Bochum. Mit dem städtebaulichen Wettbewerb beginnt die Neugestaltung entlang der Wittener Straße. Die WAZ stellt den Siegerentwurf vor.
Die Zeit nach Opel hat begonnen. Vor allem an der Wittener Straße ist das nicht zu übersehen. Dort nämlich hat sich die Silhouette des Automobilwerks in den vergangenen Monaten durch den Abriss von Lackiererei und Schornstein dramatisch verändert.
Weitere Umbrüche – diesseits und jenseits der Wittener Straße – werden folgen. Und damit das geordnet geschieht, hat die Stadt einen städtebaulichen Wettbewerb ausgeschrieben für eine 38 Hektar große Fläche (in der Grafik rot umrandet) zu beiden Seiten der Wittener Straße, die im Norden an das Möbelhaus Hardeck reicht und die im Süden mit dem ehemaligen Opel-Werksgelände endet.
Zehn Architekturbüros haben sich mit der Frage beschäftigt wie das Gelände künftig aussehen könnte. Beantwortet werden sollte die Frage, wie die durch den Abriss des Werks entstehenden Gewerbeflächen, die der Entwicklungsgesellschaft Bochum Perspektive gehören, über die Wittener Straße hinweg besser mit dem isolierten Stadtteil Laer verknüpft werden können.
Am besten gelungen ist das nach Ansicht einer 13-köpfigen Jury dem Bonner Architekturbüro skt-umbaukultur, das mit dem ersten Preis bedacht wurde (die WAZ berichtete) und 25 600 Euro der ausgelobten 85 000 Euro erhielt. Dessen Entwurf zeugt, so Prof. Kunibert Wachten, der Wettbewerb und Jury-Entscheidung moderiert hatte, „von einem ausgeprägten Feingefühl für die Laerer Seite“. Details dieses Vorschlags stellen wir an dieser Stelle vor. Mit dem öffentlich ausgelegten Planentwurf beginnt nun die Debatte über die städtebauliche Entwicklung in und um Laer. Dass bereits morgen so gebaut wird, darüber müsse sich niemand Sorgen machen, betont Stadtplaner Eckhart Kröck. Auf dem Tisch liegt ein Vorschlag. Er ist der Beginn einer vermutlich lange dauernden Entwicklung.
Aus Sicht von Bezirksbürgermeisterin Andrea Busche (SPD) ist der Entwurf jedenfalls eine gute Grundlage: „Darauf lässt sich aufbauen.“ Sie selbst war als sachverständige Preisrichterin bei der Auswahl beteiligt und hatte die später auf Platz eins und zwei (Büro „reicher haase“, Dortmund) gelandeten Entwürfe favorisiert. Ihre Einschätzung: Vieles werde in den Entwürfen angeregt, was den Stadtteil spürbar verändern werde. „Aber ich denke das wollen die Bürger auch.“
1: Grüne Achse
Den durchs Opel-Werk und die Wittener Straße abgetrennten Stadtteil Laer mit seinen mehr als 6000 Einwohnern stärker ins Stadtgefüge zu integrieren, ist eines der Hauptziele bei der Neugestaltung. Gelingen soll dies nach der Vorstellung des Siegerentwurfs unter anderem durch eine „grüne Achse“, die vom Zentrum Laers östlich der Wittener Straße direkt in den neuen Stadtteilpark führt und die an der nördlichen Seite den Anfang des Technologiecampus markiert. Fußgänger und Radfahrer sollen die Achse nutzen können, der motorisierte Verkehr bleibt außen vor.
2. Nord-Süd-Quartier
Der Campusbereich westlich der Wittener Straße mit Büros, Laboren und Werkstätten ist unterteilt in ein nördliches und ein südliches Quartier, die jeweils ihre eigene Quartiermitte haben werden. Erschlossen werden die Gebäude über ein zwischen Nord- und Süd-Campus gelegenen Kreisverkehr.
Die Campusgebäude haben eine Tiefe von 15 Metern und weisen zum Teil grüne Höfe und Ruhezonen auf. Errichtet werden sollen die drei- bis sechsgeschossigen Bauten auf einer Grundfläche von jeweils 1000 bis 4000 Quadratmeter.
3. Höchster Bau hat sieben Geschosse
Das höchste Gebäude in dem Ensemble an Büro- und Labor- oder Werkstattgebäuden links von der Wittener Straße soll das sogenannte Boarding House im Süden mit insgesamt sieben Geschossen sein. Es bildet den Abschluss des gesamten Planungsgebiets, wird aber wegen des abfallenden Geländes die anderen Gebäude nicht überragen. Das Appartementhaus ist eine von insgesamt vier architektonischen Dominanten im Technologiezentrum. Sie bilden die buchstäblich überragenden Gebäude an markanten Plätzen innerhalb des Zentrums.
