Bochum. Muthig-Beilmann ist die Nachfolgerin von Brinkmöller-Becker. Sie will am Weiterbildungskolleg unentdeckte Kompetenzen bei den Studierenden wecken.
Auch für Schulleiterinnen gibt es den ersten Schultag. Aufregend sei es schon, sagte Susanne Mutig-Beilmann (50) am Mittwoch. Zudem eine neue Herausforderung, auf die sie sich sehr freue. Seit einer Woche arbeitet sie als Schulleiterin des Ottilie-Schoenewald-Weiterbildungskollegs. Nun stand die Begrüßung der neuen Erstsemester, der neuen Studierenden des Kollegs an. Klassenweise ging das und dauerte so den ganzen Tag.
Immer wieder begrüßte sie mit freundlichen Worten junge Menschen, die am Weiterbildungskolleg eine neue, eine zweite Chance suchen. Viele haben an der Regelschule den Abschluss nicht geschafft oder wollen, nachdem sie sich privat oder beruflich neu sortiert haben, einen besseren Abschluss nachholen. Sie haben mit der gebürtigen Hernerin Muthig-Beilmann eine Schulleiterin, die zweite Chancen kennt.
Auch ihr Leben verlief nicht stringent, auch wenn es immer zielgerichtet war. Nach dem Abitur an der Hildegardis-Schule machte sie zunächst eine Lehre, wurde Industriekauffrau. Mit 31 fing sie ein Studium an, studierte Wirtschaft und Pädagogik. In den Schuldienst trat die zweifache Mutter 2001 ein. Am Mulvany-Berufskolleg in Herne war sie zuletzt Abteilungsleiterin der Höheren Handelsschule.
Erst Industriekauffrau, dann Studium. Das hört sich nicht nach erster Idee an.
Susanne Muthig-Beilmann: Mir war immer klar: ich möchte etwas im pädagogischen Bereich machen und ich wollte mich immer weiterentwickeln. Daher kenne ich die zweite Chance, sich mit bereits gemachten Erfahrungen noch einmal auf den Weg zu machen, Krisen als Chance zu nutzen.
Berufskollegs mit neuen Schulleitern
Das Ottilie-Schoenewald-Weiterbildungskolleg ist das einzige Weiterbildungskolleg der Stadt.
Dazu gibt es fünf Berufskollegs in Bochum und Wattenscheid: Technische Berufliche Schule 1, Walter-Gropius-Berufskolleg, Alice-Salomon-Berufskolleg, Louis-Baare-Berufskolleg und das Klaus-Steilmann-Berufskolleg.
Nicht nur das Weiterbildungskolleg hat eine neue Leitung bekommen.
Thomas Glaß ist relativ neu an der TBS1; Johannes Kohtz-Cavlak hat zu diesem Schuljahr am Salomon-Berufskolleg angefangen; am Klaus-Steilmann-Berufskolleg ist seit dem 1. August Andreas Zimmermann (45) Schulleiter.
So wie die Studierenden am Weiterbildungskolleg?
Muthig-Beilmann: Wenn sie hier den Abschluss schaffen, haben sie gute Chancen, richtig Fuß zu fassen. Menschen, die zum Beispiel auf dem zweiten Bildungsweg zum Beispiel ihr Abitur gemacht haben, gelten als sehr belastbar. Sie sind für das sich anschließende Berufsleben oder für das Studium bestens aufgestellt.
Es sind aber zunächst Menschen mit Brüchen, mit Problemen. Muss man als Schulleiterin des Weiterbildungskollegs ein besonderer Menschenfreund sein?
Muthig-Beilmann: Man muss vor allem offen sein und perspektivisch davon ausgehen, dass es nicht immer nur den einen Weg gibt. Wir haben es hier mit Biografien zu tun, die nicht immer die leichtesten sind. Aber eben das Ungerade schafft mehr Lebenskompetenz und Reife. Jeder sollte sich einmal hinterfragen, wo er mit 18 stand und wie es da mit Unterstützung aussah. Das können manche Menschen in der Bevölkerung vielleicht nicht einschätzen. Wir haben am Weiterbildungskolleg als klassische Institution des zweiten Bildungsweges die Aufgabe, unentdeckte Kompetenzen bei unseren Studierenden zu wecken bzw. zu fördern, sozusagen die Spätblüher auf dem Weg zur vollen Entfaltung zu begleiten. Hinter dieser Aufgabe stehe ich mit Herzblut.
Welches Ziel haben Sie darüber hinaus als Schulleiterin des Weiterbildungskollegs?
Muthig-Beilmann: Unter meinem Vorgänger Heinrich Brinkmöller-Becker wurde am Ottilie-Schoenewald-Weiterbildungskolleg viel Kultur gelebt, das möchte ich fortführen, indem die Ausstellungen fortgesetzt werden. Die Kunst kann als Sprache genutzt werden, um unseren Studierenden die Möglichkeit zu bieten, stärker in den gesellschaftlichen Dialog zu treten. Darüber hinaus möchte ich unser Weiterbildungskolleg in der Stadtgesellschaft noch weiter bekannt machen.
Muthig-Beilmann: Gerade bei uns in Bochum hat das Angebot der zweiten Chance eine der wichtigsten gesellschaftlichen Aufgaben zu erfüllen. Schaut man sich zum Beispiel den Zuwachs an Jugendlichen in Maßnahmeträgern an, in denen sie zwar beruflich qualifiziert werden, nicht aber einen höheren Schulabschluss erwerben können, dann können Nichtfachkundige vielleicht im Ansatz ermessen, welche Bedeutung das Weiterbildungskolleg als staatlich geförderte Bildungseinrichtung belegt. Deswegen will ich verstärkt auf andere Bildungseinrichtungen der Stadt zugehen und das Weiterbildungskolleg in der Stadt noch weiter vernetzen.