Bochum. Edle Hölzer und Furniere aus Bochum werden im Schiffs-, Flugzeug- oder Klavierbau verwendet.Das Motto der Hans Hahn GmbH: „Luxus aus einem Stamm“.
Die Vierhausstraße in Grumme ist vom Meer so weit entfernt wie der VfL Bochum vom Gewinn der Champions League. Aber hinter den Hausnummern 90-110 verbirgt sich viel mehr maritime Nähe als es auf den ersten Blick den Anschein hat. Der Schiffsbau ist mittlerweile Hauptabnehmer der dort ansässigen Hans-Hahn-Furnier- und Edelholzproduktion GmbH.
Welche Art von Schiffen mit den hauchdünn geschnittenen Blättern aus Echtholz ausgestattet werden, lässt sich schnell beim Blick auf das Motto des Familienunternehmens erahnen. „Luxus aus einem Stamm“ hat es sich auf die Fahnen geschrieben. Dass Geschäftsführerin Patricia Andrew, die Tochter des Firmengründers Hans Hahn, unlängst die Monaco-Yacht-Show besucht hat, kommt nicht von ungefähr. Da, wo die maritimen Träume der Reichen und Schönen dieser Welt präsentiert werden, hat die 47-Jährige sondiert und verhandelt.
„Das Ambiente dort ist wirklich schick“, sagt Andrew. Allerdings hatte sie dafür nur wenige Blicke. Denn sie hat nach wie vor jede Menge damit zu tun, das Unternehmen in eine vielversprechende Zukunft zu führen. „Wir waren im Vorjahr in einer schwierigen Lage“, sagt sie.
Die Branche schrumpft
Die Branche hat nämlich schon bessere Zeiten gesehen. Das Marktvolumen ist nach Angaben der Initiative Furnier + Natur von einst 300 Millionen Euro in Deutschland auf knapp 65 Millionen Euro (2013) geschrumpft. „Vier von einst 20 Produzenten hochwertiger Furniere sind nur noch am Markt“, so Andrew. Dazu gehört auch das von ihrem Vater Hans Hahn 1965 in Bochum gegründete Unternehmen.
MEIN JOB: Holzeinkäufer
Von Seniorchef Hans Hahn, dem „Holzwurm“ im Unternehmen, wurde Adam Heiduczek in die Kunst des Holzeinkaufs eingeführt. Mit ihm ist er in der Einkaufssaison von November bis März auf der Suche nach den besten Hölzern. „30.000 bis 50.000 Kilometer kommen da pro Saison zusammen“, sagt der 26-jährige Groß- und Einzelhandelskaufmann.
Was einen guten Einkäufer ausmacht? „Auf jeden Fall die Liebe zum Material. Bei Kälte, Schnee und Eis im nassen Wald zu stehen, ist nicht unbedingt das schönste. Aber das richtige Holz zu suchen und zu finden, ist ein wichtiger Punkt. Auch ein gutes dreidimensionales Verständnis ist wichtig, ich muss aus einem runden Stamm mein Furnier kreieren. Wenn ich einen Stamm sehe, muss ich ihn in Gedanken drehen, wenden, auftrennen und muss eine Vorstellung davon haben, was ich daraus machen kann.“
Und wie tickt ihr Unternehmen? „Es ist sehr jung, sehr flexibel und sehr ideenreich.“
Hochwertige Furniere sind die Spezialität der Familienfirma aus Grumme, deren Wurzeln in Hessen liegen und die über Lagerkapazitäten von 10 000 Quadratmeter verfügen. Auf dem Hof stapeln sich die sorgsam geschnittenen und penibel gelagerten Hölzer, in der zweistöckigen Lagerhalle liegt nicht minder säuberlich geschichtet das edle Furnier. Mit gelben Tüchern wird es vor Lichteinfall geschützt. Die Sonne würde die Farbe verändern. Und das wiederum würde die anspruchsvolle Kundschaft nicht mögen. Schiffs- und Flugzeugbauer, Klavierbauer wie der Edelproduzent Steinway, Innenarchitekten und neuerdings auch Caravan-Hersteller gehören zu den Abnehmern der Firma Hans Hahn. Dabei geht es nicht um Massenware, sondern um individuelle Anfertigungen.
