operationen haben ihm das Leben gerettet, aber körperlich, geistig und seelisch leidet er bis heute enorm. Deshalb finanziert ihm die Opferschutz-Organisation „Weißer Ring“ seit November eine Reit-Therapie auf dem „Spelberghof“ in Wattenscheid, ein „integrativer Reitbetrieb“, der zum Essener „Franz Sales Haus“ gehört, eine Einrichtung für Menschen mit Behinderungen.
Als Mussa erstmals dorthin kam, soll er noch schüchtern, zurückhaltend und unruhig gewesen sein. Das traumatische Unglück hatte große Ängste ausgelöst, die ihn bis heute quälen, die Angst etwa, dass ihm ein Schrank auf den Kopf fällt. Mussa spricht über das alles nicht. Außer mit Karlchen: Ihm und nur ihm vertraut er seine Geheimnisse an.
„Er ist seelisch ruhiger und ausgeglichener geworden“
„Er hat eine ganz starke Bindung zu Karlchen“, sagt Dr. Maria del Pilar Andrino, die Leiterin der Therapie. „Das Pferd fragt nicht, lässt ihn so stehen wie er ist als Kind - und behält seine Geheimnisse.“ Dahinter steckt die Hoffnung: Wenn Mussa sich jetzt bereits dem Pferd gegenüber öffnet, wird er sich vielleicht auch bald den Menschen wieder mehr anvertrauen, was für seine weitere Gesundung enorm wichtig ist. „Er ist seelisch ruhiger und ausgeglichener geworden“, stellt Dr. Andrino mittlerweile fest.
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Aber auch rein körperlich macht die Reit-Therapie Fortschritte. Denn Mussa, der wegen des Sesselwurfs auch unter Lähmungen an einem Arm und Bein leidet, ist auf dem Pferd gezwungen, diese Körperteile gezielt einzusetzen, um das Gleichgewicht zu halten. Auch die Koordination wird so geschult.
Bis Mai ist die Reit-Therapie finanziert. Danach ist alles offen. Das Landgericht hatte im vorigen Juni zwar den Sesselwerfer und den damaligen Inhaber (52) der Wohnung zu 130.000 Euro Schmerzensgeld verurteilt (neben Bewährungssstrafen), aber das Urteil ist bis heute nicht rechtskräftig, weil der 52-Jährige in Revision gegangen ist. Also erhielten Mussa und seine Eltern bisher keinen einzigen Cent.
Hengst „Karlchen" hilft Mussa