Bochum. Dr. Andreas Richterich, Leiter der Kinder- und Jugendpsychiatrie am St. Josefs-Hospital in Bochum, schlägt Alarm. Der Kinderpsychiater setzt sich dafür ein, dass es auch an Schulen feste Regeln für die Handynutzung gibt. Richterich hat acht Hinweise für Eltern und Schüler.

Diese Zahlen sind alarmierend. In jedem Quartal werden im Kinder- und Jugendpsychiatrie am St. Josefs-Hospital in Bochum-Linden 200 Kinder behandelt, die massive Probleme mit dem Umgang von Handys und Internet haben. Die Benutzung von Handys ist ab heute, wenn der Unterricht an den weiterführenden Schulen wieder beginnt, auch wieder ein wichtiges Thema bei Schülern, Eltern und Lehrern.

Erst recht, nachdem Dr. Andreas Richterich, der Leiter der Kinder- und Jugendpsychiatrie in Linden, einen Vortrag bei der Bezirksrektorenkonferenz gehalten hat. Die Schulleitungen der Bochumer Gymnasien werden zu Beginn des neuen Schuljahres seine Empfehlungen zur Handy- und Internetnutzung an die Eltern und Schüler weitergeben.

Verbindliche Nutzungsregelungen

„Wir wollen mit ihnen in einen Diskussionsprozess eintreten“, sagt Bernhard Arens, der Vorsitzende der Bezirksdirektorenkonferenz und Schulleiter des Theodor-Körner-Gymnasiums. „Am Ende sollen klar verbindliche Nutzungsregelungen und -empfehlungen stehen. Diese können an den einzelnen Schulen unterschiedlich ausfallen.“

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An der Theodor-Körner-Schule zum Beispiel gilt, dass die Kinder ihr Handy zwar mitbringen können, es aber aus zu sein hat.

Auch für Andreas Richterich wäre ein generelles Verbot vorstellbar. „Zu viel Handynutzung macht dick und doof. Die Schulleistungen werden schlechter, die Kinder bewegen sich weniger“, sagt er mit Blick auf die Kinder und Jugendlichen, die er ärztlich betreut oder die in seine Spezialsprechstunde kommen. „Die Kinder verlernen die Grundkompetenzen. Sie schauen nur noch ins Gerät und verlernen, mit Menschen umzugehen. Daher ist es wert, für jede einzelne Sekunde ohne Handy zu kämpfen. Wir sehen bei uns in der Klinik natürlich nur die schlechtesten Verläufe, die ganz schweren Fälle.“

Aufstellen von Regeln hat Sinn

Es gebe Kinder und Jugendliche, die aufgrund ihrer Probleme ein Jahr lang nicht mehr in der Schule waren. „Drei Prozent der Erwachsenen haben Schwierigkeiten einen vernünftigen Umgang mit Handy und Internet zu finden“, sagt Richterich. „Bei Kindern liegt die Quote mindestens genauso hoch, wahrscheinlich aber noch deutlich höher.“ Er gibt sich nicht der Illusion hin, dass die Empfehlungen alle erreichen und sofort für einen Umdenkungsprozess sorgen, „aber es macht trotzdem Sinn, diese Regeln aufzustellen. Es geht nicht darum, dass man das Handy gar nicht mehr benutzt. Es geht darum, dass das Handy zu viel genutzt wird und Kinder tatsächlich denken, sie müssten nachts um zwei Uhr sofort und in jedem Fall auf eine Nachricht antworten.“

Die acht Hinweise zur Handynutzung 

Es ist kein neues, aber ein immer aktuelles Thema. An allen Bochumer Gymnasien wird über Veränderungen der Schulordnungen mit Blick auf die Nutzung von Smartphones neu nachgedacht. „Um einen möglichst breiten Überblick über alle Probleme bei der Handynutzung zu bekommen“, sagt Bernhard Arens, der Schulleiter des Theodor-Körner-Gymnasiums, „hatte die Bezirksdirektorenkonferenz der Bochumer Gymnasien Dr. Andreas Richterich, Chefarzt der Kinder- und Jugendpsychiatrie am St. Josefs-Hospital in Linden, eingeladen. Wir unterstützen einstimmig seine Hinweise und Empfehlungen für den Umgang mit Handys, Smartphones und Internet.“

Das sind die Hinweise:

1. Sprechen Sie regelmäßig mit ihren Kindern über Handy, Internet und die verwendeten Apps und Programme und treffen Sie konkrete Absprachen und halten sie ein. Ihre Kinder sollten nicht ausspioniert werden. Zeigt ihr Kind auffälliges Verhalten, sprechen Sie es an, fragen Sie nach. Das Internet kann Auslöser von Kummer und Angst sein (Cybermobbing).

2. Entdecken Sie mit Ihren Kindern gemeinsam Geräte und Anwendungen und schauen Sie sich an, was diese Geräte und Anwendungen alles können.

3. Vereinbaren Sie klare Regeln, was genutzt werden darf und was nicht. Verbote können sinnvoll und notwendig sein.

4. Vereinbaren Sie Regeln für die Nutzungszeiten. Beachten Sie, dass die Pflichten Vorrang haben. Die Nutzung darf Schule und andere Verpflichtungen nicht einschränken. Hausaufgaben werden sinnvollerweise immer zuerst gemacht. Als günstig für Jugendliche ab ca. 14 Jahren haben sich Zeitkontingente erwiesen. Vereinbaren Sie feste Zeiten „ohne Handy“ (nicht nachts, nicht während der Mahlzeiten).

5. Nur wenn Regeln eingehalten werden können und Kinder verstehen, wo die Gefahren im Internet sind, sollte Ihr Kind ein Smartphone besitzen, frühestens ab dem zwölften Geburtstag. Notfallhandys ohne Internetzugang sind schon vorher möglich. Die Anmeldung bei sozialen Netzwerken sollte so spät wie möglich erfolgen, auf keinen Fall aber vor dem 13. Lebensjahr.

6. Telefonnummer oder Adressen dürfen nicht an unbekannte Personen gegeben, Fotos von Personen oder dem Wohnort sollten nicht veröffentlicht werden.

7. Internetkonten sowie sämtliche Kreditkarteninformationen müssen für Ihre Kinder unzugänglich sein. Die Verlockung, z. B. für Onlinespiele, Apps oder Musik Geld auszugeben, ist sehr groß.

8. Bieten Sie Ihren Kindern Alternativen zur digitalen Welt. Alternativen bieten der Sport, Vereine, Musik, Treffen mit Freunden und andere „Real-Life“-Aktivitäten.