4. Parkplatz soll renaturiert werden
Hunderte von neuen Opel-Fahrzeugen standen einst auf einem schmalen Streifen zwischen der Wittener und der Alten Wittener Straße. Hier, am unteren Ende des Entwicklungsgebiets, warteten die frisch vom Band gelaufenen Autos auf ihren Weitertransport. Mehrere tausend Quadratmeter groß ist die versiegelte Fläche. Asphalt und Unterbau sollen nach den Vorstellungen des Siegerentwurfs abgetragen und das Areal als Ausgleichsfläche genutzt werden.
„Ergänzend zur vorhandenen Vegetation werden die Flächen mit Gehölzinseln, Sträuchern und Hecken bepflanzt. Die Hecken variieren in Längen und Schnitthöhen. Durch dieses Bepflanzungsmuster entsteht gleichzeitig eine Vernetzung zu den umliegenden Biotopen“, heißt es in der Beschreibung der Architekten.
Zwischenzeitlich könnte aber auch eine andere Nutzung in Frage kommen. Der Parkplatz gilt nämlich als potenzieller Standort für eine mobile Wohnanlage für Flüchtlinge. 440 Personen, so sehen die Planungen der Sozialverwaltung aus, könnten dort untergebracht werden.
5. Parklandschaft für den ganzen Stadtteil
Ein grüner Puffer soll den Campus vom eigentlichen Gewerbegebiet trennen, in dem zumindest zum Teil industrielle Fertigung vorgesehen ist. Dabei haben die Architekten keine gerade Linie vorgesehen, sondern sprechen von einer aufgebrochenen und lebhaften Raumkante, die einen gefälligen Übergang zwischen dem Quartier und dem Gewerbe schaffen soll. Sowohl das Gebäudeensemble als auch der Park sollen Aufenthalts- und Erholungscharakter für Beschäftigte und Anwohner haben – in Pausen, nach Feierabend und am Wochenende. Für den Stadtteil Laer eröffnet sich die Chance einer neuen Naherholung.
6. Zwei Regenrückhaltebecken
Etwa 15 Meter beträgt der Höhenunterschied vom nördlichen bis zum südlichen Ende der Opel-Fläche. Diesen Niveauunterschied wollen die Architekten für die Entwässerung nutzen. In der grünen Pufferzone sollen zwei Regenwasserrückhaltebecken entstehen.
Durch eine in der Mitte des neuen Parks verlaufende Wassersammelachse wird das anfallende Regenwasser der Gebäude und befestigten Flächen über eine offene Rinne geleitet. Unterbrochen von Wasserkaskaden und Staustufen läuft es in Richtung Rückhaltespeicher am südlichen Ende des Parks. Von dort fließt es offen in den Ölbach.
7. Nahtloser Übergang
Den Übergang vom Stadtteil Laer zum Technologiezentrum soll im südlichen Bereich entlang der Alten Wittener Straße eine zweigeschossige Wohnbebauung herstellen. Sie grenzt im Rücken in zweiter Reihe der Wittener Straße an bis zu viergeschossige Bürogebäude, die den Übergang vom Wohn- zum Gewerbebereich bilden. Am südlichen Ende sind Stadtteil und Quartier mit einem Fuß- und Radweg verbunden, der auf einer Bahntrasse verläuft. Eine Rampe führt hinauf zur Wittener Straße.
8. Neue Mitte Laer
Neu gedacht wird und neu gestaltet werden könnte der Stadtteil Laer. Er erhält mit dem neuen Kirchplatz ein klares Zentrum, das – ausgehend von bestehenden Einrichtungen am Lahariplatz – mit kleinteiligen, individuellen Nutzungen ergänzt wird. Das Caritaszentrum der Kirche wird durch besondere Wohnformen erweitert. So könnte Laer eine Neue Mitte am gleichnamigen Stadtbahnhaltepunkt erhalten.
9. Verkehr/ÖPNV
Drei Parkregale (grüne Dächer), die maximal sechs Geschosse haben, sollen im Technologiequartier die Autos an zentraler Stelle im nördlichen, mittleren und südlichen Bereich unterbringen. Die Regale erhalten grüne Fassaden und verbinden sich optisch mit der Grüngestaltung der Quartiere.
Das Campusquartier ist an die Stadtbahnhaltestelle des ehemaligen Opelwerks angebunden, die den Namen des neuen Campus erhalten könnte. Elf Millionen Euro würde es nach Schätzung der Verwaltungen kosten, den Abzweig von der Wittener Straße bis zum Verwaltungsgebäude DI in der Nähe des Opelrings zu errichten.
Im Technologiequartier führt die Straße von der Haltestelle mit einem Gefälle von vier Prozent über den zentralen Quartierplatz mit Mensa am Park und sieben Meter unter der Brücke der Wittener Straße hindurch bis zu den Bürogebäuden am Wendehammer auf der östlichen Seite der Wittener Straße. Dieser Endpunkt ist mit dem Radwegenetz verbunden.