Bochum. Die neuen Medien bieten eine unendliche Bandbreite an Möglichkeiten. Der Zugang ist kinderleicht. Deshalb sind Eltern mehr denn je gefragt.

Cybermobbing wird ein immer größeres Thema, und das nicht erst, seit sich die 15 Jahre junge Kanadierin Amanda Todd deswegen das Leben nahm. Gleichzeitig werden die Nutzer von Facebook und Whatsapp immer jünger. Der Polizei sind in diesem Fall die Hände gebunden. Unter 14 Jahren sind die Täter strafunmündig. Hilfe in Bochum verspricht sich ein Zusammenschluss aus Polizei, Pro Familia und „inechtzeit“ von Präventionsmaßnahmen, die am vergangenen Donnerstag im Rathaus Lehrern, Erziehern und Eltern vorgestellt wurden. Vorbeugung nützt nicht nur bei Mobbing, sondern auch bei Sexting (sexuell anspielendes Chatten), genereller Übernutzung und Fehlkonsum.

Jörg Syllwasschy von Pro Familia sieht ein Problem in der kinderleichten Zugänglichkeit. Früher hätte man noch allen Mut aufbringen müssen, um in einen Sex-Shop zu gehen oder ein pikantes Heftchen zu kaufen. „Das Internet bietet die Möglichkeit, an alle Inhalte barrierefrei heranzukommen.“ Der von früher bekannten Scham beim Kauf müsse sich der Heranwachsende nicht mehr stellen. „Diese damals wichtigen Schwellen sind entfallen.“

„Kaum noch Interaktion in der Bahn“

Mit der Zunahme des unbeschränkten Angebots wächst die Verantwortung der Eltern. „Ein großer Teil ist damit überfordert, weil sich die Technik so schnell entwickelt. Deshalb muss man als Eltern immer am Ball bleiben“, sagt André Frohnenberg von der Fachstelle Suchtberatung. Zum Themennachmittag im Rathaus rief die Allianz aus Polizei und Sucht- und Sexualberatung deshalb Lehrer, Eltern und all diejenigen auf, die mit Jugendlichen arbeiten. Ihre Empfehlung: Frühzeitig müssen sie ein Auge auf das Nutzungsverhalten werfen. Laut einer U9-Studie benutzen 80 Prozent der Achtjährigen gelegentlich das Internet, selbst zehn Prozent der Dreijährigen sind mit den neuen Medien bekannt. Eltern hinken meist hinterher und leiden unter einem gewissen Kompetenz-Problem, weil sich Kinder selbst schlau machen können. Dabei können sie den Kindern etwas entscheidendes beibringen.

Alternativen schaffen statt generelle Verbote

Ein Medien-Verbot kann sich ungünstig auswirken. Kinder können neidisch auf ihre Altersgenossen werden, die diesen Regeln nicht folgen müssen. Jörg Syllwasschy empfiehlt einen „bunten Laden.“ Eltern gestatten sämtliche Nutzungen, aber teilen die Dauer ein. Wichtig sei, Alternativen zu schaffen, die einen hohen Unterhaltungswert haben.

Die verschiedenen Angebote von Pro Familia und „inechtzeit“ sind kostenlos. Mitarbeiter unterliegen der Schweigepflicht.

„Kinder müssen lernen im Hier und Jetzt zu leben. Es gibt kaum noch Interaktion in der Bahn, wir beobachten eine Veränderung in der Kommunikationsstruktur“, sagt Syllwasschy. Die Konsequenzen daraus sind erst in der Zukunft festzustellen. Ein Problem, das gezielte Bloßstellen in Chatrooms, ist im Alltag schon jetzt deutlich zu erkennen. „Häufig kommt es zum „Shootout“ auf den Schulhöfen“, berichtet Ulrich Neuhaus von der Dienststelle Kriminalprävention und Opferstelle, „der Konflikt schaukelt sich hoch und wird in die Schule getragen.“ Neuhaus glaubt, dass Eltern durch ihre Bereitschaft dazu beitragen können, diese Konfliktherde im Keim zu ersticken.