Das Geschäft ist nicht nur anspruchsvoll, weil Auswahl und Behandlung des richtigen Holzes viel Kenntnis und Fingerspitzengefühl verlangt. Es ist vor allem investitionsintensiv. Monatelang fahren Hans Hahn und Einkäufer Adam Heiduczek in die größten Waldgebiete Deutschlands, Österreichs und der Schweiz und versuchen das beste Holz zu ersteigern. Das wiederum muss dann erst jahrelang liegen und trocknen, muss die Feuchtigkeit von bis zu 60 Prozent auf neun Prozent reduziert werden, ohne dass das Holz reißt. Das alles kostet. Der Preis für einen Kubikmeter Teakholz etwa pendelt zwischen 5200 und 5500 Euro. Und das Holz liegt jahrelang erst einmal nur herum, bis es sich rechnet. Gebundenes Kapital. „Banken mögen so etwas nicht“, sagt Patricia Andrew.
Nicht zuletzt deshalb stapeln sich auf dem Hof nicht mehr so viele Hölzer wie früher. Das macht die Aufgabe, Absatzchancen Jahre im voraus zu beurteilen noch mal schwieriger. „Man muss über einen langen Zeitraum planen“, sagt Lagerleiter Ingo Löffler (52). „Und es dauert ziemlich lange, bis man mit dem eingekauften Holz Geld verdient“, ergänzt Einkäufer Adam Heiduczek (26). Beide gehören zur 18-köpfigen Crew, auf deren Kompetenz Patricia Andrew voll und ganz vertraut. Zumal ihr die Branche fremd war, als sie vor einem Jahr ins Unternehmen kam. Das hat sich schnell geändert. Aber ein „Holzwurm“, wie ihr Vater es sei und wie es Einkäufer Adam Heiduczek zu werden scheint, werde sie nicht.
Neue Produkte für einen sich wandelnden Markt
Eine „Herzensangelegenheit“ nennt Patricia Andrew ihren Einstieg in den väterlichen Betrieb. Wobei es genauso gut ein mütterlicher Betrieb ist. „Meine Mutter Rosemarie ist mein großes Vorbild als Unternehmerin, ich habe zu ihr aufgeschaut. Ich bin auch in das Unternehmen eingestiegen, um das Lebenswerk meiner Eltern weiter zu führen und auch zu retten.“
Die 47-Jährige hat schnell gemerkt, dass sich der Markt gewandelt und sich Holz Hahn ebenfalls wandeln muss. Ein neuer Internetauftritt, neues Marketing, neue Kunden und nicht zuletzt neue Produkte sollen der Schlüssel zum Erfolg sein. „Ich setze darauf, dass die Leute die Wertigkeit von natürlichem Holz wieder schätzen“, so Andrew. Und sie ist überzeugt von einer zündenden Idee: Exklusiv für den deutschen Markt hat sie einen niederländischen Furnierplattenhersteller gewinnen können. „Damit schaffen wir es.“
Der indes produziere keine Massenware, sondern individuelle Platten nach den Wünschen des Kunden. Er sucht Furnier und Trägerplatte in Bochum aus und erhält seine buchstäblich einzigartigen Furnierplatten. „Das kann kein anderer“, schwärmt Patricia Andrew, die außerdem auf den Vertrieb von Parkett eines österreichischen Herstellers setzt und nun noch ein drittes Standbein sucht, auf dem das Unternehmen stehen soll. Und sie sagt voraus: „Die Branche wird noch von mir hören.“
Umtriebigkeit ist eine ihrer hervorstechenden Eigenschaften. Nach dem Sportstudium in Lübeck hat sie in der Schweiz, in Frankreich und in Kenia gelebt, hat nach ihrer Rückkehr nach Bochum erst ein Fitness- und Gesundheitsstudio eröffnet und später nach dessen Verkauf ein Unternehmen gegründet, das sich mit der Gesundheitsprävention für Kinder beschäftigt. „Ich liebe es zu arbeiten und Sachen zu bewegen“, sagt die 47-Jährige, die sich dabei aber keinesfalls als Einzelkämpferin versteht. „Ich habe hier ein tolles Team.“ Und das brauche es auch, um das Unternehmen zu neuer Blüte zu führen.